Es ist zu hell! Wie Forschende die Lichtverschmutzung erfassen wollen
In zahlreichen Ländern stehen Teams aus Forschenden und Bürgern bereit, um eine große Datenlücke zu schließen: In den nächsten Wochen wollen sie gemeinsam Lichtemissionen kartieren. Jeder kann mitmachen und Lichtquellen in seiner eigenen Region erfassen.
Vor allem in Ballungsgebieten hat die sogenannte Lichtverschmutzung in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Künstliches Licht führt dazu, dass die Nächte immer heller werden. Das fällt vielen Menschen erst dann auf, wenn sie von der Stadt aufs Land fahren und plötzlich über sich einen beeindruckenden Sternenhimmel entdecken, der nur in echter Dunkelheit gut zu sehen ist. Die Lichtverschmutzung ist auf der einen Seite ein Problem für Mensch und Tier, da sie die natürlichen Schlaf- und Lebensrhythmen durcheinanderbringt. Auf der anderen Seite ist die große Helligkeit in der Nacht ein Zeichen dafür, dass in diesem Bereich enormes Energiesparpotenzial besteht. Wer künstliche Lichtquellen eindämmen will, muss aber natürlich zunächst wissen, wo sie sich befinden und welchem Zweck sie dienen. Daten gibt es dazu bislang nicht. Forschende vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, das zum Helmholtz-Zentrum Potsdam gehört, wollen das über ein bürgerwissenschaftliches Projekt (Citizen Science) ändern.
Lichtverschmutzung wird international erfasst
Dass Lichtverschmutzung schadet, ist inzwischen bekannt. Eingedämmt wird sie deswegen bislang aber nicht. Im Gegenteil: Satelliten- und Luftaufnahmen der Erde bei Nacht zeigen, dass künstliche Lichtquellen die Dunkelheit immer stärker verdrängen. Diesem Trend kann man jedoch nur entgegenwirken, wenn die einzelnen Lichtquellen identifiziert sind. Forschende vom GFZ haben dafür gemeinsam mit Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftlern eine ‚Nachtlichter‘-App entwickelt. Mit ihr soll es erstmals möglich sein, künstliche Lichtquellen am Boden systematisch zu erfassen und damit die Lichtverschmutzung zu kartieren.
Die ersten Messkampagnen finden in den kommenden Wochen, im September und Oktober, statt. In Deutschland werden sie gezielt geplant für Bochum, Dresden, Erlangen, Fulda, Würzburg, Potsdam und für die Gemeinde Preußisch-Oldendorf bei Detmold. Im Ausland beteiligen sich Gruppen in Spanien, Irland, Kanada und Italien an dem Citizen-Science-Projekt. Wer mitmachen möchte und in keiner der beteiligten Regionen lebt, kann vorab einen eigenen Messbereich definieren, der dann ebenfalls in die Kartierung aufgenommen wird.
Lichtverschmutzung mit kleinen Maßnahmen reduzieren
Die App ist webbasiert und erfasst nicht nur unterschiedliche Lichtquellen auf öffentlichen Straßen und Plätzen, sondern auch ihre Helligkeit, Lichtfarbe und den Abstrahlwinkel. Das ist wichtig. Denn bei der anschließenden Bewertung soll es einerseits darum gehen, wo Beleuchtung eingespart werden könnte. Andererseits lässt sich Lichtverschmutzung oftmals schon durch kleine Anpassungen reduzieren.
„Außenbeleuchtung ist zu oft in ungünstigen Lichtfarben und Mengen schlecht installiert. Statt nur dort hinzuleuchten, wo Licht gebraucht wird, strahlt das Licht in alle Richtungen, blendet Menschen und stört den Tag-Nacht-Rhythmus von Tier- und Pflanzenwelt im Umkreis mehrerer Kilometer“, sagt Sabine Frank, die Nachtschutzbeauftragte des Landkreises Fulda und des Biosphärenreservats Rhön, die ebenfalls aktiv an der App-Entwicklung beteiligt war. Sie startet Anfang September eine Nachtlichter-Kampagne in der ‚Sternstadt‘ Fulda.
Citizen-Science hat viele positive Effekte
Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger hat dabei einige Vorteile und Begleiteffekte. Viele Menschen erhöhen natürlich die Kapazität der Messkampagnen und damit die Datenmenge. Das ist aber noch nicht alles, berichtet Nona Schulte-Römer, die das Projekt am GFZ sozialwissenschaftlich begleitet. „Schon bei der Entwicklung der App haben wir festgestellt, dass das Nachtlichter-Zählen eine bewusstseinserweiternde Wirkung auf uns hat. Viele von uns waren erstaunt, wie viele verschiedene Lichter dort draußen in unterschiedlichen Farben und Formen strahlen.“
Die Wahrnehmung der künstlichen Beleuchtung ist natürlich der erste Schritt, um sie im Anschluss zu reduzieren. Auch dabei spielen die Teilnehmenden der Kampagnen eine wichtige Rolle. „Unsere Messkampagnen in Dresden und anderen Städten erlauben uns, mit Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftlern gemeinsam zu diskutieren, wo und wann sie künstliche Beleuchtung schätzen oder auch darauf verzichten könnten“, sagt Schulte-Römer.
Bei der Kartierung mitmachen
Alle Infos für eine Teilnahme sind auf der Seite des Projektes Nachtlicht Bühne zusammengefasst. Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler sollten vorab eine kurze Online-Schulung machen. Wer eigene Messregionen definieren möchte, spricht dies am besten vorher mit dem GFZ-Team ab.
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