Auf den Weltmeeren schwimmt viel weniger Plastik als gedacht
Jedes Jahr sollen es mehrere Millionen Tonnen Plastikmüll sein, die in den Ozeanen landen. Doch nur ein Bruchteil dieser Menge schwimmt laut einer spanischen Studie auf der Wasserfläche. Forscher rätseln, ob ein Großteil des Mülls mittlerweile schon auf den Meeresboden abgesunken ist.
Es ist eines der größten Umweltprobleme der Gegenwart: Plastikmüll in den Weltmeeren. In einigen Regionen der Welt sollen bis zu eine Million Teile auf einem Quadratkilometer schwimmen. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) macht in einer Untersuchung vier Quellen dafür verantwortlich: Abfälle der Touristen an Stränden, bei Stürmen und Fluten ins Meer gespülte Teile, Netze und Leinen von Fischern sowie Abfälle, die von Schiffen ins Wasser geworfen werden. Bei 50 bis 80 Prozent der tot aufgefundenen Meeresschildkröten sei verschlucktes Plastik die Todesursache. Mindestens 267 Tierarten seien direkt betroffen, weil sie die Teile für Nahrung halten.
Auf der Wasseroberfläche schwimmen höchstens 35.000 Tonnen Plastik
Die Annahme, dass Millionen Tonnen Plastik auf der Oberfläche schwimmen, galt seit Jahren als unbestreitbar. Nun haben spanische Forscher die Daten einer aufwendigen Expedition im Jahr 2010 und weitere Studien ausgewertet und kommen zu dem Schluss, dass nur zwischen 7000 und 35.000 Tonnen solcher Abfälle auf dem Wasser treiben. „Das ist weitaus weniger als erwartet. Der Grund dafür dürfte sein, dass viel mehr Plastik auf den Boden sinkt als vermutet“, sagt Andres Cozar von der Universität Cádiz, der die Studie leitete.
Die Ursachen dafür müssten aber erst noch untersucht werden. Möglichkeiten gibt es einige: Die Teile könnten durch Nano-Fragmentierung so zerkleinert werden, dass sie nicht mehr aufzufinden sind. Oder sie werden durch Anlagerungen organischer Bestandteile so beschwert, dass sie absinken. Oder es werden weitaus mehr Teile von Tieren gefressen als gedacht. Es könnten aber noch andere, unbekannte Prozesse beteiligt sein, vermutet Cozar.
Plastik auf dem Meeresboden ist für Tiere weniger gefährlich
Grundsätzlich gilt, dass die Schäden für die Tierwelt umso geringer sein dürften, je mehr Müll auf den Boden absinkt. Welche Langzeitwirkung dadurch wiederum entsteht, ist allerdings kaum abzuschätzen. Die spanischen Wissenschaftler fordern deshalb weitere, weltweit koordinierte Untersuchungen. Grund zur Entwarnung geben ihre überraschenden Ergebnisse nicht.
Als mögliche Gegenmaßnahmen nennt das UN-Umweltprogramm Aufklärungs- und Bildungsprogramme und die systematische Reinigung der Küsten. Die beste Wirkung hätte aber, die Nutzung von Plastik auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren. Internationale Vereinbarungen in dieser Richtung gibt es bisher nicht. Das schon 1988 vereinbarte und von 122 Ländern ratifizierte Abkommen gegen den Müllabwurf von Schiffen helfe zwar, aber: Aus dieser Quelle stammt nur ein Fünftel des Plastikmülls in den Meeren.
In der Diskussion sind deshalb auch Maßnahmen, die auf den ersten Blick fantastisch anmuten. Erst vor wenigen Tagen berichtete die Technology Review von einem Projekt an der TU Delft in den Niederlanden, wo eine gigantische Filteranlage geplant wird. Die Maschine mit zwei 50 Kilometer langen Armen, die eine drei Meter tief ins Wasser ragende Plane tragen, soll vollautomatisch Müll aufsammeln. Der Ocean Cleanup Array ist eine Idee des jungen Wissenschaftlers Boyan Slats. Die Kosten für die Maschine sollen aber mehr als 300 Millionen Euro betragen. Eine Menge Geld für etwas, das nach den Erkenntnissen der Forscher aus Cádiz ja nicht viel nutzen würde, wenn tatsächlich der meiste Plastikmüll doch auf den Meeresboden sinkt.
Riesiger Staubsauger soll Müll aufsammeln
80 Prozent des Plastikmülls in den Meeren kommen laut UNEP von Land. Deshalb wäre der Ansatz des Staubsaugerherstellers Dyson womöglich vielversprechender: Ein riesiger Sauger soll den Müll in Buchten und Flussmündungen aufsammeln, bevor er ins Meer getragen wird. Bislang gibt es die Anlage nur in der Theorie, erste Tests sind geplant. Erfinder und Unternehmenschef James Dyson hat für seine Idee jedenfalls das nötige Geld, denn er ist mit seinen beutellosen Staubsaugern zum Milliardär geworden.
Eher eine Studie wird dagegen das schwimmende Hochhaus bleiben, das der südkoreanische Designer Sung Jin Cho entwickelt hat. Es soll den Müll von der Oberfläche einsaugen, gefiltertes Wasser abgeben und dabei noch Strom erzeugen.
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