Grönland-Gletscher „rast“ mit 46 Metern pro Tag ins Meer
Der schnellste Gletscher Grönlands ist der Jakobshavn Isbrae, der mit 7000 Metern pro Jahr dem Meer entgegen fließt. Forscher haben jetzt aus Satellitendaten ermittelt, dass der Gletscher sich 2012 sogar 17 Kilometer weiter bewegte. Das entspricht 46 Meter pro Tag. Offenbar lässt diese hohe Geschwindigkeit auch den Meeresspiegel ansteigen.
Er galt ohnehin als der schnellste der Welt, der Jakobshavn Isbrae, ein Gletscher in Grönland. Er schiebt sich jedes Jahr 7000 Meter zum Meer. Doch im Jahr 2012 legte der Gletscher kräftig an Tempo zu. In diesem Rekordjahr legte der Gletscher 17 Kilometer zurück, was einer Tageswanderung von 46 Metern entspricht. Das ist ein Rekord für Ausflussgletscher nicht nur in Grönland, sondern auch in der Antarktis, schreiben Forscher um Dana Floricioui und Ian Joughin in „The Cryoshere“, einer Fachzeitschrift der European Geosciences Union.
Der Titanic-Versenker kam wahrscheinlich vom Jakobshavn-Gletscher
Der Jakobshavn-Gletscher ist ein Riese. Sein Einzugsgebiet umfasst etwa 6,5 Prozent des Inlandeises. Die Masse der Eisberge, die sich pro Jahr von seiner Gletscherzunge ablösen, können eine Masse von 35 Milliarden Tonnen erreichen. Der Jakobshavn Isbrae ist damit von allen Eisgiganten des Nordens der Gletscher, der am häufigsten kalbt: Von seiner Gletscherzunge lösen sich zuweilen kilometergroße Eisberge und rutschen in den Ilulissat-Eisfjord an der Westküste Grönlands.
Manche dieser gekalbten Riesen gehen dann auf eine weite Reise. Ein ausgesprochen prominentes Exemplar eines solchen weitgereisten gekalbten Riesen vom Jakobshavn Isbrae soll jener Eistrumm gewesen sein, der am 14. April 1912 die als unsinkbar geltende Titanic aufschlitzte und versenkte.
Meeresspiegel ist allein durch den Isbrae-Gletscher um 1 mm angestiegen
„Wir beobachten den Jakobshavn Isbrae bereits seit Mitte 2008 regelmäßig mit dem TerraSAR-X-Satelliten. Es ist wirklich beeindruckend zu sehen, wie stark dieser Gletscher sich innerhalb kürzester Zeit verändert“, sagt Dana Floricioui vom Institut für Methodik der Fernerkundung des DLR-Earth-Observation Center (EOC) in Oberpfaffenhofen.
Um die Fließgeschwindigkeit des Gletschers zu messen, werten die Forscher Satellitendaten aus. „Wir sehen an einem der vermutlich schnellsten Gletscher, wenn nicht dem schnellsten Gletscher inzwischen Geschwindigkeiten, die vier Mal schneller sind, als noch in den 1990er Jahren“, sagt Ian Joughin von der University of Washington in Seattle. Diese Beschleunigung bedeutet allerdings auch, dass vom Gletscher immer mehr Eis ins Meer strömt. „Wir wissen, dass allein dieser Gletscher von 2000 bis 2010 den Meeresspiegel um etwa 1 Millimeter anhob“, berichtet Joughin. „Mit dem höheren Tempo wird er vermutlich im kommenden Jahrzehnt noch etwas mehr beitragen.“
Geschwindigkeit kann sich verzehnfachen
Der Jakobshavn Isbrae ist seit mindestens 1850 auf dem Rückzug. Und das geschieht im Zuge der weltweiten Gletscherschmelze als Folge der globalen Erwärmung in der Arktis recht deutlich. Zwischen 1991 und 1997 hat sich der Gletscherriese um 15 Meter pro Jahr zurückgezogen. Diese Rückzugsrate hat sich bis 2003 fast verdoppelt. Parallel dazu beschleunigen sich die Bewegungen der Eismassen.
Es ist vor allem die Beschaffenheit des Felsbettes in dem Fjord an der Westküste Grönlands, die verantwortlich ist für das aktuelle Rekordtempo. Die sich zurückziehende Gletscherfront befand sich in den Sommern 2012 und 2013 mehr als einen Kilometer weiter landeinwärts als in den Jahren zuvor. Inzwischen ist sie in einem tiefen Becken, dessen Talsohle etwa 1300 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Dieses besondere Profil des Fjords kann nach Ansicht der Forscher die Geschwindigkeit des Gletschers sogar um den Faktor 10 oder mehr beschleunigen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könne sich die Gletscherfront um 50 Kilometer zurückziehen – bis zur Fjordspitze.
Satellitendaten zur Geschwindigkeitsbestimmung
Diese exakte Bestimmung der Fließgeschwindigkeit des temporeichen Gletschers basiert auf Informationen der deutschen Erdbeobachtungsmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X. Das EOC stellte die Satellitendaten zur Verfügung und bereitete sie speziell auf. „Wir haben sehr darauf geachtet, dass die Zeitserie der Satellitenaufnahmen nicht unterbrochen wird und die Daten zuverlässig ausgeliefert werden. Die Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X sind wunderbare Werkzeuge für uns, um komplexe Eisstrukturen von wissenschaftlich hochinteressanten Arealen umfassend zu beobachten“, erklärt Floricioiu. „In den Satellitendaten werden Feinstrukturen der eis- und schneebedeckten Gebiete sehr genau wiedergegeben. Daraus lassen sich dann dynamische Vorgänge wie Fließbewegungen von Gletschern und Eisströmen detailliert analysieren“, ergänzt sie.
Alle elf Tage lieferte TerraSAR-X ein Bild vom Gletscher
Die Beobachtung des Jakobshavn-Gletschers geschah in zwei aufeinander aufbauenden Stufen. In Stufe eins wurde der Satellit TerraSAR-X zunächst so ausgerichtet, dass er in einem Abstand von elf Tagen über mehrere Jahre hinweg Aufnahmen liefert, die in einer Zeitserie stets denselben Blickausschnitt und Blickwinkel aufweisen. Der Radarsensor des TerraSAR-X verfügt über eine sehr hohe räumliche Auflösung von drei Metern. Mit diesen Zeitreihen in hoher Auflösung konnte das Forscherteam der University of Washington Veränderungen der Merkmale an der Gletscheroberfläche verfolgen und somit sehr genau die Fließgeschwindigkeit messen.
Diese Messergebnisse präzisierten die Forscher in Stufe zwei. Anhand der Radardaten von TanDEM-X erstellten DLR-Wissenschaftler digitale Höhenmodelle, also dreidimensionale Bilder der Gletscheroberfläche. Dadurch werden Hebungen und Senkungen der Oberfläche erfasst, die ebenfalls die Geschwindigkeit des gesamten Gletschers beeinflussen.
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