Hat der Diesel im Stadtverkehr noch eine Zukunft?
Jetzt rächt sich, dass Autohersteller lieber mit Schummelsoftware und „Thermofenstern“ experimentieren, statt den Dieselantrieb sauber zu machen: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat erstmals Fahrverbote für Diesel vorgeschlagen, um die Luft in den Städten sauber zu bekommen. Und ein Audi-Händler muss zwei Autos mit Schummelsoftware zurücknehmen.
Das Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts könnte Geschichte schreiben. Erstmals hat diese Woche ein Gericht einer Großstadt in Deutschland Fahrverbote für Dieselfahrzeuge empfohlen, damit endlich die vorgeschriebenen Grenzwerte für NO2 eingehalten werden. Seit Jahren werden in den meisten deutschen Großstädten an viel befahrenen Straßen die zulässigen Schadstoffgrenzwerte für Stickstoffdioxid nicht eingehalten.
Und das ist keine Lappalie: Denn zu hohe NO2-Konzentrationen führen zu einer Verengung der Bronchien, besonders Allergiker leiden dann unter Atemwegsproblemen. Das wiederum führt zu einer erhöhten Belastung des Organismus, vor allem des Herzkreislaufsystems und zu einer Erhöhung der Sterblichkeitsrate.
Grenzwerte überschritten trotz Luftreinhaltepläne
Zwar haben die meisten Städte Luftreinhaltepläne beschlossen und Umweltzonen eingeführt. Doch das Ergebnis ist niederschmetternd. Laut Gericht werden in über 50 Ballungsräumen die Grenzwerte für NO2 nicht eingehalten. Dabei ist der Verkehr der Hauptverursacher der Schadstoffemissionen. Etwa die Hälfte der Stickoxide stammt aus Verbrennungsmotoren, vor allem aus Dieselfahrzeugen.
Die Post hat daraus schon Konsequenzen gezogen, den Hersteller von Elektrotransportern StreetScooter übernommen und will im nächsten Jahr die Produktion auf 10.000 Fahrzeuge hochfahren. Ziel ist es, die gesamte Warenzustellung umweltfreundlich abzuwickeln: zu Fuß, per Rad und mit Elektrofahrzeugen.
Gericht führt Recht auf saubere Luft ein
Doch die Städte ergreifen trotz der Überschreitung von Grenzwerten keine weiteren Maßnahmen, sie hätten alles Mögliche getan. Damit hat sich nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe, die auch viele andere Städte wie Köln, Essen, Gelsenkirchen, Bonn und Aachen verklagt hat, das Verwaltungsgericht Düsseldorf nicht mehr zufrieden gegeben.
Das Gericht hat faktisch ein Recht auf saubere Luft eingeführt und die Stadt Düsseldorf verurteilt, ihren Luftreinhalteplan nachzubessern. „Die Bezirksregierung Düsseldorf muss den seit Anfang 2013 geltenden Luftreinhalteplan Düsseldorf so ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid in Düsseldorf enthält“, teilte das Gericht mit.
Gericht empfiehlt Fahrverbote für Dieselfahrzeuge
In der mündlichen Urteilsbegründung kritisierte der Vorsitzende Richter, dass der seit 2010 für Stickstoffdioxid geltende Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, der über ein Jahr gemittelt wird, seit Jahren überschritten wird. 2015 lag der Wert bei 59 Mikrogramm pro Kubikmeter. „Die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit fordert jedoch eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes“, so das Gericht. Deshalb müssten jetzt „insbesondere auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ernstlich geprüft und abgewogen werden“.
Damit rächt sich, dass der Staat bei der Autoindustrie toleriert hat, dass Grenzwerte nur unter den künstlichen Bedingen eines Prüfstandes unter optimalen Bedingungen erfüllt werden, nicht aber im realen Verkehr. So überschreiten Dieselfahrzeuge bei NOx-Messungen des KBA und der Zeitschrift auto motor und sport die Grenzwerte oft um das zehn- bis fünfzehnfache. Opel nutzt die Möglichkeit so genannter Thermofenster, in denen die Abgasreinigung abgeschaltet wird, um den Motor vor Schäden zu schützen, so aus, dass die Reinigung überwiegend nicht arbeitet, so ein Vorwurf der Umwelthilfe.
Händler muss manipulierte Audis zurücknehmen
Dass dies die Gerichte nicht mehr hinnehmen wollen, zeigt auch ein zweites Urteil aus dieser Woche. Das Landgericht Krefeld hat einen Audi-Händler dazu verurteilt, zwei Fahrzeuge mit Schummelsoftware zurückzunehmen. Das Gericht ist der Auffassung, dass die VW-Schummelsoftware einen klaren Sachmangel darstellt, der zum sofortigen Rücktritt vom Kauf berechtigt. Eine Nacherfüllung, also das Aufspielen einer neuen Software und der Einbau eines Strömungsgleichrichters, sei unzumutbar. Selbst nach der Nachrüstung bleibe ein „berechtigter Mangelverdacht“, so das Landgericht.
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