Hochwertiger Dünger aus Klärschlamm
Bei der Entwicklung neuer Techniken zum Phosphorrecycling hat Deutschland die Nase vorn. Doch nur wenige haben bislang den Sprung vom Labor in großtechnische Anwendung geschafft. Laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes gehören Fällungstechniken auf Basis von Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP) zu den am weitesten entwickelten Verfahren. Zwei Projekte treten nun den Beweis der industriellen Praxistauglichkeit an.
Phosphor ist unersetzlich. In Form von Phosphat hält er die Stoffwechselvorgänge in den Zellen der Organismen aufrecht. Phosphat ist Grundstoff für Düngemittel und wird als Zusatzstoff für die Herstellung vieler Industrieprodukte benötigt, darunter Waschmittel, Farben und Futtermittel.
Doch die Phosphorvorräte der Erde reichen, je nach Schätzung, nur noch für 100 bis 300 Jahre. Mit dem „Phosphor-Peak“, also jenem Zeitpunkt, ab dem das Angebot die gestiegene Nachfrage nicht mehr decken kann, rechnen Experten bereits in etwa 20 Jahren. Mit der Folge, dass die Preise für den immer knapper werdenden Agrar- und Industrierohstoff schon jetzt drastisch steigen. Nach Angaben der Weltbank verteuerte sich die Tonne Phosphaterz in den vergangenen zehn Jahren um das Zehnfache.
Obwohl Deutschland vollkommen von Importen abhängig ist und pro Jahr 140 000 t bis 150 000 t Rohphosphat allein für Mineraldünger benötigt, schwimmt es buchstäblich in dem Rohstoff. „Klärschlamm könnte für die Landwirtschaft ein kostengünstiger Dünger sein, denn er enthält Phosphor, Stickstoff, Kalium und Magnesium. Allerdings befinden sich darin auch organische Schadstoffe und Schwermetalle. Deshalb werden derzeit rund 53 % der pro Jahr anfallenden knapp 2 Mio. t Klärschlammtrockenmasse meist zusammen mit anderen Abfällen verbrannt“, sagt Benjamin Wiechmann, Ingenieur und Experte für Abfalltechnik beim Umweltbundesamt (UBA).
Der Rest wird in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau eingesetzt. Noch. Denn mit der Neufassung der Klärschlammverordnung strebt die Politik eine weitere Reduzierung der Schadstoffwerte an. Das könnte der Weiterentwicklung von effizienten Techniken zur Phosphorrückgewinnung neuen Schub verleihen.
Knapp 50 verschiedene, teilweise etablierte Verfahren zählt die aktuelle UBA-Studie zur „Klärschlammentsorgung in Deutschland“ auf. „Der Großteil dieser Verfahren wurde in Deutschland entwickelt. Jedoch konnten bisher nur sehr wenige als Pilotanlagen oder im großtechnischen Maßstab realisiert werden“, heißt es darin.
„Noch kann keines der Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphor mit den Weltmarktpreisen für den Rohstoff konkurrieren“, sagt Wiechmann, Mitautor der Studie. Er geht davon aus, dass einige Techniken die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit in den kommenden zehn bis 15 Jahren erreichen werden.
Als besonders aussichtsreich stuft der Bericht nasschemische Verfahren mit dem Fällungsprodukt Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP) und thermisch-metallurgische Verfahren ein. „Die MAP-Verfahren ermöglichen eine Rückgewinnungsquote von rund 40 % bis 70 % für Phosphor und liefern mit dem MAP ein schadstoffarmes Produkt, das wegen seiner guten Pflanzenverfügbarkeit sehr gut als Dünger oder als Rohstoff für die Düngemittelherstellung geeignet ist“, urteilt der UBA-Experte.
Die sogenannte MAP-Fällung nutzt auch die Technik, die Forscher der Uni Stuttgart zusammen mit dem Stuttgarter Unternehmen Iat-Ingenieurberatung entwickelt haben. Aus ausgefaultem Klärschlamm gewinnt die seit November 2011 laufende neue Pilotanlage MAP.
Die aus zwei Chargenbehältern, einer Kammerfilterpresse und einem Absetzbecken bestehende Technik steht bei der Kläranlage des Abwasserzweckverbands Raum Offenburg und zweigt einen Teil der Abwässer ab. Mit einem Reaktorvolumen von 12 m³ kann in der Anlage derzeit der Klärschlamm von etwa 5000 Einwohnern behandelt werden.
„Etwa 60 % des gebundenen Phosphors werden dem Klärschlamm dabei entzogen. Mit der Anlage erzeugen wir derzeit rund 50 kg MAP pro Tag“, berichtet Carsten Meyer vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Uni Stuttgart.
Zunächst wird im ersten Behälter in saurem Milieu aus dem rohen Faulschlamm der Kläranlage Phosphat und Stickstoff herausgelöst. Der verbleibende Feststoffanteil des Schlamms wird abgetrennt und verbrannt, um Strom oder Wärme zu erzeugen. Aus dem flüssigen Filtrat fällt in einem zweiten Behälter MAP als kristalliner Niederschlag aus, nachdem das Fällmittel Magnesiumoxid zum Faulschlammfiltrat zugegeben und der pH-Wert erhöht wurde. Dem Absetzbecken wird das Fällprodukt schließlich entnommen und getrocknet.
„Unser Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass die Phosphor-Rückgewinnung parallel zur Abwasserreinigung stattfinden kann, deren Ablauf somit nicht umgestellt werden muss“, erklärt Meyer. Die Stuttgarter Forscher wollen den Prozess noch weiter optimieren und zur Marktreife führen.
Auf der MAP-Fällung basiert auch die vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart entwickelte Methode, die ohne Zugabe von Salzen oder Laugen auskommt, wie Jennifer Bilbao erläutert: „Es handelt sich um einen komplett chemikalienfreien Prozess. Einzige Bedingung: Die Prozesswässer müssen reich an Ammonium und Phosphat sein.“
Damit kommen die Stuttgarter Forscher, die das patentierte Verfahren an einen Industriepartner auslizensiert haben, auf eine Rückgewinnungsquote von über 99 %. „Bei einem Durchlauf von 1 m³/h lassen sich rund 100 kg MAP pro Tag gewinnen“, sagt IGB-Expertin Bilbao.
Herzstück der mobilen Versuchsanlage, die demnächst bei einem großen Biogasproduzenten laufen wird, ist die mannshohe Elektrolysezelle, durch die das Abwasser geleitet wird. Darin befinden sich eine Opferanode aus Magnesium und eine metallische Kathode. Im Verlauf der Elektrolyse wird am negativ geladenen Pol, der Kathode, das Wasser aufgespalten. Dabei werden u. a. Hydroxidionen gebildet. Am positiv geladenen Pol, der Anode, findet eine Oxidation statt: Magnesiumionen wandern durch das Wasser und reagieren dabei mit dem in der Lösung enthaltenen Phosphat und Ammonium zu MAP.
Da die Magnesiumionen im Prozesswasser der Anlage besonders reaktionsfreudig sind, wird weniger Strom für die elektrochemische Aufspaltung benötigt als bei üblichen Methoden, so Bilbao: „Bei allen bisher untersuchten Abwässern lag die erforderliche Leistung unter 70 Wh/m³.“ Weil sich die energiesparende Technik zudem gut zur Reinigung von Abwässern der Lebensmittelindustrie eignet, sehen die IGB-Forscher ein großes Potenzial für den Einsatz.
SILVIA VON DER WEIDEN
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