Arzneimittel und Nanopartikel könnten sich im Wasser zu Giftcocktail mischen
Kläranlagen können längst nicht alle Wirkstoffe im Abwasser eliminieren. Und so gelangen jeden Tag winzige Rückstände von Arzneimitteln gemeinsam mit Nanopartikeln aus Duschgel in Flüsse, Seen und ins Meer. Welche Wirkstoffkombinationen für den Menschen zur Gefahr werden können, wollen deutsche Forscher jetzt mit einem Computermodell voraussagen.
Immer mehr Reste von Arzneimitteln gelangen ins Ab- oder Grundwasser, weil unverständige Menschen Pillen, die sie nicht mehr benötigen, einfach in der Toilette entsorgen. Viele Kläranlagen sind nicht in der Lage, diese winzigen Substanzen herauszufiltern. Die Folge: Sie gelangen gemeinsam mit winzigen Nanopartikeln aus Sonnenschutzmitteln oder Duschgel in Flüsse, Seen oder ins Meer – und letztlich über die Nahrungskette als Wirkstoffcocktail zum Menschen. Zu den Übeltätern gehören auch Landwirte, die große Mengen an Tierarzneimitteln verwenden. Ein Teil davon gelangt in die Gülle, die wiederum auf den Äckern und damit im Grundwasser landet.
Teilchen dieser Größenordnung können zur Gefahr für Menschen, Tiere und selbst Pflanzen werden. Beweise dafür gibt es bisher nicht, nur Verdachtsmomente. Möglicherweise haben Nanopartikel verheerende Folgen, wenn sie kombiniert mit Medikamentenrückständen im Wasser auftauchen.
Weder die Wirkzusammenhänge, noch die realen Gefahren der unterschiedlichen Mixturen sind bisher bekannt. Das wollen Forscher der Universität des Saarlandes und des Saarbrücker Ablegers des Korea Institute of Science and Technology (Kist) jetzt ändern.
Wissenschaftler testen Wirkstoffcocktails an Eiern der Zebrafische
Gezielt bringen sie die Eier von Zebrafischen mit Schadstoffen, vermeintlichen Schadstoffen und Kombinationen daraus zusammen. „Die Schale der Eier ist sehr transparent, sodass wir schnell sehen, wie bestimmte Stoffe die Entwicklung des Embryos beeinflussen“, sagt Kist-Forscher Chang-Beom Park. Aus diesen Beobachtungen glauben die beteiligten Forscher auch Rückschlüsse darauf ziehen zu können, wie die Cocktails auf Menschen wirken.
Weil Schadstoffe auf unterschiedliche Lebewesen unterschiedlich wirken, setzen die Forscher auch Algen und kleine Krebse den Schadstoffen aus. „Für Algen kann eine andere Substanz giftiger sein als für den Zebrafisch“, sagt Sang Hun Kim, Leiter der Abteilung Umwelt und Biologie am Kist Europe.
Computermodell soll Gefahren von Wirkstoffkombinationen ermitteln
Wenn die Forscher diese komplexen Zusammenhänge ermittelt haben, wollen sie gemeinsam mit Saarbrücker Bioinformatikern ein Computermodell entwickeln, mit dem sich die Gefahren beliebiger Wirkstoffkombinationen ermitteln lassen. Damit lassen sich Prognosen über die Folgen von ungewollten Wirkstoffabgaben ins Wasser erstellen.
Ab 2015 will die Europäische Union den Umgang mit Chemikalien neu regeln, um die Verschmutzung von Gewässern zu verringern oder ganz zu verhindern. Die Ergebnisse aus Saarbrücken könnten zur Grundlage werden.
Machtlos sind die Wasserwerker in den Kläranlagen und Trinkwasseraufbereitungsanlagen nicht, wenn es um die Beseitigung der Nanopartikel und Medikamentenrückstände geht. Forscher am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart haben dazu gleich drei Verfahren entwickelt.
Sie behandeln Wasser mit einem Plasma – das ist eine Art Gas, das sich aus positiv und negativ geladenen Atomteilchen zusammensetzt –, setzen es einem Hochspannungsfeld aus oder vermischen es mit kleinen Kunststoffkügelchen, an denen Schadstoffe kleben bleiben. Diese Verfahren werden allerdings noch nicht großtechnisch eingesetzt.
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