Jeder Bundesbürger schmilzt jährlich 35 Quadratmeter Meereis
Jede Tonne Kohlendioxid, die in die Erdatmosphäre gelangt, lässt in der Arktis drei Quadratmeter sommerliches Meereis schmelzen. Diesen erstaunlich einfachen und linearen Zusammenhang haben Forscher jetzt ermittelt. Sie stützen ihre Erkenntnis aus direkten Beobachtungsdaten über mehrere Jahrzehnte.
Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und Julienne Stroeve vom US-National Snow and Ice Data Center in Boulder haben die Menge des arktischen Meereises, die seit Anfang der 1950er-Jahre systematisch erfasst wird, mit dem weltweiten Ausstoß von Kohlendioxid seit Beginn der Industrialisierung abgeglichen. Zwar gibt es in einzelnen Jahren Schwankungen, aber über die Jahrzehnte hinweg fanden die Forscher einen eindeutigen linearen Zusammenhang – der aufhorchen lässt: „Bisher ging man von einem Rückgang des sommerlichen Meereises um 1,7 oder 1,8 Quadratmeter pro Tonne CO2 aus“, sagt Dirk Notz. „Unser Wert von drei Quadratmetern liegt deutlich darüber.“
Wie die Wissenschaftler zu diesem Schluss kommen? Notz: „Vereinfacht ausgedrückt, erwärmt sich pro Tonne Kohlendioxid das globale Klima um ein kleines bisschen. Um diese Erwärmung auszugleichen, bewegt sich der Eisrand des Arktischen Packeises ein kleines Stück in Richtung Nordpol, weil dort die Sonneneinstrahlung schwächer wird. Hierdurch nimmt dann die Eisfläche dementsprechend ab. Aus geometrischen Gründen ergeben diese Prozesse den beobachteten, linearen Zusammenhang.“
„Bisher hat sich der Klimawandel immer irgendwie abstrakt angefühlt“
Zudem bilde der Zusammenhang die Wirklichkeit ab, da er auf den direkten Beobachtungen aus mehreren Jahrzehnten beruht. „Bisher hat sich der Klimawandel immer irgendwie abstrakt angefühlt“, ergänzt Ko-Autorin Julienne Stroeve. „Unsere Ergebnisse stellen dieses Gefühl fundamental infrage. Wir können jetzt zum Beispiel direkt ausrechnen, dass die Kohlendioxid-Emissionen auf einem Hin- und Rückflug von Frankfurt nach San Francisco pro Sitz etwa fünf Quadratmeter Meereis in der Arktis abschmelzen lassen.“
Jeder Bundesbürger schmilzt jährlich 35 m2 Meereis
Und da jeder Bürger in Deutschland laut Umweltbundesamt einen jährlichen Treibhausgas-Ausstoß verursacht, der dem Effekt von 11,91 t Kohlendioxid entspricht, lässt sich auch hier ein persönlicher Wert errechnen: Legt man die neue Studie zugrunde, ist jeder Bürger hierzulande dafür verantwortlich, dass in der Arktis Jahr um Jahr gut 35 m2 Meereis verschwinden.
Nachdem sich in den letzten 40 Jahren die Fläche des sommerlichen Meereises in der Arktis halbiert hat, sind global betrachtet nur noch 1.000 Gigatonnen Kohlendioxid in der Erdatmosphäre zusätzlich nötig, um das arktische Meereis im September vollständig abzutauen. „Angesichts der gegenwärtigen Emissionen von rund 35 Gigtaonnen CO2 pro Jahr wird diese Schwelle noch vor Mitte dieses Jahrhunderts erreicht werden“, warnen Notz und Stroeve.
Übereinkommen von Paris reicht nicht aus
Das auf dem UN-Klimagipfel in Paris vom vergangenen Dezember groß gefeierte Klimaschutzabkommen, die globale Erwärmung auf weniger als 2 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, dürfte an diesem Szenario einer eisfreien Arktis kaum etwas verändern. Denn dieses Klimaschutzziel gewährt der Menschheit bis Mitte des Jahrhunderts einen Ausstoß von 1.000 Gigatonnen Kohlendioxid. Eine eisfreie Arktis ist nur dann zu verhindern, wenn es gelingt, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu deckeln.
Übrigens werden alle Flugzeuge, die den Nordatlantik überqueren, künftig 2000 Stunden pro Jahr länger in der Luft sein. Schuld daran ist zunehmender Gegenwind auf den Strecken Richtung Westen, also Richtung Nordamerika. Grund: Der Jetstream, der in zehn bis zwölf Kilometern Höhe von Westen Richtung Osten bläst, beschleunigt sich durch den Klimawandel von heute durchschnittlich 77 auf 89 km/h. Das jedenfalls hat der Klimaforscher Paul Williams von der University of Reading in Großbritannien berechnet. Unseren Artikel darüber finden Sie hier.
Was Klimaforscher besorgt, öffnet für den Schiffsverkehr neue Wege: Die Nordwestpassage wird zunehmend befahrbar. Das Problem: Es gibt derzeit keine zuverlässige Navigation. Das will ein deutsch-kanadisches Forscherteam ändern. Wie? Das erfahren Sie auf dieser Seite.
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