China steuert auf weitere Umweltkatastrophe zu
Im Reich der Mitte gibt es zwei große Mauern. Die berühmte Chinesische Mauer, die die einstige Landesgrenze befestigte und die 13.000 Kilometer lange Mauer, die die ostchinesische Küste gegen Stürme vom Meer schützen soll. Was inzwischen an ihr entlang geschieht, wird immer mehr zu einem schlimmen Umweltproblem für das Land.
Angesichts der sich in China häufenden schweren Umweltprobleme laufen inzwischen sogar die chinesischen Medien Sturm gegen die völlig übersteigerte Landgewinnung vor der Seemauer. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua spricht von einer “direkten Gefahr für das ökologische Gleichgewicht” des Landes. Die Beijing Times kommentiert die Landgewinnung als “total verrückt”.
Um in der westlichen Welt auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen, haben chinesische Forscher im Wissenschaftsmagazin Science vorgerechnet, dass ungeachtet gesetzlicher Beschränkungen zumindest bis zum Jahre 2020 Jahr für Jahr weitere 600 Quadratkilometer Meeresfläche vor der Seemauer neu mit Betonwällen dem Meer abgetrotzt werden. 80 Prozent der Korallenriffe sind bereits zerstört. Das Gleiche gilt für die Mangroven-Sümpfe.
Schon 60 Prozent der Küsten einbetoniert
Innerhalb von nur 50 Jahren sind 60 Prozent der chinesischen Küsten zum Zweck der Landgewinnung einbetoniert worden. Dazu hat entscheidend beigetragen, dass die chinesische Industrie überwiegend entlang der Küsten angesiedelt ist und dort immer weiteres Land braucht. Für Straßen-, Bahn- und Flughafen-Neubauten wird ebenfalls erheblich Land benötigt, dass die Kommunen und Gebietskörperschaften ohne Rücksicht auf ökologische Schäden aus dem Meer durch Betonierung gewinnen.
Aus der Sicht der Kommunen hat die übersteigerte Landgewinnung aber den Vorteil, dass industriell völlig verschmutzte Gewässer vor der Küste zubetoniert werden. Derzeit gelten nach chinesischen Angaben 29.000 Quadratkilometer Küstengewässer als “gefährlich” kontaminiert.
Extreme Ausfälle für die Fischerei
Entlang der chinesischen Küsten ist das Meer überwiegend sehr flach und damit ein Dorado für Meerestiere. Im Jahr 2010, dem letzten, für das bisher konkrete Zahlen vorliegen, hat die chinesische Fischerei hier noch 28 Millionen Tonnen Fisch und sonstiges Seafood gewonnen. Außerdem waren hier bislang in größerem Umfang Fischfarmen angelegt, deren Jungtiere dann ins offene Meer entlassen wurden. Nun wird zubetoniert, soweit das Meer sehr flach ist.
Seitens der Umweltforscher wird darin auch ein erhebliches Risiko im Blick auf überdurchschnittliche schwere Stürme gesehen, da sich die Wellen nicht mehr im flachen Wasser abschwächen können, sondern mit voller Wucht auf das Ufer treffen.
Nach Angaben der chinesischen Wissenschaftler in der Zeitschrift Science sind von den besonders flachen Meereszonen entlang der chinesischen Küsten inzwischen schon 60 Prozent im Zuge der Landgewinnung zubetoniert worden. Zum ökologischen Schaden addiert sich für viele Chinesen – vor allem jener in der Fischereiwirtschaft – auch ein hoher wirtschaftlicher Schaden durch die massiven Trockenlegungen.
Abwehrmaßnahmen werden unterlaufen
Die chinesische Regierung sieht die Gefahren der extremen Landgewinnung durchaus. Daher hat sie verfügt, dass alle Projekte, die über eine Trockenlegung von mehr als 50 Hektar hinausgehen, nur angegangen werden dürfen, wenn die Zentralregierung sie ausdrücklich genehmigt hat.
Im chinesischen Alltag hilft das aber bislang wenig. Die Gemeinden umgehen die Regelung, indem sie beispielsweise alle größeren Landgewinnungsprojekte in Abschnitte aufteilen, die jeweils gerade unter der kritischen Marke von 50 Hektar bleiben. Zugleich helfen sich die Gebietskörperschaften, indem sie die Grenzen der Kommunen so verändern, dass auch von dieser Seite her je Projekt weniger als 50 Hektar Land gewonnen werden, während es in Wirklichkeit sehr viel mehr ist. Und bei Großprojekten wie den derzeit diskutierten geplanten neuen Großflughäfen in Haikou und Dalian ist es die Zentralregierung selber, die letztlich ihre eigenen Bestimmungen durchstößt.
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