Handy-Recycling 04.05.2012, 11:57 Uhr

Alba Group: Auf der Jagd nach den verborgenen Handy-Schätzen

Die Deutschen sind Weltmeister beim Trennen von Abfall. Nur die ausrangierten Handys behalten sie oft zu Hause in der eigenen Schublade. Deshalb müssen Entsorger neue Wege gehen, um die alten Mobiltelefone für ihre Elektronikschrottanlagen zu erhalten. So kooperiert Alba mit der Deutschen Post. Verbraucher können ihre alten Kleingeräte kostenlos per Brief einschicken. In der Alba-Anlage im pfälzischen Lustadt werden die Handys zerlegt und recycelt.

Ausrangierte Handys werden oft behalten.

Ausrangierte Handys werden oft behalten.

Foto: Vodafone

„Ah, da ist eine neue Ladung angekommen“, freut sich Manfred Fahrner, Vertriebsleiter von Alba R-Plus, der Elektroschrottrecycling-Sparte von Alba. Begeistert wühlt der Schwabe in einer Kiste alter Handys, die nur noch für Sammler geeignet sein dürften. „Schauen Sie doch mal, wie gut die noch erhalten sind“, erklärt er und streicht zärtlich mit seinen Fingern über das Display und Gehäuse der kleinen Hightechgeräte. „Da lässt sich noch einiges rausholen“, ist Fahrner überzeugt. Er grinst, als hätte er soeben ein riesiges Schnäppchen gemacht.

Tatsächlich sind Handys die künftigen Goldminen für Recycler wie Alba. „In einem Mobiltelefon stecken bis zu 60 verschiedene Rohstoffe drin, darunter Edelmetalle wie Gold, Silber und Kupfer“, schwärmt E-Schrott-Experte Fahrner.

Handy-Recycling ist eine wahre Goldgrube

Laut Schätzungen der EU-Kommission bringt das Recycling von 1 Mio. der Kleingeräte 250 kg Silber, 24 kg Gold und 9 kg Kupfer. Schon aus 300 g ausrangierter Handys ließe sich Berechnungen zufolge dieselbe Menge Reingold erzielen wie bei der Förderung von einer Tonne Golderz. Das Recycling lohnt sich, schließlich sind 80 % der Inhaltsstoffe eines Handys wiederverwertbar – bei fachgerechter Entsorgung.

Seit Februar landen in Lustadt, einem idyllischen 3000-Seelen-Ort im Süden von Rheinland-Pfalz nahe der Deutschen Weinstraße, zunehmend Alt-
handys in den Elektroschrottanlagen von Alba. Dank einer gemeinsamen Aktion mit der Deutschen Post. Im Rahmen des Projekts „Electroreturn“ können Bürger ihre ausgedienten Elektro-Kleingeräte wie Handys, Rasierer, Fotoapparate und Stecker zur Post bringen und kostenlos an Alba schicken. Einzige Voraussetzung: die ausgedienten Produkte müssen in einen Maxi-Briefumschlag passen.

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Unter der Internet-Homepage electroreturn.de brauchen die Althandybesitzer nur ein kostenloses Versandetikett herunterzuladen, damit den Umschlag zu frankieren und in den Briefkasten zu werfen. Die Deutsche Post befördert dann die Pakete ins Briefzentrum von Ludwigshafen. Dort werden sie gebündelt und in Kästen mit 700 bis 800 Stück verpackt, die dann weiter zur Anlage von Alba nach Lustadt transportiert werden. Das Porto zahlt Alba an die Post – und erhält dafür den kompletten Inhalt.

Alba-Vertriebsleiter Fahrner deutet mit dem Finger auf zwei Arbeiter, die gerade die Pakete mit angekommenen Althandys entpacken. Die haben jetzt mehr zu tun, scherzt er. Mittelfristig hofft Alba auf 10 000 Einsendungen pro Monat. Ein Fünftel soll von den Privatverbrauchern kommen, der Rest von Handyshops und Gewerbetreibenden.

Noch ist man von diesen Mengen weit entfernt, aber die erste Resonanz auf die im Februar gestartete Sammelaktion stimmt Alba-E-Schrott-Manager Fahrner zuversichtlich. „Die ersten Lieferungen haben gezeigt, dass der Anteil guter Handys für das Recycling sehr hoch ist“, freut sich der stämmige Schwabe.

„Wie bekommen wir das Handy aus der Schublade?“

Für den ausgebildeten Kaufmann, der seit 16 Jahren im Elektroschrottgeschäft tätig ist, geht es bei dem Projekt „Electroreturn“ nicht nur um nackte Zahlen. „Die entscheidende Frage für uns ist: ‚Wie bekommen wir das Handy aus der Schublade?‘“ Schließlich verstauben nach Schätzungen der Alba-Manager gut 83 Mio. defekte oder veraltete Mobiltelefone in den Wohnungen der Deutschen. Viele Verbraucher würden den Weg zum Wertstoffhof scheuen, um dort ihr nicht mehr brauchbares Handy abzugeben. Dort landen eher großvolumige Geräte wie Fernseher oder Kühlschränke.

Die Recycler sind ratlos. Mit allerlei Aktionen versuchen sie und die Industrie die Verbraucher zur Abgabe ihrer Altgeräte zu mobilisieren. Vergeblich. Die Deutschen bleiben lieber auf ihren Handys sitzen. Vielleicht weil das Handy jahrelang ihr treuester Begleiter war. Oder auch weil befürchtet wird, im alten Gerät lägen noch vertrauliche Daten. Fahrner zuckt mit den Schultern: „Wir wissen nicht so recht, wo die Handys landen.“

Einige Bürger werfen ihre Althandys in die Restmülltonne. Diese enden dann in der Müllverbrennung, bedauert Fahrner. Nur in orangefarbenen Tonnen sind ausgemusterte Elektronikkleingeräte zugelassen. Davon gibt es aber nur ganz wenige in Deutschland – an ausgewählten Pilotstandorten. Andere ausrangierte Handys werden nach Afrika oder Asien exportiert – von Privatfirmen, die die Altgeräte aufkaufen.

Alt-Handys landen selten bei Recyclern

Ähnlich wie Alba und die Deutsche Post nehmen die Mobilfunkfirmen Handys kostenlos in ihren Läden oder auch per Post zurück. Für jedes eingesandte Mobilfunktelefon spenden sie 2 € bis 3 € an gemeinnützige Vereine. Manche Anbieter wie Vodafone kaufen gar Althandys an. Trotzdem ist die Rücklaufquote bisher ernüchternd, der Service hat sich offenbar kaum herumgesprochen.

Dementsprechend wenig Althandys landen bei den Recyclern. Bei Alba machen Mobiltelefone unter der gesamten Elektroschrottmenge bislang gerade mal einen Anteil von 1 % aus. Vertriebsleiter Fahrner zeigt auf die Berge von Computermonitoren und Fernsehern, die auf dem Innenhof des 4 ha großen Recyclinggeländes lagern. „Damit machen wir bisher das Gros unseres Geschäfts“, erklärt er.

In einer der Hallen stehen Arbeiter an Sortierbändern und knacken die gläsernen Bildröhren aus alten Fernsehern sowie aus den Bildschirmen von alten Computern heraus. Vor allem bei Computermonitoren ist harte Handarbeit gefragt.

Notfalls muss mit dem Hammer das Plastik weggeschlagen werden, sagt Fahrner – und blickt mitleidig auf einen Arbeiter, der gerade mit viel Körpereinsatz an einem Computermonitor herumwerkelt. Die alten Geräte werden in Wertstoff-Fraktionen – Kunststoffe und diverse Metalle – zerlegt und dann zu bunten oder silberfarbigen Granulaten zerbröselt.

Die ausgedienten Mobiltelefone müssen in ihrer Kiste oft tagelang warten, bis sie ausgenommen und verwertet werden. „Ein Mal pro Woche kommen sie dran“, meint Vertriebsleiter Fahrner. „Die hochwertigen Handys werden gesammelt und dann separat von anderen Materialien verarbeitet.“

Ein Arbeiter in kurzärmliger Handwerker-Montur trennt zunächst manuell die Platine vom Gehäuse und Display des Handys. In der Platine befinden sich die wertvollen Edelmetalle wie Gold, Silber und Palladium. Der Rest, Gehäuse und Display, besteht aus einem Gemisch von Kunststoffen, Nickel, Flammschutzmittel und anderen Materialien. Nicht alles, aber ein Großteil wird davon verwertet. Die Kunststoffe werden geschreddert und in Form kleiner Kügelchen recycelt.

Mit speziellen Techniken lassen sich – insbesondere bei der kostbaren Platine – Metalle und Kunststoffe voneinander trennen. „Wir lösen die Verbunde auf und separieren die Metalle“, erklärt Manager Fahrner in typischem Recyclingjargon. So wird in der Verkugelungsmühle mithilfe eines starken Luftstroms der leichte Kunststoff nach oben gedrückt, während die schwereren Metalle nach unten in einen Extrabehälter fallen.

Ebenso ermöglichen elektrostatische Verfahren die Trennung der unterschiedlichen Metalle: In elektrostatisch aufgeladenen Trommeln bleiben die Metalle fraktioniert kleben und werden dadurch voneinander separiert. Nach dieser erfolgreichen Trennung können die unterschiedlichen Metalle wie Gold, Silber und Palladium endlich zerkleinert werden. Am Ende bröselt aus mehreren Rohren feinkörniges Granulat – wie von Geisterhand. Fahrner hält die Körnchen stolz in die Luft. „Das ist unser Rohstoff, mit dem wir Geld verdienen.“

Alba profitiert von gestiegenen Rohstoffpreisen

Angesichts der zunehmenden Rohstoffknappheit sind die Metallkörnchen gefragt. Beispielsweise bei Kupferhütten: Sie nehmen das recycelte Kupfer sowie die Mischmetalle ab. Dabei profitiert Alba auch von den gestiegenen Rohstoffpreisen in den letzten Jahren.

Manager Fahrner, für den Elektroschrott längst kein Müll mehr ist, sieht denn auch sein Unternehmen als wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft bei der Rohstoffversorgung. „Wir entwickeln uns vom Entsorger zum Rohstofflieferanten“, meint er.

Der 58-jährige gebürtige Tübinger hofft darauf, dass die Sammlung und Trennung von Elektroschrott bei den Bürgern weiter an Beliebtheit gewinnt. Derzeit schreibt eine EU-Direktive lediglich vor, dass jährlich 4 kg E-Schrott pro Bürger eingesammelt werden müssen. In Deutschland werden gut 40 % aller Elektrogeräte über die offiziellen Rücknahmesysteme gesammelt und verwertet. Diese Quote soll deutlich zulegen. In der EU wird über eine Verwertung von mindestens 65 % des Elektroschrotts diskutiert. „In der Schweiz und in Skandinavien ist die Quote schon jetzt deutlich höher“, weiß Fahrner.

„Electroreturn“: Ein Gemeinschafts-Projekt von Alba und der Deutschen Post

Mit dem Projekt „Electroreturn“ wollen Alba und die Deutsche Post dazu beitragen, dass mehr Handys und Elektroschrott recycelt werden. Die Aktion mit der Post sieht der Alba-Mann nicht als Eintagsfliege. Der Kooperationsvertrag sei zwar vorerst auf ein Jahr ausgelegt, das Projekt sei jedoch zeitlich nicht begrenzt.

Schließlich werden nicht von heute auf morgen die Bundesbürger aufwachen und ihre Althandys massenhaft aus den Schubladen räumen, um sie den Recyclern zu schicken. „Da brauchen wir einen ganz langen Atem“, sagt Fahrner. Und seufzt.

 

Ein Beitrag von:

  • Notker Blechner

  • Ulla Micheline

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