Der Klimawandel erzeugt Hungersnöte, Naturkatastrophen und Bürgerkriege
Der Klimawandel findet statt, und zwar auf allen Kontinenten und in allen Weltmeeren: Das ist die Kernaussage des heute vorgelegten Berichts des UN-Weltklimarates IPCC. Die Forscher erwarten, dass immer mehr Menschen direkt von Naturkatastrophen betroffen sind, dass der Hunger in der Welt zunimmt und es zu Kriegen um Wasser und Nahrung kommt.
„Niemand wird von den Konsequenzen unberührt bleiben“, erklärte der Vorsitzende des UN-Weltklimarates Rajendra Pachauri bei der Vorstellung des zweiten Teils des 5. Reports des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im japanischen Yokohama. Der Report des IPCC trägt den Titel „Klimawandel 2014: Auswirkung, Anpassung und Verletzlichkeit“. An diesem mehr als 2000 Seiten starken Mammutwerk haben 309 Wissenschaftler fünf Jahre lang gearbeitet, haben Studien gesichtet, tausende kritische Kommentare von Gutachtern geprüft und nun die Zusammenfassung für die politischen Entscheidungsträger präsentiert. Aufgabe der Wissenschaftler war es, „eine klare, konsistente Sprache zu finden, die Politiker verstehen“, erläuterte Christopher Field, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe 2 auf der Pressekonferenz. „Es geht darum, das Risiko von Missverständnissen zu reduzieren.“ Wesentliche Aussagen waren schon zuvor bekannt geworden.
Der Klimawandel findet längst statt
Der Bericht stellt eindeutig fest: Der Klimawandel ist kein Ereignis der Zukunft mehr. Der Klimawandel findet längst statt, und zwar auf allen Kontinenten und in allen Weltmeeren. Und er hat längst Folgen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Seine Wirkung auf Ökosysteme, Tiere und Menschen können die Wissenschaftler nun sehr viel genauer bestimmen als noch beim vorherigen Sachstandsbericht aus dem Jahre 2007. „Wir haben jetzt viel mehr Wissen“, sagte Pachauri in Yokohama. „Wir haben mehr Details.“
Die Folge von erhöhter Temperatur, Verschiebungen von Klimazonen und der Zunahme von Naturkatastrophen sind vermehrte Hungersnöten und knapper werdende Wasservorräte. Sie werden dafür sorgen, dass Menschen verstärkt Krieg führen um Wasser und Nahrung.
Immer mehr Menschen auf der Welt seien direkt von verstärkt auftretenden Stürmen, steigendem Meeresspiegel und Überflutungen bedroht, so die Forscher des IPCC. Hitzewellen und Luftverschmutzung werden zunehmen.
IPCC hält am 2-Grad-Ziel fest
Der IPCC drängt darauf, Maßnahmen zu ergreifen, damit die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts nicht über zwei Grad Celsius ansteigt. Denn durch das Ausmaß des derzeitigen Klimawandels sind bereits einzigartige Ökosysteme wie Korallenriffe oder weite Bereiche der Arktis einschließlich der dort lebenden Bevölkerung gefährdet. Wenn die Menschheit durch ambitionierte und rasche Klimaschutzmaßnahmen sicherstellt, dass die 2-Grad-Obergrenze der globalen Erwärmung gegenüber vorindustriellen Bedingungen eingehalten wird, können viele Risiken des Klimawandels durch ausreichende Anpassung noch einigermaßen beherrscht werden. Klar ist: Je stärker diese 2-Grad-Obergrenze überschritten wird, desto gravierender werden die Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft sein.
Risiko für Preissteigerungen steigt
Erste negative Folgen hat der Klimawandel bei der Nahrungsmittelerzeugung. Kürzlich beobachtbare starke Preissteigerungen für Nahrungsmittel und Getreide zeigen, dass die Märkte in Produktionszentren schon gegenüber den derzeitigen Witterungsextremen empfindlich sind. Die Risiken für die Nahrungsmittelproduktion und -sicherheit sind beispielsweise in Afrika sowie Mittel- und Südamerika sehr hoch. Ohne Anpassungsmaßnahmen sei in vielen Regionen ein Rückgang der Erträge von Weizen, Reis, Soja und Mais um bis zu ein Fünftel im Laufe des Jahrhunderts zu erwarten, so die Autoren des Reports. Klar ist auch: Es trifft vor allem die ganz Armen.
„Unser Report handelt auch davon, wie wir eine bessere Welt schaffen können“, sagte der Koordinator des UN-Reports, Chris Field von der Carnegie Institution for Science in den USA. Letztlich geht es um die Anpassung an einen nicht mehr umkehrbaren Prozess. „Gesellschaften haben sich immer an Klimaschwankungen anpassen müssen im Laufe der Geschichte, mit unterschiedlichem Erfolg“, konstatiert der Klimareport nüchtern.
In Europa betreiben die Regierungen vor allem Küstenschutz und bringen das Wassermanagement voran, um das Hinterland vor Überschwemmungen zu schützen. Nicht mehr nur die Städte am Rhein leiden in Deutschland unter Hochwasser, immer schlimmer werden die Hochwasser auch an Elbe und Donau. Afrika kümmert sich vor allem um die Anpassung an Wetterkatastrophen. In Asien baut man Frühwarnsysteme, um sich gegen Flutkatastrophen und Tsunamis zu schützen. Zudem geht es dort zunehmend um die Vereinigung von Forstwirtschaft und Landwirtschaft – Bäume schützen den Boden vor Erosion.
Inselstaaten verstärken ihre Deiche. Nordamerika betreibt Klimaschutz vorwiegend auf kommunaler Ebene, etwa mit Investitionen in alternative Energien. In Zentral- und Südamerika steht der Landschaftsschutz im Mittelpunkt. Der IPCC beziffert die jährlichen Anpassungskosten an die globale Erwärmung auf bis zu 100 Milliarden Dollar im Jahr.
In Städten wird Hitzestress zum Problem
Anpassung sollte laut IPCC-Klimareport zunehmend so erfolgen, dass sich dadurch unabhängig vom Ausmaß des Klimawandels auch die Umwelt- und Lebensqualität erhöhen. So werden in Großstädten Hitzestress und Extremregen immer mehr zum Problem, erklärt der IPCC. Notwendig sind hier Umbaumaßnahmen, um sich zu schützen vor den in manchen Regionen erwarteten hohen Temperaturen und periodischen Sturzfluten. Künftig wird für Klimaanlagen in den Städten mehr Energie notwendig sein, für Heizungen hingegen weniger.
Viele Tierarten sind mit der Geschwindigkeit des Klimawandels überfordert. Bei der Suche nach kühleren Lebensräumen müssen die Tiere teils Hunderte von Kilometern zurücklegen. Bei allen Problemen wollen die IPCC-Wissenschaftler aber mit ihrem Bericht keinen Pessimismus verbreiten. Im Gegenteil, sie sehen viele gute Gründe für Optimismus. Denn inzwischen seien schon viele Schritte unternommen worden in Sachen Emissionsreduktion, Anpassung und Nachhaltigkeit – sei es durch das Pflanzen von Mangroven, sei es durch Flutschutz.
„Man kann etwas gegen den Klimawandel tun“
Mittlerweile gebe es einen „großen Pool an Optionen und Erfahrungen“, so Christopher Field. Es sei klar geworden: „Man kann etwas tun.“ Und zwar nicht nur als direkte Reaktion auf Katastrophen, sondern zum Aufbau von mehr Widerstandsfähigkeit. „Investitionen in Anpassungsmaßnahmen werden nicht mehr nur als tote Investition angesehen“, sagte Field, „sondern als etwas, das Nutzen bringt.“
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