Dieselabgase stören Geruchsinn der Bienen empfindlich
Ihr sehr feiner Geruchssinn hilft den Bienen dabei, sich im Reich der Blüten zu orientieren. Sie merken sich die Duftkombinationen der verschiedenen Blüten und wissen so um sprudelnde Nektar- und Pollenquellen. Stickoxide aus Dieselabgas stören diesen empfindlichen Sinn ganz erheblich.
Bisher galten die Varroa-Milbe, landwirtschaftliche Monokulturen und ein gefährliches Pestizid mit einem Wirkstoff aus der Gruppe der Neonikotinoide als die größten Feinde der Honigbiene, denen Jahr um Jahr massenhaft Völker der fleißigen Insekten zum Opfer fallen. Im letzten Winter betrug der Verlust 15,2 Prozent. „Zehn Prozent sind normal“, sagt Petra Friedrich, Sprecherin des deutschen Imkerbundes in Wachtberg bei Bonn. Forscher der University of Southampton haben jetzt eine weitere Bedrohung für die Honigbiene entdeckt: Dieselabgase. Denn diese Abgase aus Dieselfahrzeugen zersetzen den Blütenduft, so dass die Bienen die Orientierung verlieren.
Honigbienen sind Augen- und Nasentiere
„Honigbienen haben einen sehr sensiblen Geruchssinn und eine außergewöhnliche Fähigkeit, neue Düfte zu lernen und zu behalten“, erklärt Tracey Newman, eine der beiden Studienleiterinnen, die ihre Forschungsergebnisse jetzt im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht haben. Honigbienen sind Augen- und Nasentiere. Farbe und Form der Blüten sind für die Insekten aus der Entfernung das optische Zeichen für reiche Beute an süßem Nektar. An der Blüte angekommen, übernimmt der Geruchssinn die Führung. Die Bienen registrieren den Mix aus den duftenden Chemikalien, der charakteristisch ist für die jeweilige Blüte. Die Biene lernt, diesen Duft mit der Belohnung, dem Nektar und den Pollen, zu assoziieren.
Stickoxide zerstören duftende Komponenten
In einem Laborexperiment konnten die Forscher jetzt nachweisen, dass es vor allem die Stickoxide im Dieselabgas sind, die den Blütenduft zerstören. Zunächst bauten sie den typischen Duftcocktail von blühendem Raps aus acht chemischen Verbindungen nach. Diesen Cocktail gaben sie in zwei luftdicht abgeschlossene Gefäße. In eines der Gefäße leiteten sie dann Dieselabgas ein. Mittels der kombinierten Gas-Chromatographie-Massenspektrometrie bestimmten sie anschließend in regelmäßigen Abständen die Konzentration der acht Duftchemikalien. Dann führten sie den gleichen Test mit reinen Stickoxiden erneut durch.
Das Ergebnis verblüfft: In beiden Fällen – also unter Stickoxid wie unter Dieselabgas – zersetzten sich zwei der acht Duftbausteine innerhalb von wenigen Minuten. „Sie waren in der Dieselabgas-verschmutzten Luft nicht mehr nachweisbar“, so die Wissenschaftler. Zwei weitere Duftkomponenten verschwanden etwas später ebenfalls. Dabei war es gleichgültig, ob die Forscher reines Stickoxid hinzu gaben oder die komplette Abgasmischung. Deshalb verorten die Forscher die reaktiven Stickoxide im Dieselabgas als Verursacher der Zersetzung der Duftmoleküle.
Honigbienen erkannten die Blütendüfte nicht mehr
Jetzt machten die Forscher den Geruchstest mit echten Bienen. Dafür nutzten sie ein typisches Verhalten der Honigbienen aus, wenn diese die lockenden Düfte der Blüten wahrnehmen – sie strecken ihren Saugrüssel aus. Die Wissenschaftler setzten die Honigbienen wahlweise dem unveränderten, eigens komponierten synthetischen Rapsduft aus, oder aber Duftmischungen, in denen die von den Abgasen und den Stickoxiden zersetzten Komponenten fehlten.
Der unveränderte Duft-Mix erzeugte zuverlässig die erwartete Reaktion der Bienen. Sie streckten ihren Saugrüssel aus in Erwartung der süßen Belohnung. Anders reagierten die Honigbienen bei den Mischungen, denen eine oder auch mehrere Duftkomponenten fehlten. Sie reagierten gar nicht. Offenbar erkannten die Honigbienen diese Mischungen mit den fehlenden Komponenten nicht mehr als Blütensignal. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Dieselabgase die Zusammensetzung von Blütenduftstoffen verändern – und dass dies die Dufterkennung der Honigbienen stört“, stellt Newman fest.
Für ein Kilo Honig siebenmal um die Erde
Bienenfleißig ist ein im Alltag verwendetes Adjektiv und laut Duden „durch unermüdlichen Fleiß gekennzeichnet.“ Mit Recht: Denn um ein Kilogramm Honig zu produzieren, das ist die Honigmenge, die ein Deutscher im Schnitt im Jahr verzehrt, fliegt eine Biene siebenmal um die Welt. Das ist bienenfleißig und gut für den Menschen. Aber die wahre Leistung der Biene liegt in der Bestäubung der Blüten. Damit trägt die Biene zum Erhalt und Ertrag sehr vieler Kulturpflanzen bei. Erst mit ihr gelangen viele Pflanzen von der Blüte zur Frucht, die dann als Nahrung für Mensch und Tier dient. Vor allem im Obstbau ist die Biene unersetzlich.
Den Wert all der bienenfleißigen Bestäubungsarbeit haben französische Wissenschaftler im Jahr 2008 erstmals berechnet. Nach dieser Studie hat der globale ökonomische Nutzen der Bienen durch Bestäubung im Jahre 2005 etwa 153 Milliarden Euro betragen. Auf Deutschland bezogen wird der ökonomische Nutzen der Biene auf mindestens zwei Milliarden Euro taxiert. Damit ist die Biene nach Schwein und Rind das drittwichtigste Nutztier in Deutschland.
Es gibt immer weniger Bienenvölker
Trotz dieser beeindruckenden Zahlen gibt es hierzulande nur noch etwa 750 000 Bienenvölker, gehalten von rund 87.000 Imkern – Tendenz sinkend. Nach dem Krieg gab es rund 2,5 Millionen Völker mit bienenfleißigen Bienen. Dabei gibt es bei weitem nicht nur die bekannteste Bienenart, die Apis mellifera, auch Westliche Honigbiene genannt. Weltweit summen mehr als 20 000 Bienenarten über Feld und Wiese, in Deutschland sind davon rund 560 Arten heimisch. Und allein von Apis mellifera gibt es 25 Unterarten.
Bienen bestäuben 80 % Obst und Gemüse
All diese fleißigen Insekten werden von den Dieselabgasen in ihrer Orientierung ganz erheblich beeinträchtigt. „Die Luftverschmutzung ist einer der allgegenwärtigsten Umwelt-Einflüsse des Menschen“, sagen die Forscher aus Southampton. Trotz Katalysatoren und strengen Abgasnormen sind Dieselabgase noch immer eine der Hauptkomponenten der Luftverschmutzung. Bisher bestäuben die Honigbienen bis zu 80 % des hierzulande angebauten Obst und Gemüse. Nun wissen wir, dass zur Varroa-Milbe, den landwirtschaftlichen Monokulturen und den Pestiziden mit der Wirkgruppe der Neonikotinoiden ein weiterer Feind der Bienen existiert: Es ist der Mensch mit seinen Autos, die Stickoxide in die Luft blasen.
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