Das Wetter wird immer extremer: Ändert sich der Jetstream?
Waldbrände in Griechenland, Überschwemmungen in Marokko, Sturmflut an der Ostsee, hat das alles mit einem veränderten Jetstream zu tun? Forschende aus Mainz untersuchten, ob die derzeitigen Wetterextreme tatsächlich in einem Zusammenhang damit stehen. Die Ergebnisse sind doch einigermaßen überraschend.
Intensive Regenfälle, Sturmserien und extreme Hitzeperioden – häufig hört man in diesem Kontext von Veränderungen in den Starkwindfeldern, bekannt als der Jetstream. Doch inwieweit unterliegt dieser Jetstream tatsächlich einem Wandel? Und falls ja, wie manifestiert sich dies und in welchem Umfang? Dr. Georgios Fragkoulidis vom Institut für Physik der Atmosphäre der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat sich dieser Fragestellung angenommen und Jetstream-Daten der letzten vier Jahrzehnte analysiert. Was hat sich seitdem verändert? Wie präsentiert sich die aktuelle Situation des Jetstreams? Derzeit arbeitet das Team um Fragkouldis daran, die Änderungen des Jetstreams für die Zukunft vorherzusagen.
Was ist der Jetstream überhaupt?
Wind spielt eine zentrale Rolle im Klimasystem unseres Planeten, indem er Druckunterschiede in der Erdatmosphäre ausgleicht. Besonders auffällig wird dies beim Vergleich der warmen Äquatorregionen mit den kühlen Polargebieten. Um diese Temperaturdifferenzen zu verringern, entstehen starke Winde, die allerdings nicht in Bodennähe, sondern am oberen Ende der Troposphäre, der untersten Atmosphärenschicht, wehen.
Diese Ausgleichswinde, die später als Jetstreams bekannt wurden, befinden sich zwischen den warmen und kalten Klimazonen. Johannes Georgi, ein Pionier der Meteorologie, entdeckte dieses Phänomen im Jahr 1926. Durch das Aufsteigenlassen von Wetterballons an der Nordspitze Islands konnte er starke Luftströmungen in einer Höhe von zehn bis fünfzehn Kilometern beobachten.
Jetstream wird durch die Rotation der Erde abgelenkt
Der Jetstream folgt jedoch nicht einem geradlinigen Pfad vom Äquator zum Pol; vielmehr wird er auf seinem Weg nach Norden durch die Rotation der Erde abgelenkt. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 500 Stundenkilometern umströmt dieses Starkwindband die Erde zwischen dem 40. und 60. Breitengrad.
Flugzeuge machen sich den Jetstream zunutze, indem sie mit ihm als Rückenwind fliegen, was besonders auf Flügen von den USA nach Deutschland deutlich wird. Die Piloten steuern ihre Maschinen zunächst weit nach Norden, etwa in Richtung Grönland, bevor sie sich Richtung Europa wenden, um von der Energie des Jetstreams profitieren zu können. Dies kann die Reisezeit auf der Strecke von New York nach Frankfurt um etwa eine Stunde verkürzen.
Wie groß ist der Einfluss des Klimawandels?
Obwohl der Jetstream in großen Höhen weht, wird er dennoch von der Erdoberfläche beeinflusst. Gebirgsketten wie die Rocky Mountains können als Hindernisse fungieren und den Jetstream in seiner Bahn ablenken. Nicht zuletzt soll auch der Klimawandel einen Einfluss auf den Jetstream haben. Womit wir wieder bei den Forschungen von Fragkoulidis und seinem Team sind.
„Viele Theorien stellen Vermutungen dazu an, was für den Jetstream zukünftig zu erwarten ist – allerdings basieren sie alle auf sehr idealisierten Annahmen“, sagt Fragkoulidis. „Denn während sich bei der Klimaerwärmung der CO₂-Eintrag direkt auf die Erwärmung auswirkt, liegen bei der atmosphärischen Zirkulation chaotische Prozesse vor.“ Es ist daher nicht ganz einfach, den Einfluss des Klimawandels auf den Jetstream zu klassifizieren.
Daten der vergangenen 40 Jahre analysiert
Um die Veränderungen des Jetstreams genauer zu untersuchen und besser zu verstehen, hat Dr. Georgios Fragkoulidis eine umfassende Analyse von Jetstream-Daten der letzten 40 Jahre durchgeführt. Er konzentrierte sich dabei insbesondere auf die Unterschiede im Windverhalten in einer Höhe von zehn Kilometern über der Erdoberfläche Deutschlands zwischen den 1980er Jahren und der heutigen Zeit, sowie auf die generelle Entwicklung des Jetstreams.
„Gefährlich wird die Situation, wenn der Jetstream sehr wellig ist: Dann kann kalte Luft von Norden oder heiße Luft aus Süden nach Deutschland strömen – die Wahrscheinlichkeit für Hitze- oder Kältewellen steigt“, weiß Fragkoulidis. Normalerweise bläst er geradlinig von Westen von Osten. Ursache für einen welligen Jetstream könnte die globale Erwärmung sein.
Zwei Trends beim Jetstream zu beobachten
Dr. Georgios Fragkoulidis widmet sich seit einigen Jahren dem Jetstream, eingebettet in die Arbeitsgruppe Dynamische Meteorologie unter der Leitung von Prof. Dr. Volkmar Wirth am Institut für Physik der Atmosphäre. Im Verlauf seiner Studien kristallisierten sich zwei zentrale Trends im Verhalten des Jetstreams heraus:
- Zum einen identifizierte das Team einen graduellen Trend in der Amplitude der Wellen. „Viele Gebiete der nördlichen Hemisphäre verzeichnen im Winter einen positiven Trend, im Sommer dagegen einen negativen. Anders gesagt: Im Winter wird der Jetstream welliger, im Sommer weniger wellig“, sagt Fragkoulidis. Diese Beobachtung steht im Widerspruch zu den gängigen Theorien und ist bislang noch nicht abschließend erklärt. Normalerweise wird davon ausgegangen, dass es keine jahreszeitlichen Veränderungen des Jetstreams gibt.
- Der zweite Trend, den die Forschungsgruppe herausstellte, betrifft regionale Unterschiede in den Veränderungen des Jetstreams. Es konnte feststellen, dass die Effekte in Nordamerika anders ausfallen als in China oder Europa. „Eine einfache Antwort nach dem Motto `Der Jetstream wird welliger oder flacher` können wir daher nicht geben, die Sache ist deutlich komplexer“, fasst Fragkoulidis zusammen.
Phasengeschwindigkeit hat sich kaum geändert
Das Forschungsteam hat sich nicht nur mit der Welligkeit des Jetstreams auseinandergesetzt, sondern auch dessen Phasengeschwindigkeit intensiv analysiert. Dabei stand die Frage im Raum, wie zügig sich die Wellenmuster von Westen nach Osten bewegen. Kritisch wird es, wenn diese Bewegung ins Stocken gerät – die daraus resultierenden, persistierenden Wetterlagen können extremen Starkregen, lang anhaltende Hitzeperioden oder Dürre zur Folge haben.
„Auch wenn es gefühlt anders aussehen mag: In der nördlichen Hemisphäre, insbesondere in Europa, hat sich die Phasengeschwindigkeit der Wellen in den letzten 40 Jahren nicht signifikant geändert“, erläutert Fragkoulidis. Diese Erkenntnis steht im Widerspruch zu zahlreichen Theorien, die eine Verlangsamung der Wellenbewegung prognostizierten.
Ein anderes Bild zeigt sich in der südlichen Hemisphäre: Hier deuten die Studienergebnisse auf signifikante Veränderungen hin. Die Wellen bewegen sich schneller und haben im Laufe der letzten vier Jahrzehnte an Geschwindigkeit zugelegt. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Weather and Climate Dynamics der European Geosciences Union veröffentlicht.
Wie entwickelt sich der Jetstream in der Zukunft?
Aktuell arbeitet Fragkoulidis daran, die Änderungen des Jetstreams für die Zukunft vorherzusagen. Hierfür greift er auf prognostische Daten aus Klimamodellen zurück, die vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) in den USA erstellt wurden. Diese Modelle skizzieren ein mögliches Zukunftsszenario, basierend auf der Annahme, dass die CO₂-Emissionen weiterhin auf einem hohen Niveau verbleiben und die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 rund vier Grad erreichen wird.
Die Frage, wie sich der Jetstream in einem solchen Szenario verändern könnte, stellt eine komplexe Herausforderung dar. Die Erwärmung der Erde verläuft nämlich nicht gleichmäßig über den gesamten Globus verteilt. So erwärmen sich die Ozeane zum Beispiel langsamer als die Landmassen, was wiederum Auswirkungen auf die atmosphärischen Zirkulationsmuster hat. Zusätzlich variiert das Ausmaß der Erwärmung in unterschiedlichen Höhenlagen der Troposphäre.
Trotz dieser vielschichtigen Unsicherheiten konnte Fragkoulidis in seinen Untersuchungen Indizien finden, die darauf hindeuten, dass die zukünftigen Sommertrends jenen der Vergangenheit ähneln könnten. Es wird erwartet, dass der Jetstream der nördlichen Hemisphäre gegen Ende des Jahrhunderts tendenziell weniger wellig sein wird. Bei den Prognosen für die Veränderungen des Winter-Jetstreams hingegen müssen größere Unsicherheiten in Kauf genommen werden.
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