Netto-Null 12.12.2024, 14:18 Uhr

„ICOS Cities“: Wie eine Stadt CO₂-Emissionen genau misst

Um Netto-Null zu erreichen, müssen wir schnell und effektiv CO₂-Emissionen reduzieren. Ein EU-Projekt unter Mitwirkung der Empa hat Zürich als eine von drei europäischen Pilotstädten ausgewählt, um den CO₂-Ausstoß genau zu messen und zu analysieren. Die Ergebnisse unterstützen Städte dabei, ihre Klimaziele zu erreichen.

"ICOS Cities"

Zwei CO2-Messgeräte von "ICOS Cities" an einer Straßenlaterne in Zürich zur Überwachung der Luftqualität.

Foto: Pekka Pelkonen / ICOS RI

Städte sind die größten Verursacher von Treibhausgasen – etwa 70 % der weltweiten Emissionen entstehen dort. Gleichzeitig haben sie viele Möglichkeiten, diese Emissionen zu senken. Viele Städte, darunter Zürich, haben ehrgeizigere Klimaziele als ihre Länder. So plant Zürich, bis 2040 Netto-Null zu erreichen. Dafür sind zuverlässige Daten entscheidend. Sie zeigen Fortschritte, messen die Wirkung von Maßnahmen und machen Emissionen sichtbar, was zusätzliche Anreize schafft.

„Es gibt keine Diät, die ohne eine Waage erfolgreich ist“, wird Lukas Emmenegger, Leiter des Empa-Labors „Luftfremdstoffe / Umwelttechnik“ in einer Pressemitteilung zitiert.

Methoden zur Messung und Modellierung von Emissionen entwickeln

Doch wie misst man die Emissionen einer ganzen Stadt? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich das EU-Projekt „ICOS Cities“. Zürich wurde dabei zusammen mit Paris und München als eine von drei Pilotstädten ausgewählt. Im Projekt arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Stadtverwaltungen zusammen, um Methoden zur Messung und Modellierung von Emissionen zu entwickeln. Dass Zürich zu den ausgewählten Städten gehört, ist kein Zufall. „Die Stadt besitzt bereits hochwertige Daten zu ihren Emissionen, hat einen ‹digitalen Zwilling› und geht sehr offen mit diesen Ressourcen um“, sagt Emmenegger.

Messnetzwerk in Zürich

Im Projekt „ICOS Cities“ haben Empa-Forschende das Messnetzwerk in Zürich auf 60 Standorte erweitert. Günstige, kleine Sensoren wurden unauffällig an Straßenlaternen und Bäumen von Uetliberg bis Irchel installiert. Ergänzt wird dieses „Low-Cost“-Netz durch ein „Mid-Cost“-Netz: Gemeinsam mit Swisscom wurden rund 20 komplexere Sensoren an Mobilfunkantennen in der Stadt angebracht. Ein zusätzlicher Messturm auf einem Hochhaus in der Hardau ermöglicht noch genauere Analysen. Unter Leitung der Universität Basel wurden dort zeitweise hochpräzise Messungen durchgeführt, um neben CO₂ auch andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas zu erfassen und die CO₂-Flüsse in der Stadt besser zu verstehen.

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Punktuelle CO₂-Messungen allein geben wenig Aufschluss über die Emissionen. Die komplexe Topografie von Städten wie Zürich erzeugt unvorhersehbare Luftströmungen, die das Treibhausgas schnell von seiner Quelle wegtransportieren können.
„Eine weitere Herausforderung ist, die anthropogenen Emissionen vom natürlichen CO₂-Kreislauf in der Atmosphäre zu unterscheiden“, kommentiert Empa-Forscher Dominik Brunner.

Die großen Wälder rund um die Stadt nehmen täglich erhebliche Mengen CO₂ auf und geben es wieder ab. Die Universität Basel untersucht diese natürlichen Schwankungen durch Pflanzen.

Modellierung zur CO₂-Überwachung

Alle Daten aus dem Projekt, und es sind viele, fließen in die Modelle der Empa-Forschenden ein. Die Modellierung ist der entscheidende Schritt, um die Emissionen der Stadt zu verstehen. Wo entsteht das gemessene CO₂? Wie beeinflusst das Wetter die Konzentrationen? Welche Emissionen sind natürlich und welche stammen vom Menschen?

Das Team um Modellierungs-Experte Brunner sucht mit internationalen Partnern nach Antworten. Dafür entwickeln sie zwei Modelle: Eines zeigt, wie die Stadt CO₂ auf etwa einen Kilometer genau freisetzt, das andere Modell geht sogar so weit, einzelne Gebäude zu berücksichtigen. „Diese Modelle gleichen wir mit den Emissionsschätzungen der Stadt ab, dem sogenannten CO₂-Inventar“, sagt Brunner.

Die Arbeit, besonders am hochauflösenden Modell, ist noch nicht abgeschlossen, aber die Ergebnisse sind vielversprechend. So konnten die Forschenden für den Winter 2022/23 eine deutliche Reduktion messen und modellieren: Die Stadt hatte ihren Energieverbrauch aufgrund der Energiekrise spürbar gesenkt. Die Modelle zeigen also bereits gute Ergebnisse.

Ein weiterer Grund, warum Zürich zur Pilotstadt wurde, ist die Modellierkompetenz der Empa. Laut Emmenegger ist die Empa eines der wenigen Institute weltweit, das sowohl Messungen als auch Modellierungen unter einem Dach vereint. Als Gründungspartner des Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstoffe (NABEL), das seit 1979 in Betrieb ist, hat die Empa langjährige Erfahrung in der Bestimmung von (Spuren-)Gasen in der Luft.

„Kochbuch“ zur Überwachung von CO₂-Emissionen

In den 1970er-Jahren lag der Fokus nur auf Schadstoffen, heute beschäftigen sich die Forschenden auch mit CO₂ und anderen Treibhausgasen. Im Projekt „ICOS Cities“ entwickeln sie verschiedene Messmethoden und Modelle, die sie miteinander vergleichen. Ihr Ziel ist es, ein „Kochbuch“ für Zürich und andere Städte zu erstellen, das unterschiedliche Ansätze zur Überwachung von CO₂-Emissionen bietet. Das Projekt läuft noch bis 2025. Danach können die Städte selbst entscheiden, wie sie die «Rezepte» aus dem Projekt nutzen.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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