Ökobarometer 2013 20.08.2013, 11:21 Uhr

Bio ist bei jungen Menschen voll angesagt

Knapp ein Viertel der Menschen unter 30 Jahren in Deutschland kaufen häufig Bio-Lebensmittel ein. Hingegen wendet sich die bisherige Stütze der Bio-Branche, die Menschen um die 50 Jahre, offenbar ab von Bio und gibt den konventionell erzeugten Lebensmitteln wieder den Vorzug. Zu den Gewinnern des Trends gehören vor allem regional erzeugte Produkte.

Immer mehr junge Menschen greifen zu Bio-Produkten. Diesen Trend zeigt eine vom Bundesverbraucherministerium veöffentlichte Studie zum Einkaufsverhalten bei Bio-Lebensmitteln auf. 

Immer mehr junge Menschen greifen zu Bio-Produkten. Diesen Trend zeigt eine vom Bundesverbraucherministerium veöffentlichte Studie zum Einkaufsverhalten bei Bio-Lebensmitteln auf. 

Foto: dpa/Inga Kjer

Im Mai fragte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid Bielefeld im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums nach, wie die Menschen hierzulande es so mit den Bio-Produkten halten. 491 Männer und 511 Frauen ab 14 Jahren gaben Auskunft und bieten einen erstaunlichen repräsentativen statistischen Einblick in einen Trend: Bio boomt. Und zwar bei den jungen Menschen unter 30 Jahren. Die älteren hingegen meiden offenbar zunehmend Produkte mit den verschiedenen Bio-Siegeln.

Junge Menschen sind die neue Stütze für den Bio-Markt

23 Prozent, das ist fast ein Viertel aller Befragten unter 30 Jahren erklärten, häufig zu Lebensmittel aus ökologischem Anbau zu greifen. Das ist gegenüber der gleichen statistischen Befragung aus dem Vorjahr ein Plus von neun Prozent. Da positionierten sich nur 14 Prozent als Bio-Fans. Fast wie ein Spiegelbild ist der Rückgang der Bio-Treuen bei den befragten Menschen, die zwischen 50 und 59 Jahre alt sind. Es sind jetzt nur noch 19 Prozent, die häufig zu Bio-Lebensmittel greifen, vor einem Jahr waren es in dieser Altersgruppe mit 26 Prozent noch satte sieben Prozent mehr.

Gemittelt über alle Altersgruppen zeigt sich eine Stagnation: 22 Prozent der Befragten gaben an, häufig oder ausschließlich Biolebensmittel zu kaufen. Ein mageres Plus von einem kleinen Prozentpünktchen. Und dann gibt es da auch noch die Verweigerer: 26 Prozent erklärten, mit Bio-Lebensmitteln nie etwas am Hut zu haben. Das sind drei Prozent mehr als 2012. 19 Prozent der Befragten kündigten an, auch in Zukunft nie Biolebensmittel kaufen zu wollen. Das sind vier Prozentpunkte mehr in dieser Gruppe, die auch in Zukunft der konventionellen Lebensmittelerzeugung treu bleiben möchte.

So zeigt die Studie des Bundesministeriums ein durchaus gespaltenes Bild. Der Bio-Boom kommt vor allem dem konventionellen Supermarkt zugute. Dort kaufen 82 Prozent der Befragten ihre Bio-Lebensmittel, 64 Prozent holen sich das ökologisch erzeugte Essen beim Discounter. Aber es zeigt sich auch: Der Trend geht hin zum Direktkauf beim Biobauern. 54 Prozent der Befragten gaben ihn als Einkaufsort an.

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Produkte aus der Region sind der Gewinner

Und das ist neu. In der Studie aus dem vergangen Jahr spielte die regionale Herkunft der gekauften Bio-Produkte noch keine große Rolle. 87 Prozent der Befragten nennen jetzt als wichtigsten Grund für den Kauf von Bio-Lebensmitteln die regionale Herkunft und die Unterstützung regionaler Betriebe. Bei Frauen ist diese Entwicklung tendenziell ausgeprägter. Und: Städter setzen mehr auf Regionalität als Landbewohner. Ein klarer Trend zeichnet sich ab: Je älter und reicher ein Haushalt, desto größer ist die Wertschätzung für Lebensmittel aus regionaler Erzeugung.

„Der Trend zum Regionalen ist ungebrochen – auch im Biobereich. Bioprodukte made in Germany sind bei den Verbrauchern sehr beliebt. Die Menschen wollen hochwertige und nachhaltige Produkte aus ihrer Heimat, und diesen Trend fördern wir als Bundesregierung ganz gezielt“, sagte Bundesministerin Ilse Aigner bei der Vorstellung der Studie in München.

Eier nicht mehr oben auf der Hitliste

Die Hitliste der am häufigsten gekauften Bio-Lebensmittel hat sich verschoben. Im letzten Jahr standen Eier ganz weit oben, jetzt ist es Obst und Gemüse, was die Einkaufsliste anführt. Erst dann kommen Eier, Kartoffeln, Milchprodukte oder Brotwaren.

Dabei sind drei von vier Befragen bereit, für regional erzeugte Bio-Lebensmittel mehr zu bezahlen. Das gilt auch für jüngere Konsumenten, für größere Haushalte und sogar für Geringverdiener.  „Bio liegt voll im Trend. Die Menschen schätzen die Qualität und den Geschmack der Produkte, aber auch die besonders nachhaltigen Erzeugungs- und Verarbeitungsprozesse und die Verlässlichkeit des Kontrollsystems“, so Aigner.

Skandale auch im Bio-Bereich zeigen Folgen

Doch auch die Bio-Branche wurde in der Vergangenheit von Skandalen erschüttert: So gelangte zum Beispiel verschimmeltes und damit giftiges Futter aus Serbien in die Futterträge von Kühen aus Niedersachsen. Und im Februar 2013 wurden in Deutschland Millionen Hühnereier deklariert als Bio- und Freilandeier verkauft, die allesamt aus Legebatterien stammten. Ein weiterer Fall: der Dioxin-Fund in Eiern vor einem Jahr. Klar ist: Die Kontrollen versagen auch im Bio-Bereich allzu oft kläglich und schädigen dann das Image einer eigentlich gut und nachhaltig produzierenden Bio-Landwirtschaft. „Ich denke, dass man vielleicht eine größere Zahl von Kontrollen hat im Bereich der ökologischen Produktion, dass aber Vorfälle auch bei Bio-Produkten nicht verhindert werden können“, sagte Professor Michael Kühne von der niedersächsischen Kontrollbehörde Laves.

So sind es laut Umfrage derzeit 60 Prozent der Befragten, die nicht daran glauben, dass Bioprodukte im Vergleich zu konventionellen Lebensmittel weniger von Lebensmittelskandalen betroffen sind. Noch den größten Vertrauensvorschuss geben die eher betagten Menschen den Bio-Produkten. Die über 60-Jährigen haben größeres Vertrauen in die Biolebensmittel als Befragte mittleren Alters.

Ein Markt mit sieben Milliarden Euro

Gut sieben Milliarden Euro haben die Bundesbürger im vergangenen Jahr für Biolebensmittel ausgegeben. Und nun haben die jungen Menschen die alten Menschen als Biokäufer offenbar abgelöst. Das ist ein klares Signal gegen die bisherige Rollenverteilung, die den älteren Konsumenten als Stütze der Bio-Bewegung sieht. „Das widerspricht den bisherigen Untersuchungen“, gibt sich deshalb auch Felix Prinz zu Löwenstein, der Vorstandsvorsitzende beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zunächst überrascht, weiß dann aber auch eine Erklärung für den neuen Trend: „Die jungen Verbraucher rücken üblicherweise nach, wenn sie Eltern werden.“

Ilse Aigner will das Potential der Regionen stärken

Die Bundesregierung will diesen Bio-Boom unterstützen. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat ein so genanntes „Regionalfenster“ vorgestellt, welches regionalen Lebensmittelerzeugern künftig ein Instrument an die Hand gibt, um die regionale Herkunft ihrer Produkte klar und verlässlich zu deklarieren und sich so von anderen Bewerbern abzuheben. „In den regionalen Märkten steckt ein großes Potential, das gerade auch die heimischen Biolandwirte für sich nutzen sollten“, so Aigner. „Es muss das Ziel sein, möglichst viele Bioprodukte regional zu erzeugen und damit auch weite Transportwege zu vermeiden.“

Derzeit gibt es in Deutschland knapp über 23 000 Bio-Bauern. Und deren ökologisch erzeugten Lebensmittel können angesichts der permanenten Neu-Eröffnungen von Bio-Supermärkten, dem Bio-Angebot im Supermarkt und im Discounter schon lange nicht mehr deren gewaltigen Bedarf an Bio-Lebensmittel decken. So stammt heute bereits jeder zweite in Deutschland verkaufte Bio-Apfel und jede zweite Bio-Möhre aus dem Ausland.

In Polen wächst der Ökolandbau enorm und exportiert nach Deutschland

So ist allein in Polen die Fläche der Äcker, die ökologisch bewirtschaftet werden, von 2004 bis 2010 um 531 Prozent gestiegen. In Deutschland dagegen nur um 29 Prozent. Die Bevölkerung in Polen hat jedoch nichts von der so dramatisch gestiegenen Nachfrage nach Bio-Lebensmittel aus Deutschland. „In Polen, wo die Fläche für Ökolandbau förmlich explodiert ist, lag der Pro-Kopf-Umsatz für Bio-Produkte 2011 bei lediglich drei Euro. In Deutschland waren es 81 Euro“, sagt der Berliner Handelsexperte Peer Schader.

Diesen Trend hin zum europäischen Ausland will die Bundesregierung wieder korrigieren. Deshalb setzt sie auf eine Erhöhung der Fördersätze für den Ökolandbau im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.“ „Der Bund unterstützt die Biobranche auf ihrem Wachstumskurs. Doch die Entscheidung, ob und wie stark der Ökolandbau gefördert wird, liegt allein bei den Ländern. Der Bund hat seine Möglichkeiten genutzt und nun baue ich fest darauf, dass die Bundesländer den erhöhten Spielraum bei der Förderung des Ökolandbaus auch nutzen und eine kontinuierliche und attraktive Förderung der Ökobetriebe garantieren“, sagte Aigner. Insgesamt flossen in den Ökolandbau und die biologische Verarbeitungskette im Jahr 2011 rund 165 Millionen Euro aus EU-, Bundes- und Landesmitteln.

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

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