Wie Nebelfänger Wasser in die Wüste bringen sollen
Wir stellen zwei Projekte vor, bei dem Nebel zur Gewinnung von Trinkwasser genutzt wird. Sie könnten in Gegenden mit Trinkwasserknappheit für neue Perspektiven sorgen.

In manchen Regionen, wie hier in Bolivien, gibt es viel Nebel, aber wenig Wasser. Mit einem neuartigen Nebelfänger lässt sich sauberes Trinkwasser gewinnen.
Foto: Panthermedia.net/StreetFlash
In einer Welt, in der sauberes Trinkwasser zunehmend zur knappen Ressource wird, rücken unkonventionelle Lösungen immer stärker in den Fokus. Besonders in Regionen, in denen Regen selten ist und traditionelle Wasserversorgung an ihre Grenzen stößt, eröffnet eine natürliche, oft unterschätzte Ressource neue Perspektiven: Nebel. Durch innovative Technologien lässt sich aus feinen Wassertröpfchen in der Luft eine lebenswichtige Ressource gewinnen – effizient, nachhaltig und oft ohne zusätzlichen Energiebedarf.
Zwei wegweisende Projekte zeigen, wie viel Potenzial in der Nebelernte steckt. In der extrem trockenen Atacama-Wüste in Chile erforscht ein internationales Team, wie Nebelkollektoren den Zugang zu Wasser für entlegene Gemeinden verbessern können. Gleichzeitig entwickelt die ETH Zürich eine Technologie, die nicht nur Nebelwasser sammelt, sondern es auch von Schadstoffen reinigt – eine Lösung, die selbst in stark verschmutzten Ballungszentren sauberes Trinkwasser liefern könnte.
Inhaltsverzeichnis
Projekt in der Atacama-Wüste
Die Atacama-Wüste im Norden Chiles gilt als eine der trockensten Gegenden weltweit. Der jährliche Niederschlag liegt bei weniger als einem Liter pro Quadratmeter. Städte in dieser Region greifen daher häufig auf fossiles Grundwasser zurück, das aus Regenfällen stammt, die bereits vor 10.000 bis 17.000 Jahren niedergegangen sind. Diese Wasserquelle ist jedoch endlich – und die steigende Bevölkerungszahl verschärft die Situation weiter.
Ein internationales Forschungsteam aus Chile und Belgien hat untersucht, ob sogenannte Nebelkollektoren eine praktikable Lösung zur Wasserversorgung bieten können. Dieses Verfahren, auch Nebelernte genannt, nutzt spezielle Konstruktionen, um Feuchtigkeit aus der Luft zu sammeln. Die Technik ist simpel: Ein Netz wird zwischen zwei Pfosten gespannt. Die winzigen Wassertröpfchen aus dem Nebel bleiben am Netz haften, sammeln sich, fließen in eine Rinne und werden schließlich in einem Behälter aufgefangen – ganz ohne den Einsatz externer Energie.
Erste Tests in Alto Hospicio
Die Forschenden installierten mehrere dieser Kollektoren in und um die Stadt Alto Hospicio, die in der Atacama-Wüste liegt. Hier leben rund 10.000 Menschen, von denen nur etwa 1,6 % Zugang zu einem Wassernetz haben. Die meisten sind auf teure Wasserlieferungen per Lkw angewiesen.
Laut Virginia Carter Gamberini von der Universidad Mayor in Chile bietet „das Sammeln von Wasser aus unkonventionellen Quellen wie Nebel eine wertvolle Möglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität“. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in einem Gebiet von 100 Quadratkilometern täglich zwischen 0,2 und 5 Liter Wasser pro Quadratmeter gesammelt werden könnten – insbesondere in höher gelegenen Regionen. In den Monaten August und September erreichte das Sammelpotenzial sogar bis zu 10 Liter pro Quadratmeter täglich.
Die Nebelernte hat Potenzial, aber auch Grenzen
Berechnungen des Forschungsteams ergaben, dass bei einer durchschnittlichen Sammelrate von 2,5 Litern pro Quadratmeter eine Netzfläche von 17.000 Quadratmetern benötigt wird, um wöchentlich rund 300.000 Liter Wasser bereitzustellen – genug, um die grundlegende Wasserversorgung der städtischen Slums von Alto Hospicio zu sichern. Für die Bewässerung von Grünflächen, die jährlich etwa 100.000 Liter Wasser benötigen, würden sogar 110 Quadratmeter Netzfläche genügen.
Doch die Forschenden betonen, dass die Nebelernte allein nicht ausreicht, um die Wasserknappheit umfassend zu lösen. Nathalie Verbrugghe von der Freien Universität Brüssel erklärt: „Diese Methode muss in eine breitere Wasserstrategie integriert werden, um nachhaltig Wirkung zu zeigen.“ Die geografischen Gegebenheiten spielen dabei eine zentrale Rolle: Hohe Nebeldichte, geeignete Windmuster und strategisch platzierte Erhebungen sind entscheidend für den Erfolg dieser Technologie. (mit dpa)
Projekt der ETH Zürich
Sauberes Trinkwasser ist in vielen Ländern und Regionen der Erde ein knappes Gut und nur schwer zu beschaffen. Seit vielen Jahren wird es in nebelreichen Regionen mit Hilfe von Nebelfängern gewonnen. Das so gewonnene Wasser ist jedoch häufig durch Luftverschmutzung verunreinigt, und zwar gerade in der Nähe von Großstädten, wo der Wasserbedarf besonders hoch ist. Dann ist eine zusätzliche Wasseraufbereitung notwendig, um Trinkwasser zu erhalten. Im Jahr 2023 hat die Eidgenössische Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) eine Neuentwicklung vorgestellt, die dies überflüssig machen könnte. Mit einem speziell beschichteten Metallgewebe filtern die Forschenden Schadstoffe direkt aus dem Wasser.
Luftverschmutzung als Herausforderung
In Ländern wie Peru, Bolivien und Chile, aber auch in Marokko und im Oman haben die Menschen bereits vor Jahren eine innovative Methode zur Wassergewinnung entwickelt, die besonders in abgelegenen und nebelreichen Regionen zum Einsatz kommt. Sie stellen Netze auf, sogenannte Nebelfänger, die so konstruiert sind, dass sich Nebeltröpfchen an ihnen ablagern. Diese Tröpfchen rinnen an den Maschen der Netze herunter und werden in Behältern aufgefangen. Mit einem nur wenige Quadratmeter großen Nebelkollektor können so an einem Tag bis zu mehrere hundert Liter Wasser gesammelt werden. Dieses Wasser kann zum Trinken, Kochen und Waschen verwendet werden – ein wahrer Segen in Gegenden, in denen es zwar häufig nebelt, aber kaum Quell- oder Regenwasser gibt.
Diese Methode der Wassergewinnung birgt jedoch auch ein Problem: die Luftverschmutzung. Schadstoffe aus der Luft können sich in den Nebeltröpfchen anreichern. In vielen Großstädten der Welt ist die Luftqualität so schlecht, dass das auf diese Weise gewonnene Wasser ohne Aufbereitung nicht sauber genug wäre, um es zum Trinken oder Kochen zu verwenden. Daher ist in solchen Gebieten eine zusätzliche Aufbereitung des Wassers notwendig, um es sicher nutzen zu können. Hier kommt jetzt die Forschung der ETH Zürich ins Spiel.
Metallgeflecht sammelt den Nebel und reinigt ihn zugleich
Wie bereits angedeutet, haben Forschende der ETH Zürich eine innovative Methode entwickelt, um Nebelwasser nicht nur zu sammeln, sondern auch zu reinigen. Dazu verwenden sie ein engmaschiges Drahtgeflecht, das sie mit einer Mischung aus Polymeren und Titandioxid beschichten. Die verwendeten Polymere sind so ausgewählt, dass sich die Wassertropfen optimal auf dem Geflecht ablagern. So können sie schnell in einen Auffangbehälter abfließen, ohne vom Wind weggeweht zu werden. Das Titandioxid in der Beschichtung wirkt als chemischer Katalysator: Es spaltet viele der in den Tropfen enthaltenen organischen Schadstoffmoleküle und neutralisiert sie so.
„Indem wir das Nebelsammeln mit der Wasseraufbereitung kombinieren, kann es auch in Regionen mit Luftverschmutzung genutzt werden, zum Beispiel in dicht besiedelten Ballungszentren“, berichtet Ritwick Gosh. Ghosh, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, leitete das Forschungsprojekt während eines längeren Gastaufenthalts an der ETH Zürich. Dort arbeitete er in der Forschungsgruppe von Thomas Schutzius, der inzwischen eine Professur an der University of California in Berkeley angenommen hat.
Einmal installiert, ist der neue Nebelfänger recht genügsam
Nach der Installation erweist sich die vom Schweizer Forschungsteam entwickelte Technologie als bemerkenswert wartungsarm und energieeffizient. Außer Sonnenlicht benötigt sie keine weitere Energiequelle. Das in der Beschichtung verwendete Titandioxid muss zwar regelmäßig UV-Licht von der Sonne absorbieren, um sich zu regenerieren, aber der Katalysator ist in dieser Hinsicht sehr genügsam: Eine halbe Stunde Sonnenlicht reicht aus, um ihn 24 Stunden lang aktiv zu halten. Diese Eigenschaft des Titandioxids wird als „photokatalytisches Gedächtnis“ bezeichnet. Wird das Material mit UV-Licht aktiviert, bleibt es auch im Dunkeln über längere Zeit katalytisch aktiv. Das ist besonders in Regionen von Vorteil, in denen es häufig neblig ist und die Sonne deshalb nur kurz scheint.
Die Forschenden haben den Nebelfänger sowohl im Labor als auch in einer kleinen Pilotanlage in Zürich ausgiebig getestet. Mit ihrer Anlage konnten sie acht Prozent des künstlich erzeugten Nebels einfangen und 94 Prozent der organischen Verbindungen abbauen, die dem Nebel zu Testzwecken beigemischt worden waren. Zu den getesteten Schadstoffen gehörten unter anderem feinste Dieseltröpfchen und die hormonaktive Chemikalie Bisphenol A.
Technologie lässt sich auch bei Kühltürmen nutzen
Mit der neu entwickelten Technologie lässt sich nicht nur sauberes Trinkwasser aus dem Nebel gewinnen, wie die Forschenden in einer Pressemitteilung erläutern. Sie kann demnach auch dazu verwendet werden, um Wasser aus Kühltürmen zurückzugewinnen: „In den Kühltürmen entweicht Dampf in die Atmosphäre. In den USA, wo ich lebe, verbrauchen wir viel Frischwasser für die Kühlung von Kraftwerken“, sagt Schutzius. „Es wäre sinnvoll, einen Teil dieses Wassers aufzufangen, bevor es entweicht, und sicherzustellen, dass es schadstofffrei ist, falls man es wieder in die Umwelt zurückführen möchte.“
Ritwick Ghosh, der in seiner früheren Forschung intensiv die Wassergewinnung aus Kühltürmen untersucht hat, plant nun, diese Technologie weiterzuentwickeln und nach marktfähigen Anwendungen zu suchen. Sein Ziel ist es, Nebel und Dampf als bisher wenig genutzte Wasserquellen stärker auszuschöpfen. Dadurch möchte er einen wichtigen Beitrag zur Lösung des globalen Problems der Wasserknappheit leisten.
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