Diese Bank aus Plastikmüll soll Menschen zusammenbringen
Plastikmüll wiederzuverwerten ist ein naheliegender Gedanke. Niederländische Designer haben sie in die Tat umgesetzt und eine Bank entworfen, die zum Nachdenken anregt und gerade Stadtmenschen ein Gespräch aufzwingt.
Ein Leben ohne Kunststoffe? Für die meisten Menschen ist das mittlerweile unvorstellbar. Plaste oder Plastik, wie die synthetisch hergestellten Materialien umgangssprachlich bezeichnet werden, sind in allen Bereichen unseres Alltags anzutreffen. Doch einen Nachteil haben diese Materialien: Das Recycling von Plastik ist komplizierter als die Wiederverwertung konventioneller Werkstoffe wie Holz, Glas oder Stahl. Viele Designer haben sich deshalb dem Upcycling verschrieben, bei dem Abfallprodukte wieder in etwas Brauchbares verwandelt wird. In den Niederlanden präsentierten junge Forscher und Designer gerade, wie aus Plastikabfällen schicke Sitzbänke werden.
Plastikmüll – viel zu wertvoll, um ihn zu verbrennen
Statistiker haben berechnet, dass bis 2017 weltweit circa 8 Milliarden Tonnen Plastik produziert wurden. Das ergibt mehr als 6 Milliarden Tonnen Abfall. Nur ein sehr geringer Anteil dieses gewaltigen Abfallberges gelangt ein weiteres Mal in den wirtschaftlichen Kreislauf. Der größte Teil der Plastikabfälle (fast 80%) wird auf Mülldeponien abgelagert. Das belastet die Umwelt, weil Plastik äußerst resistent gegen biologische Abbauprozesse ist. Knapp 10% des Plastikmülls wird in modernen Müllkraftwerken verbrannt. In solchen Anlagen wird der Plastikmüll zwar wenigstens in Wärme und Strom umgewandelt, trotzdem ist das wertvolle Material zum Verbrennen eigentlich viel zu schade.
Upcycling: Kreative Köpfe gehen beim Kunststoff-Recycling neue Wege
Viele Kunststoffe werden aus Erdöl hergestellt. Diese Ressourcen ist jedoch begrenzt und muss darum möglichst effizient eingesetzt werden. Das ist einer der Gründe, warum eine Gruppe junger Niederländer ein Projekt gestartet hat, in dessen Rahmen sie Möbel aus Plastikmüll herstellen wollen.
Der Gedanke klingt verlockend. Fachleute haben errechnet, dass jeder Einwohner Amsterdams jährlich 23 Kilogramm Plastikmüll verursacht. Anstatt diese riesigen Mengen zu verbrennen, wollen Mitarbeiter des Forschungs- und Designstudios ‚The New Raw‘ aus Rotterdam zeigen, wie sich aus dem Müll beispielsweise attraktive Sitzbänke herstellen lassen. Sie haben errechnet, dass der Müll, den drei Amsterdamer im Jahr erzeugen, ausreicht, um zwei Bänke daraus herzustellen.
Bänke, die Menschen zusammenbringen sollen
Die Bank, die sie entworfen haben, ist etwa 1,50 Meter lang und hat eine Breite von 80 Zentimeter. Die Schöpfer haben sie XXX-Bank genannt. Die drei Kreuze, die jede Sitzbank zieren, stehen gemeinhin für Kiss, Kiss, Kiss. Ganz so nah müssen sich Fremde auf der Bank allerdings nicht kommen, versichern die Designer.
Ganz unabhängig voneinander können Menschen die Bank aber auch nicht nutzen. Nicht nur, dass sich die XXX-Bank schon auf den ersten Blick deutlich von Sitzbänken unterscheidet, wie sie in vielen Orten der Welt zu finden sind. Auf ihr können nur dann bis zu vier Personen Platz nehmen, wenn sie beim Hinsetzen miteinander kommunizieren. Denn die Bank reagiert auf jede Gewichtsveränderung und beginnt zu schaukeln. So werden die Nutzer angeregt, gemeinsam das Gleichgewicht zu finden oder die anderen Personen mit ihrer eigenen Energie in Bewegung zu versetzen.
Bezahlbarer 3D-Druck verschafft Raum für die Umsetzung kreativer Ideen
Als Rohstoff für die Produktion der XXX-Bänke kommen Pellets zum Einsatz, die aus kommunale Abfällen oder aus Flocken von zermahlenen Plastikabfällen gewonnen wurden. Um aus diesem Material den Prototyp der XXX-Bank herzustellen, haben sich die kreativen Köpfe neuester Technologien bedient. Sie nutzen einen großen 3D-Drucker, um aus dem Recycling-Material Schicht für Schicht die geschwungene Form der XXX-Bank aufzubauen. Das erklärt auch, warum die jungen Forscher und Designer aus den Niederlanden ihr Projekt unter das Motto „Print your City“ gestellt haben.
Ihr vordergründiges Ziel ist es allerdings nicht, den Bewohnern und Gästen Amsterdams schicke Sitzbänke anzubieten. Sie wollen durch das Aufstellen der XXX-Bänke auf ein wichtiges Problem hinweisen: den übermäßigen Gebrauch von Plastik, der nicht nur für schicke Bänke, sondern vor allem für viel Müll sorgt. Jeder einzelne Nutzer soll beim Kontakt mit der XXX-Bank angeregt werden, über sein eigenen Umgang mit Plastik nachzudenken.
Niederländer planen bereits weitere Produkte
‚The New Raw‘ lenkt den Fokus ihrer Arbeit ganz bewusst auf Anwendungen, die in Städten eine Rolle spielen. Sie wollen an einfachen, langlebigen Beispielen möglichst vielen Menschen zeigen, dass sich mit Hilfe neuartiger Technologien im Bereich der Fertigung und der Wiederverwertung völlig neue Perspektiven eröffnen. Bei der Herstellung der XXX-Bänke gibt es beispielsweise überhaupt keine Abfälle. Sollten die Bänke nach längerem Gebrauch nicht mehr verwendet werden können, lassen sich daraus auf gleiche Art und Weise wieder neue Produkte herstellen. Das schont die Ressourcen und trägt deutlich zur Reduzierung von Kohlendioxid-Emissionen bei.
Geht es nach den Mitarbeitern von ‚The New Raw‘, soll es nicht bei dem bereits vorgestellten Prototyp bleiben. Sie planen bereits, die Form der XXX-Bank an spezielle Bedürfnisse anzupassen. Es müsste auch nicht unbedingt der graue Look sein, in dem sich der Prototyp bisher präsentiert – denkbar sind alle Farben und vielfältige Formen. Unternehmen und Kommunen könnten die Sitzbänke nutzen, um Logos oder Botschaften zu präsentieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Einige Anwendungsbereiche sollen bereits in naher Zukunft unter dem Motto ‚Drucken Sie Ihre Stadt‘ erschlossen werden: Spielplätze, Bushaltestellen und Abfalltonnen – sie alle werden schon bald als innovative Produkte aus recyceltem Plastikmüll erscheinen.
Verwertungsideen und Produktentwicklungen rund um Plastikmüll sind uns schon häufig aufgefallen. So berichteten wir im April 2017 über Milchverpackungen, die man mittrinken kann, und einen geleeartigen Ball aus reinem Trinkwasser, der komplett ohne Plastikflasche auskommt. Außerdem konzipierte ein amerikanisches Unternehmen einen 3D-Drucker für Zuhause, der Plastikmüll als Rohstoff verwerten kann. Und der Architekt Vincent Callebaut hat Entwürfe in der Schublade liegen, die schwimmende Inseln aus Plastikmüll und Algen vor Rios Küste vorsehen. Verwirklicht sind diese Entwürfe allerdings nicht.
Und selbst wenn bräuchte es viel mehr solcher Initiativen. Denn Forscher haben bereits 2015 Alarm geschlagen: Der Plastikmüll des Menschen hat bereits die entlegensten Orte der Arktis erreicht.
Ein Beitrag von: