Diese Prognosen haben Forscher für europäische Wälder
Hitze und Dürre setzen dem Wald stark zu. Halten diese Trends an, ist mit kleineren Bäumen sowie weniger Biomasse zu rechnen – und der Klimawandel könnte beschleunigt werden: ein Teufelskreislauf.
Die beiden Hitzesommer 2018 und 2019 haben Mitteleuropas Wäldern massiv zugesetzt. Mehr als 200.000 Hektar, was in etwa der Fläche des Saarlandes entspricht, sind in diesem Zeitraum abgestorben. Auch für 2020 erwarten Meteorologen Rekordwerte. Dem Deutschen Wetterdienst zufolge zählt das gerade verstrichene Frühjahr zu den sechs niederschlagsärmsten seit 1881 und zu dem sonnigsten seit Messbeginn 1951. Welche Folgen diese Entwicklung für Bäume hat, untersuchte jetzt ein internationales Forscherteam.
Die Wissenschaftler berücksichtigten Veränderungen durch steigende Kohlendioxid-Werte, Trockenheit, kürzere Winter, heißere Sommer, Dürre, Waldbrand, Windwurf, Insektenbefall und durch die Forstwirtschaft. Basis war sowohl eine Literaturanalyse als auch eine Prüfung der Daten zur Landnutzungsänderung. Das Ergebnis: Manche Faktoren begünstigen das Wachstum von Bäumen, andere führen zu Veränderungen im Wachstum oder gar zu einem Verlust an Waldfläche.
Steigende Kohlendioxid-Werte in der Atmosphäre
„Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre hat seit der industriellen Revolution dramatisch zugenommen und wird voraussichtlich im nächsten Jahrhundert weiter steigen“, schreiben die Autoren der Studie. Höhere Werte dieses Treibhausgases können das Wachstum von Bäumen, die Samenproduktion und damit auch ihre Vermehrung begünstigen. Eine solche Kohlendioxiddüngung scheint laut Studie jedoch nur in jüngeren Wäldern mit reichlich Nährstoffen und Wasser im Boden zu funktionieren. In den meisten Gebieten fehlen solche Ressourcen, was die Kohlendioxidvorteile für Bäume drastisch reduziert.
Damit relativieren die Forscher frühere Vermutungen: Aufgrund von Satellitendaten und Modellrechnungen gab es zumindest Hinweise auf ein Ergrünen des Planeten, dem „global greening“ – durch kürzere, mildere Winter und mehr Kohlendioxid in der Luft. Auch scheinen Bäume besser zu wachsen als noch vor einigen Jahrzehnten. Langfristig spielen diese Trends keine Rolle.
Steigende Temperaturen, mehr Trockenheit
Auch das Phänomen milder Winter, aber heißer Sommer wurde untersucht. Steigende Temperaturen drosseln die lebenswichtige Photosynthese und führen zu einem geringeren Wachstum beziehungsweise zu einer schlechteren Regeneration nach Windbruch oder Schäden durch Parasiten – und etliche Bäume gehen zugrunde.
Die Autoren erwarten außerdem, dass Häufigkeit, Dauer und Schweregrad von Dürreperioden weltweit zunehmen. Dürre kann direkt zum Tod des Baumes führen oder ihn anfälliger für Insekten beziehungsweise Pilze machen. Das begünstige indirekt ein schnelleres Waldsterben.
Mehr Zerstörung durch Schädlinge
Biotische Schäden durch Insekten, Pilze und durch Kletterpflanzen, die junge Bäume „ersticken“, sind das nächste Problem. Auch hier ist von steigenden Gefahren für Wälder die Rede.
Durch Insektenbefall und nachfolgendes Waldsterben wird biologisch gespeicherter Kohlenstoff freigesetzt. Die Menge entspricht weltweit den Emissionen von fünf Millionen Fahrzeugen. Erwärmt sich die Erde weiter, wachsen nicht nur Insekten, sondern auch Pilze, Bakterien und Kletterpflanzen besser. In den Tropen ersticken bestimmte Reben, die andere Pflanzen als Wirt nutzen, Bäume zu Tode.
Waldbrand und Waldwirtschaft
Bei den destruktiven Faktoren berücksichtigen Forscher auch Waldbrände nicht anthropogenen Ursprungs: ein Phänomen, das laut geologischen und archäologischen Daten in den letzten 10.000 Jahren zugenommen hat. „Künftig können Waldbrände in einigen Regionen häufiger auftreten“, so die Autoren. Dann dauere es Jahre, bis wieder Pflanzen wachsen.
Auch die Holzwirtschaft hat einen enormen Einfluss auf die Zukunft von Wäldern. Hier geht es um Rodungen – ein Phänomen, das gerade in tropischen Ländern zu finden ist, um neue Anbauflächen zu schaffen. In Europa führen geplante Abholzungen und Wiederaufforstungen zu jüngeren Bäumen. Sie binden weniger Kohlendioxid und produzieren geringere Mengen an Biomasse.
Die Prognose: Wälder werden sich verändern
Bleibt als Fazit, dass vergleichsweise schwachen, positiven Trends etliche Ungunst-Faktoren gegenüberstehen. „Unsere Analysen zeigen, dass wir gerade einen Wechsel von überwiegend positiven Effekten des globalen Wandels hin zu einer Periode der wachsenden Limitierungen für Bäume erleben“, sagt Rupert Seidl von der Technischen Universität München. „Das Baumsterben wird weitergehen, wobei große Bäume besonders betroffen sind, da sie beispielsweise dem Wind stärker ausgesetzt sind und es für sie schwerer ist, ihre Blätter kontinuierlich mit Wasser aus dem Boden zu versorgen.“
Halten alle Entwicklungen an, wird es weniger Bäume geben, die im Schnitt auch kleiner sind und weniger Kohlendioxid binden. Nicht nur der Klimawandel könnte dadurch weiter beschleunigt werden. Fehlen Bäume, drohen mehr Hochwasser und Muren.
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