Industrie. Mit mehr Effizienz zu mehr Klimaschutz
Welche Rolle spielt der Industriesektor bei der Treibhausgasneutralität? Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts, verdeutlicht Chancen und Herausforderungen eines Schlüsselsektors für den globalen Klimaschutz.
Die energieintensiven Industrien als Hauptverursacher für Treibhausgasemissionen haben auch viel Potenzial zur Treibhausgasminderung, verdeutlichte Manfred Fischedick vergangenen Donnerstag bei einem Vortrag im Rahmen einer Ringvorlesung zum Thema Klimaschutz an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Um dieses Potenzial effektiv nutzen und nationale Klimaschutzziele erreichen zu können, sei es notwendig, alle Optionen zu ergreifen, so der Ingenieur und Experte für Energiesysteme.
Industriesektor als einer der Hauptverursacher des Klimawandels
Die direkten Treibhausgasemissionen des Industriesektors betragen weltweit etwa 21 % und dazu kämen noch indirekte Emissionen mit etwa 11 %. Somit sei der Industriesektor für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Innerhalb der Industrien seien die Stahl-, Chemie- und Zementbranche verantwortlich für etwa die Hälfte der Treibhausgasemissionen des Sektors, verdeutlichte Fischedick. Neben den Industrien nannte Fischedick die Landwirtschaft und den Energiesektor als weitere Hauptverursacher für Treibhausgasemissionen.
Effizientere Produktion
Durch Eingriffe in die Wertschöpfungskette gäbe es Optionen für eine effizientere Nutzung von Energie, Material und der Produkte, so dass weniger verbraucht und weniger produziert werden muss. Aber auch das habe seine Grenzen.
Fischedick schätzt, dass auf Energieeffizienz optimierte Prozesse bis zu einem Viertel der prozessbedingten Treibhausgase einsparen könnten. Für Fischedick ist es zum Beispiel eine mögliche Sprunginnovation der Stahlindustrie, den Koks in den Hochöfen durch Wasserstoff zu ersetzen. Für eine Verbesserung der Emissionseffizienz sieht Fischedick die Notwendigkeit den Energieträger Braunkohle zu ersetzen – beispielsweise durch Erdgas, das etwa 50 % weniger CO2 emittiert.
Effizienz beim Materialverbrauch durch Kreislaufwirtschaft
Zur Steigerung der Materialeffizienz sieht Fischedick in der Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Bestandteil effizienter Prozesse. Ein ambitioniertes Beispiel aus der Industrie sei das Carbon2Chem-Projekt von Thyssenkrupp Steel, bei dem Restgase aus Stahlhütten weitere Verwendung in Produktionsprozessen der Chemiebranche fänden.
Im Zuge dieser Option erwähnte Fischedick auch die Debatte um die „Carbon Capture & Storage“-Technologie (CCS), wobei er betonte, dass in diesem Kontext Carbon Capture & Utilization (CCU) ein sinnvollerer Ansatz sei.
Zudem verwies er auf die Rolle des Industriedesigns, um Produkte langlebiger zu gestalten. Auch die Nutzungsintensität von Produkten müsse intensiviert werden. Ein Beispiel dafür sei derzeit das Carsharing, wie Fichedick sagte.
Neben der Produktion von Gütern würden auch nachhaltige Konsummuster beim Verbrauch industrieller Güter eine Rolle spielen. „Schließlich produziert die Industrie nicht aus Spaß, sondern weil die Produkte eine gewisse Nachfrage haben“, sagte Fischedick.
Das 2030er-Klimaziel der Bundesregierung
Das ursprüngliche Klimaschutzziel früherer Bundesregierungen – bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu senken – sei nicht mehr zu erreichen, da ist sich der Energieexperte des Wuppertal Instituts sicher. Die aktuelle Bundesregierung hat diese Zielmarke auch fallen gelassen. In Deutschland habe man es aktuell auf 28 % geschafft, was durchaus positiv, allerdings nicht ausreichend sei. Es ginge jetzt darum sich mit dem Verfehlen dieses Ziels auseinanderzusetzen und zu versuchen die Differenz so gering wie möglich zu halten. Aktuell sei eine Differenz von 8 % bis 9 % möglich.
Mit dem 2030-Ziel im Koalitionsvertrag hat sich die große Koalition verpflichtet bis 2030 die Emissionsminderungen auf 55 % zu steigern. Gegenüber den vergangenen 27 Jahren würde das eine Verdopplung der Minderungsleistung und eine Vervierfachung der Minderungsgeschwindigkeit bedeuten. „Das zeigt, welches Ambitionsniveu dahintersteckt“, sagte Fischedick. Als Gründe für die Verfehlung dieses nationalen Klimaschutzziels nennt Fischedick den EU-Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten, der unter einem zu niedrigen CO2-Preis leidet, und die deutsche Braunkohleverstromung.
Umsetzung der Effizienzziele zum Klimaschutz weiter unklar
Derzeit sei es aber so, dass viele der Technologien und Konzepte zur Effizienzsteigerung noch in der Entwicklungsphase seien. Für die Marktreife seien weitere Forschung und große Investitionen nötig, bei denen auch die öffentliche Hand eine tragende Rolle spielen müsse. Dazu verwies Fischedick auf die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, die sogenannte Kohlekommission, deren Mitglieder noch nicht feststünden. Zielsetzung der Kommission sei es aber einen Ausstiegsfahrplan aus der Braunkohleverstromung zu finden.
Fischedick betonte, dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr keinesfalls untätig gewesen sei und verwies auf die erstmals definierten und im Klimaschutzgesetz festgehaltenen sektorspezifischen Klimaschutzziele. Das würde vor allem ermöglichen, Emissionen eindeutig den Verursachern zuzuordnen.
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen einer Kooperation zwischen den VDI nachrichten und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die sich in einer Ringvorlesung dem Thema „Technik und Umweltethik“ widmet. Schwerpunkt ist das Spannungsfeld von CO2-Entzug, Climate Engineering und Negativemissionen. Darin erschienen folgende Beiträge:
Technik kann Klimawandel nicht stoppen
Agroforsten und Humusaufbau für Klimaschutz langfristig unverzichtbar
Reboundeffekt stoppt geringere Emissionen von Treibhausgasen
„Die Zukunft wird überraschend anders sein“
Power to Gas – Schlüsseltechnologie für die Energiewende
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