Als das Mittelmeer beinahe zur Salzwüste wurde und fast alles Leben verschwand
Eine uralte Salzkrise veränderte die Biodiversität im Mittelmeer radikal und führte fast zur Austrocknung. Die Erholung dauerte mehr als 1,7 Millionen Jahre.
Vor etwa 5,5 Millionen Jahren erlebte Mittelmeerraum ein beispielloses ökologisches Ereignis, das die biologische Vielfalt der Region nachhaltig veränderte. Eine geologische und biologische Krise, bekannt als Messinische Salinitätskrise, führte dazu, dass das Mittelmeer fast vollständig austrocknete und sich dicke Salzablagerungen bildeten. Diese Naturkatastrophe hatte weitreichende Auswirkungen auf die marine Biodiversität und brauchte Millionen von Jahren, um sich zu erholen.
Die Entstehung des Salzriesen
Die Messinische Salinitätskrise begann vor etwa 5,97 Millionen Jahren, als tektonische Verschiebungen den Zufluss von Atlantikwasser ins Mittelmeer unterbrachen. Die Hebung der Erdkruste zwischen Gibraltar und Nordafrika blockierte den natürlichen Wasseraustausch und isolierte das Mittelmeer zunehmend. Ohne ständige Frischwasserzufuhr begann das Becken zu verdunsten und der Salzgehalt stieg dramatisch an. Dieser Prozess führte zur Bildung riesiger Salzablagerungen, so genannter Salzriesen, und zur Entstehung flacher Salzseen, während der Meeresspiegel rapide sank.
Dieser Zustand der Hyperversalzung machte das Mittelmeer zu einer lebensfeindlichen Umgebung. Viele Meeresbewohner, die zuvor in dieser Region heimisch waren, konnten sich nicht an die extremen Bedingungen anpassen und starben aus. Die Krise dauerte etwa 640.000 Jahre, bis schließlich vor 5,33 Millionen Jahren die natürliche Barriere in der Straße von Gibraltar durchbrochen wurde. Eine gewaltige Flut ergoss sich in das fast ausgetrocknete Becken und füllte es innerhalb weniger tausend Jahre wieder auf.
Dramatische Folgen für die Biodiversität
Die Messinische Salinitätskrise hat zu einem dramatischen Verlust an biologischer Vielfalt im Mittelmeer geführt. In einer umfassenden Studie eines internationalen Teams unter der Leitung von Konstantina Agiadi von der Universität Wien wurde dieser Biodiversitätsverlust erstmals quantifiziert. Von den 779 endemischen Arten, die vor der Krise ausschließlich im Mittelmeer vorkamen, haben nur 86 überlebt, was einer Überlebensrate von etwa 11 % entspricht. Zwei Drittel der ehemaligen Arten sind vollständig aus dem Ökosystem verschwunden.
Die Studie, die auf der Analyse von fast 23.000 Fossilien aus verschiedenen Teilen des Mittelmeers basiert, zeigt, dass Veränderungen des Salzgehalts, der Temperatur und des Sauerstoffgehalts des Wassers zu massiven Störungen der ökologischen Prozesse führten. Viele Tiefseearten, darunter Knochenfische und Muscheln, wurden durch die extremen Umweltbedingungen verdrängt. Auch die tropischen Riffkorallen, die einst im warmen Mittelmeer blühten, verschwanden fast vollständig.
„Frühere Studien zu den Auswirkungen der messinischen Salinitätskrise konzentrierten sich auf nur bestimmte Organismengruppen, zudem beruhten sie auf unvollständigen und teils nicht gesicherten Szenarien“, erklären Agiadi und ihre Kollegen. „Dies ist die erste statistische Analyse einer so großen ökologischen Krise.“
Nur langsame Erholung nach der Salzkrise
Die Rückkehr des Atlantikwassers in das Mittelmeer brachte nicht nur Wasser, sondern auch eine Vielzahl neuer Arten. Diese Invasion neuer Arten führte zu einer weiteren Umwälzung der Ökologie. Weiße Haie, Ozeandelfine und viele Arten von Plankton und Wirbellosen siedelten sich im Mittelmeer an und veränderten das ökologische Gleichgewicht. Dies führte zur Entstehung eines neuen Biodiversitätsmusters, bei dem die Artenvielfalt von Westen nach Osten abnimmt – ein Phänomen, das auch heute noch zu beobachten ist.
Trotz der relativ schnellen Erholung des Mittelmeers dauerte es sehr lange, bis sich die Artenvielfalt wieder erholte. Die Studie zeigt, dass es mehr als 1,7 Millionen Jahre dauerte, bis die Artenvielfalt wieder das Niveau vor der Versalzungskrise erreichte. Die langsame Erholung ist auf die tiefgreifenden Veränderungen der Umweltbedingungen und die Anpassungsnotwendigkeit der verbliebenen und neu eingewanderten Arten zurückzuführen.
Bedeutung der Forschung und zukünftige Fragen
Die Ergebnisse dieser Studie werfen wichtige Fragen zur Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegenüber extremen Umweltveränderungen auf. Wie konnten die wenigen übrig gebliebenen Arten die extremen Bedingungen der Salinitätskrise überleben? Welche Mechanismen trugen zur langsamen, aber letztlich erfolgreichen Erholung der Biodiversität bei? Die Erkenntnisse aus dem Mittelmeerraum lassen sich auch auf andere Regionen der Welt übertragen, in denen ähnliche Salzgiganten entdeckt wurden.
Das internationale Forschungsteam, das auch Teil des neuen Cost Action Network „SaltAges“ ist, will diesen Fragen weiter nachgehen. Ziel ist es, die sozialen, biologischen und klimatischen Auswirkungen von Salzriesen besser zu verstehen. Solche Studien könnten wertvolle Hinweise liefern, wie moderne marine Ökosysteme auf gegenwärtige und zukünftige Umweltveränderungen reagieren könnten.
„Die Ergebnisse werfen eine Reihe neuer spannender Fragen auf“, erklärt Daniel García-Castellanos von Geosciences Barcelona (CSIC), der Senior Scientist der Studie: „Wie und wo haben 11% der Arten die Versalzung des Mittelmeers überlebt? Wie haben frühere, größere Salzformationen die Ökosysteme und das Erdsystem verändert?“
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