In Japan wird Stromsparen zu einer Leidenschaft
Seit der schweren Naturkatastrophe und dem nachfolgenden Nuklearunfall im März 2011 ist Stromsparen in Japan zu einer Art Volkssport geworden.
Energieeinsparen war in Japan vor der Katastrophe eigentlich kein Thema. Inzwischen aber versuchen immer mehr Japaner auf privater Ebene einen Beitrag zur Lösung der nationalen Krise zu leisten. Die japanische Hausfrau Kayoko Lai entschloss sich vor einigen Wochen zu dem drastischen Schritt, ihre schöne neue Waschmaschine seltener zu benutzten und stattdessen ihre Blusen und T-Shirts mit der Hand zu waschen. Ihre elektrische Zahnbürste hat sie ebenfalls verbannt und den Kaffee brüht sie nun mit der Hand, nicht mehr mir ihrer edlen Espresso-Maschine.
Sie entschloss sich dazu, weil in jüngerer Zeit häufiger die automatisierte Stimme aus ihrem Sicherungskasten ertönte und warnte, dass sich ihr Stromverbrauch der höchst zulässigen Ampere-Zahl nähere. In den meisten japanischen Haushalten haben die zuständigen Stromversorger einen Sicherungskasten mit 30 A oder 40 A installiert.
Japan: Selbsthilfegruppen empfehlen, den Besen hervorzuholen, statt den Staubsauger zu benutzen
Kayoko gehört zu einer wachsenden Zahl von Japanern, die ihre Abhängigkeit vom Stromnetz drastisch verringern wollen. Seit der Katastrophe im vergangenen Jahr ist die Zahl der Haushalte in Japan, die ihre Stromkästen für solche mit geringerer Ampere-Zahl – beispielsweise nur 20 A – austauschen wollten, um die Hälfte gestiegen. Das ging so weit, dass der Versorger Tokyo Electric Power Co. (Tepco) zeitweise sogar einen Engpass bei der Lieferung der Geräte erlebte.
Selbsthilfegruppen, die sich inzwischen überall im Land auftun, empfehlen zum Beispiel den obligatorischen Elektroreiskocher einzumotten und den Reis im Tontopf zu dünsten oder den Besen hervorzuholen, statt den Staubsauger zu benutzen.
Die Tageszeitungen des Landes geben immer häufiger Tipps zum Stromsparen. Nicht wenige Japaner reagieren auf derartige Empfehlungen und einige ganz Überzeugte kehren nach Aussagen von Experten sogar zu einem Lebensstil von vor 40 Jahren zurück.
Seit 2007 gibt es in Japan eine Bewegung namens „Ampere Down“. Eine Gruppe mit dem Namen „Sloth Club“ stellt sich seit Jahren gegen den energiehungrigen Lebensstil des modernen Japans und setzt sich dagegen für eine energiebewusstere Lebensweise ein. Seit dem Frühjahr vergangenen Jahres gewinnt diese Gruppe immer mehr Anhänger. In der Präfektur Fukui erhält die „Ampere Down“-Gruppe auch finanzielle Unterstützung vom japanischen Umweltministerium.
Auch Japans Unternehmen konzentrieren sich zunehmend auf das Thema Energieeffizienz
Unterdessen konzentrieren sich Japans Unternehmen zunehmend auf die Entwicklung von Geräten und Prozessen zur Erhöhung der Energieeffizienz. So hat sich der japanische Elektrokonzern Panasonic offiziell auf die Fahnen geschrieben, zum „grünsten“ Technologiekonzern der Welt zu avancieren. Er will 50 km westlich von Tokio in Fujisawa die erste kommerzielle „nachhaltige, intelligente“ Stadt bauen.
Der Bau der ersten Smart City Japans in Fujisawa soll im nächsten Jahr beginnen 1000 klimafreundliche und elektronisch voll vernetzte Eigenheime für zunächst rund 3000 Bewohner. Den Strom aus den Solaranlagen auf jedem Hausdach sollen die Haushalte in Lithium-Ionen-Batterien speichern, selbst nutzen oder an den Stromversorger verkaufen können. Zusätzlich dazu sollen Brennstoffzellen Warmwasser liefern. Alle elektrischen Geräte sollen über eine kleine Schaltzentrale vernetzt werden. Infrarot- und Bewegungssensoren sollen Helligkeit und Temperatur der Räume regeln.
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