Dieses Haus besteht aus Lego-Steinen aus Wüstensand
Steine aus Wüstensand mit Noppen wie bei Lego: Mit dieser Idee wollen zwei Ingenieure aus Thüringen im großen Stil Häuser in Namibia bauen. Bis 2030 sollen 40.000 Häuser aus dem Polymerbeton für die ärmsten Einwohner des Landes hochgezogen werden.
Wohl jeder spätere Ingenieur kann auf eine frühe Karriere als Lego-Baumeister zurückblicken. Kühne Bauten erhoben sich da in die Welt. Und mit genau diesem Lego-Prinzip wollen Gerhard Dust und Gunther Plötner nun unschlagbar billig Häuser aus Wüstensand in Katastrophengebieten und Armenvierteln bauen. Wüstensand gilt eigentlich als untaugliches Baumaterial, zu rein und rundgeschliffen sind die Körner.
Doch die beiden Thüringer haben eine Lösung gefunden, um den im Übermaß vorhandenen Wüstensand Namibias und anderswo doch als Baustoff nutzen zu können. „Wir sind der Meinung, dass man nach Katastrophen oder in Slums alles viel besser machen kann als bisher“, sagt Dust. Und dafür haben die beiden Entwickler nun das Unternehmen Polycare Research Technology mit Sitz in Gehlberg gegründet, ein kleines Dorf im Ilm-Kreis im Thüringer Wald.
Polymerbeton aus Wüstensand
Polymerbeton ist ein bewährter Baustoff, den die beiden Tüftler benutzen. Gemeinsam mit der Professur Bauchemie und Polymere der Weimarer Bauhaus-Universität ist ihnen aber gelungen, aus Wüstensand brauchbare Bauelemente aus Polymerbeton herzustellen, obwohl Wüstensand eigentlich ungeeignet ist.
Doch der Maschinenbauingenieur Gunther Plötner kniete sich rein in die Chemie der verschiedenen Kunstharze. Er schaffte es, aus dem untauglichen Baumaterial aus der Wüste einen tragfähigen Stein zu gießen. In der Halle in Gehlberg steht heute eine einzige große Maschine. Schläuche an deren Rückseite saugen Wüstensand und Kunstharz ein, an der Vorderseite quillt die daraus entstehende Masse heraus.
Bauteile werden ineinandergesteckt und verschraubt
Sie fließt träge in ziegelsteingroße Formen. Die Formen haben Noppen wie eben die Plastiksteine für kleine Ingenieure. Das besondere: Die Bauteile sind bereits 24 Stunden nach dem Gießen komplett ausgehärtet und sind härter als Beton. Zudem sind sie feuer- und wasserbeständig, sind umweltfreundlich und recycelbar.
Dank der Noppen werden die einzelnen Bauteile einfach ineinandergesteckt und verschraubt. Damit kann jeder im bewährten Stecksystem ein Haus bauen, ohne Mörtel, ohne Fachwissen und ohne Kran. Hinter der Produktionshalle steht der Beweis, der Prototyp. Es ist ein Flachbau, der 37 m2 Wohnfläche bietet. Die Bauzeit und die Baukosten beeindrucken: Der Flachbau wurde von zwei Personen in weniger als 12 Stunden erstellt, die Materialkosten lagen unter 3.000 Euro.
Modellhaus in Windhoek errichtet
Nun haben die Macher von Polycare in Namibias Hauptstadt Windhoek gezeigt, dass sie ihr Handwerk verstehen. Dort haben jetzt vier Polycare-Mitarbeiter in nur zwei Tagen ein Modellhaus mit einer Wohnfläche von 45 m2 errichtet. Der Modellbau wurde im Beisein von Namibias Staatspräsident Hage Geingob eingeweiht.
Auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) war bei dem Festakt dabei. Hintergrund ist ein Hausbauprogramm der Regierung des südafrikanischen Landes, das bis zum Jahr 2030 den Bau von 200.000 Häusern für die ärmsten Einwohner vorsieht. Das Programm ist insgesamt 2,8 Milliarden Euro schwer.
Namibia will rasch Wohnraum schaffen
Die Firma Polycare hat ein Angebot eingereicht, nach dem sie in Namibia 14 ihrer speziellen Produktionsanlagen errichten und Mitarbeiter schulen würde, so dass bis zum Jahr 2030 rund 40.000 ihrer Häuser in Lego-Bauweise entstehen könnten. 30 Millionen Euro ist dieser Auftrag wert. „Ich fände es gut, wenn dieses Projekt realisiert werden könnte“, sagte Tiefensee. „Es wäre ein Beitrag dazu, die Lebensverhältnisse in Namibia deutlich zu verbessern.“ Sein Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium hat die Firma Polycare über die Technologie- und Investitionsförderung bisher bereits mit 570.000 Euro unterstützt.
Auch Ingenieure der Universität des Saarlandes haben schon versucht, den Wüstensand in Namibia so aufzubereiten, dass er als Baumaterial dienen kann. Dabei haben sie den Sand mit Akazien versetzt, die in Namibia eine Plage sind. Wie sie das machen, lesen Sie hier.
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