Böse Überraschung: Biologisch abbaubarer Kunststoff schadet dem Klima
Mikroplastik ist ein großes Problem für die Umwelt. Biologisch abbaubarer Kunststoff könnte die Lösung sein – dachten Forschende bisher. Jetzt hat sich herausgestellt, dass er unerwünschte Effekte mit sich zu bringen scheint.
Herkömmlicher Kunststoff bleibt der Umwelt lange erhalten. Er zersetzt sich in winzige Bestandteile, und dieses Mikroplastik verschmutzt nicht nur die Meere und schade der Natur, es gelangt auch über die Nahrungskette in den menschlichen Körper. Welche Schäden es dort anrichtet, ist bislang nicht im Detail bekannt. Klar ist aber, dass der Verbrauch von Plastik dringend eingeschränkt werden muss. Biologisch abbaubare Kunststoffe werden dafür als Lösung gehandelt. Allerdings scheinen sie auch nicht so unproblematisch zu sein, wie bisher angenommen wurde. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bayreuth haben dazu jetzt eine Studie veröffentlicht.
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Biologisch abbaubarer und herkömmlicher Kunststoff im Vergleich
Das Team war interdisziplinär zusammengesetzt: Expertinnen und Experten für Bodenökologie und ökologische Mikrobiologie haben gemeinsam in systematischer Form untersucht, welche Auswirkungen herkömmlicher Kunststoff und biologisch abbaubares Plastik in unterschiedlichen Böden haben. Ein Punkt war dabei die mikrobielle Biomasse: Wie verändert sich die Zusammensetzung und Menge der Bakterien und Pilze?
Für ihre Studie haben die Forschenden zwei Kunststoffe ausgewählt: Bei LDPE (Polyethylen niedriger Dichte) handelt es sich um einen konventionellen Kunststoff. In der chemischen Industrie wird er seit vielen Jahren eingesetzt. Biologisch abbaubar ist er nicht. Als Gegenstück untersuchten sie PBAT (Polybutylenadipat-terephthalat). Dieser Kunststoff ist biologisch abbaubar. Er kommt unter anderem für Lebensmittelverpackungen und Bioabfallbeutel zum Einsatz, außerdem für Mulchfolien. Entsprechend wichtig ist es, die Folgen seiner Verwendung für Böden auszuwerten.
Neue Erkenntnisse: So wird Plastik tatsächlich biologisch abgebaut
Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Partikel in unterschiedlichen Größen (50 bis 200 Mikrometer, 200 bis 500 Mikrometer und 0,63 bis 1,2 Millimeter) den Böden künstlich zugesetzt. Dabei wählten sie zum einen verschiedene Plastikmengen, zum anderen brachten sie die beiden Kunststoffe sowohl in einen sandigen Lehmboden als auch in einen Lehmboden ein. Im Fokus standen dabei die CO2-Konzentrationen. Wie veränderten sich diese über einen Zeitraum von vier Wochen?
Kein Effekt auf Klimagase durch herkömmlichen Kunststoff
Die Ergebnisse sind in Bezug auf klimaschädliche Gase in der Atmosphäre äußerst interessant. Der herkömmliche Kunststoff hatte diesbezüglich nämlich keine negativen Folgen. Die CO2-Emissionen des Bodens veränderten sich nicht. Das galt für beide Bodensorten, unabhängig von der Plastikkonzentration.
Anders sah es beim biologisch abbaubaren Kunststoff aus: „Je kleiner die biologisch abbaubaren Mikroplastik-Partikel sind und je höher ihre Konzentration im Boden ist, desto mehr CO₂ entweicht aus dem Boden in die Erdatmosphäre. Wir konnten – abhängig von der Größe der Partikel, ihrer Konzentration im Boden und der Bodenbeschaffenheit – Anstiege der CO₂-Emissionen um 13 bis 57 Prozent beobachten. Dabei setzten sandige Lehmböden mehr CO₂ frei als reine Lehmböden“, sagt Adina Rauscher, Erstautorin der Forschungsarbeit.
Zersetzungsprozesse des biologisch abbaubaren Kunststoffes erhöhen Emissionen
Dabei haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Zusammenhang ausgemacht: Es besteht eine Korrelation zwischen dem Anstieg der CO₂-Emissionen und der mikrobiellen Biomasse. Wenn nämlich kleine, biologisch abbaubare PBAT-Partikel in hoher Konzentration in den Boden gelangen, lösen sie eine Prozesskette aus, die mit dem Abbau des Plastiks zusammenhängt. Dadurch wächst die Menge der Bakterien und Pilze. Auch die biologische Zusammensetzung der Biomasse kann sich dabei verändern.
„Das Anwachsen der Biomasse wird wesentlich dadurch verursacht, dass Mikroorganismen im Boden die Mikroplastik-Partikel allmählich zersetzen und sich von dabei entstehenden Zerfallsprodukten ernähren. Die CO₂-Emissionen stehen mit diesen Prozessen in einem engen Zusammenhang“, sagt Nele Meyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bodenökologie der Universität Bayreuth. Ein Beleg dafür seien die Unterschiede zwischen reinen Lehmböden und sandigen Lehmböden. „In sandigen Lehmböden sind die Mikroplastik-Partikel für Mikroorganismen viel leichter zugänglich und werden daher schneller abgebaut. Umso mehr CO₂ wird dabei freigesetzt.“
Das Problem ist also identifiziert, von einer Lösung ist die Forschung hingegen noch weit entfernt. Denn herkömmliche Kunststoffe können aufgrund der Mikroplastik-Problematik ebenfalls keine Lösung sein. Aktuell bleibt also nur die Erkenntnis, dass es gut wäre, insgesamt weniger Kunststoff zu verwenden.
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