Fritz Vahrenholts Thesen zum Klimawandel
Der RWE-Manager Fritz Vahrenholt hat ein Thema entdeckt, das unter Skeptikern der Theorie des menschgemachten Klimawandels schon lange diskutiert wird
Der Chemiker Fritz Vahrenholt ist – noch bis zum 1. Juli diesen Jahres – Chef der Tochter RWE Innogy, die in dem Energiekonzern zuständig ist für erneuerbare Energien. Als solcher befasste er sich vor einigen Jahren mit der Frage, woher und wie stark in Deutschland der Wind weht. Dabei stieß er, wie er in seinem neuen Buch „Die kalte Sonne“ schreibt, auf Phänomene, die ihm bis dato völlig unbekannt waren. Etwa die Nordatlantische Oszillation, ein System von Hoch- und Tiefdruckgebieten, die im Winter mal starke Westwinde, mal flaue Ostwinde zu uns lenken.
Vahrenholt lernte, dass die Sonne in regelmäßigen Zyklen, bedingt durch die Sonnenflecken, mehr oder weniger aktiv ist – was unter anderem dazu führt, dass man zu gewissen Zeiten mehr Nordlichter sieht (weshalb dieses Phänomen nicht nur Nordlandreisenden und -bewohnern bekannt ist). Dies hat aber auch Auswirkungen auf das Klima.
Gemeinsam mit seinem RWE-Kollegen, dem Afrikaexperten und Geologen Sebastian Lüning von RWE Dea, kommt er zu dem Schluss, „dass die Temperaturentwicklung in vorindustrieller Zeit ebenso wie auch in den industriell geprägten vergangenen 150 Jahren immer ein Gemeinschaftsresultat verschiedener Klimasteuerungsprozesse gewesen ist. Eine plötzliche Beschränkung auf CO2 als uneingeschränkten Hauptverantwortlichen für das zukünftige Klimageschehen ergibt daher keinen Sinn.“ (S. 316).
Bei dieser Aussage stimmen Klimaforscher selbstverständlich zu – nicht aber bei den weiteren Schlussfolgerungen des Buchs. Unter anderem verweisen die Autoren auf das sogenannte Maunder-Minimum, einen Tiefpunkt der Sonnenaktivität zwischen 1645 und 1715 – also mitten in der „Kleinen Eiszeit“.
Experte widerspricht Varenholts Maunder-Minimum-These
Was wäre, wenn im 21. Jahrhundert nochmals ein Maunder-Minimum auftreten würde? „Das hätte nur sehr geringe Auswirkungen“, sagt Georg Feulner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der Astrophysiker arbeitet im Forschungsbereich Erdsystemanalyse des PIK. „Wir hätten vielleicht eine um 0,1 °C geringere Temperatur – im Vergleich dazu bewirkt der menschliche Einfluss – je nach Ausmaß künftiger Treibhausgasemissionen – eine Erwärmung um mehrere Grad bis zum Jahr 2100.“
Anders als ursprünglich angenommen sei auch die Kleine Eiszeit nicht durch die geringe Sonnenaktivität ausgelöst worden. „Vahrenholt und Lüning ignorieren dabei die kühlende Wirkung von Vulkanausbrüchen.“ Dabei gebe es schon seit Jahrzehnten zahlreiche Veröffentlichungen, die den kühlenden Effekt von Vulkanasche nach starken Eruptionen berücksichtigen – die es auch in der entsprechenden Zeitspanne gab.
Schon Ende der 70er-Jahre verwies der Bonner Klimaforscher Hermann Flohn auf diesen Effekt – und US-amerikanische Geologen berechneten erst kürzlich, dass Vulkane sogar ganz allein für die Kleine Eiszeit verantwortlich sein könnten.
Vahrenholt und Lüning kritisieren Weltklimarat
Gut, die Sonne allein mag zu schwach sein – aber es gebe natürliche Faktoren, die ihren Einfluss verstärken, und die der IPCC allesamt nicht berücksichtige, meinen Vahrenholt und Lüning. Etwa den Einfluss der kosmischen Strahlung, mit der sich seit vielen Jahren der dänische Physiker Henrik Svensmark befasst. Er leitet am dänischen National Space Institute in Kopenhagen das Center for Sun-Climate Research.
Der IPCC diskutiert diese Berechnungen in seinem Bericht, berücksichtigt sie aber nicht in den Klimamodellen. Aus einem einfachen Grund, sagt Feulner: Es fehle an empirischen Daten. „Entweder gibt es den Effekt nicht oder er ist so schwach, dass er in den natürlichen Schwankungen der Wolkenbedeckung untergeht.“
Svensmark hat seine Argumentation im Laufe der Jahre mehrmals korrigiert – kein Grund für Vahrenholt und Lüning, daran zu zweifeln. Anders aber, wenn das IPCC oder Klimaforscher ihre Prognosen korrigieren – das vermerken die Autoren dann mit Süffisanz als Beleg für fehlende Seriosität. Aber was ist un-
seriös daran, frühere Erkenntnisse aufgrund neuer Daten und den Erfolgen leistungsfähigerer Computer zu korrigieren – sei es der Einfluss kosmischer Strahlung oder zum Beispiel der Meeresspiegelanstieg?
Astrophysiker Feulner: Die Autoren ignorieren Studien
„Die Fleißarbeit der Autoren ist beeindruckend, das Literaturverzeichnis ist ellenlang“, sagt Feulner. „Aber die Autoren machen genau das, was sie dem IPCC vorwerfen: Sie ignorieren Studien, die ihren Ansichten widersprechen.“ Es gelingt ihnen auch, den Treibhauseffekt praktisch beiseite zu lassen – die nicht wegzudiskutierende physikalische Basis des Klimawandels. Diskussionen gibt es unter Klimaforschern nur über die vielen komplexen Wechselwirkungen, die der menschliche Einfluss bewirkt. „Über solche Details können wir noch Jahrzehnte forschen, es ist eben ein hoch kompliziertes System“, sagt Feulner. „Aber genau das macht die Klimaforschung ja so spannend.“
Sebastian Lüning, Fritz Vahrenholt: Die kalte Sonne. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg, 2012, 448 Seiten, 24,99 €
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