Kalkalgen passen sich der Versauerung der Meere an
Die Ozeane versauern aufgrund des vom Menschen verursachten Eintrags an Kohlendioxid immer mehr. Das stellt vor allem für Mikroorganismen wie Kalkalgen eine Bedrohung dar. Forscher konnten jetzt zeigen, dass diese recht gut mit dieser Bedrohung zurechtkommen. Anders manche Seesterne: Diese verlieren ihren Appetit und wachsen kaum noch.
Emiliania huxleyi, die wichtigste der einzelligen Kalkalgen, kann gleichzeitig der Ozeanversauerung und der steigenden Wassertemperatur trotzen. Diesen überraschenden Befund präsentieren jetzt Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Thünen-Instituts für Seefischerei in einem bislang einmaligen Evolutionsexperiment. „Auch wenn das Experiment unter Laborbedingungen durchgeführt wurde, zeigt es deutlich, welch großes Anpassungspotential in Emiliania huxleyi steckt“ erklärt Lothar Schlüter, Erstautor der Studie, die jetzt im Fachmagazin Nature Climate Change präsentiert wurde.
Aufwendiges Evolutionsexperiment mit Kalkalgen
Eine einzige Zelle der Kalkalge aus dem Raunefjord in Norwegen diente den Forschern als Grundlage für das Evolutionsexperiment. Emiliania huxleyi teilt sich im Labor etwa einmal am Tag. So konnten aus der Ur-Zelle schnell viele genetisch zunächst identische Kulturen gewonnen werden.
Diese konfrontieren die Wissenschaftler in jeweils fünf Kulturen unter Kontrollbedingungen bei einer Wassertemperatur von 15 Grad Celsius und einer erhöhten Wassertemperatur von 26 Grad Celsius mit drei unterschiedlichen Konzentrationen an Kohlendioxid im Wasser. Einmal mit den heutigen Verhältnissen im Ozean. Daneben mit den Bedingungen, die nach den kritischsten Berechnungen des Weltklimarates gegen Ende dieses Jahrhunderts erreicht werden könnten und dem höchstmöglichen Grad an Versauerung.
Auswertung nach 460 Algen-Generationen
Nach einem Jahr und etwa 460 Algen-Generationen später prüften die Forscher, wie die verschiedenen Gruppen innerhalb eines Zeitraumes von fünf Tagen auf die hohe Temperatur reagierten. Vollkommen unabhängig vom Kohlendioxid-Gehalt wuchsen die an das warme Wasser angepassten Kalkalgen im warmen Wasser deutlich schneller als die unter Kontrollbedingungen lebenden. Teilweise produzierten die angepassten Kulturen sogar mehr neue Biomasse und etwa doppelt so viele Kalkplättchen als die Kontrollgruppe.
Kalkalge zieht sogar Vorteile aus den zukünftigen Lebensbedingungen
Völlig überraschend war für die Forscher das Ergebnis eines Teilexperimentes: Gerade die Kulturen, die ein komplettes Jahr bei der hohen Temperatur und gleichzeitig dem höchsten Gehalt an Kohlendioxid existierten, konnten sich am schnellsten auf die erneut höheren Temperaturen einstellen. „Über mehrere hundert Generationen hinweg haben sich offenbar jene neuen Mutationen durchgesetzt, welche gleichzeitig Vorteile unter Ozeanversauerung und Erwärmung vermittelt haben“, vermutet Schlüter.
Die offenbar ziemlich anpassungsfähige Kalkalge Emiliania huxleyi spielt mit ihren Artgenossen eine wichtige Rolle für den Transport von Kohlenstoff in den tiefen Ozean und damit für die Bedeutung der Meere als klimaregulierende Kohlenstoff-Senke. „Die Funktion des Ozeans als Kohlenstoff-Senke, welche die Folgen des Klimawandels abmildert, würde somit erhalten bleiben“, folgert Prof. Dr. Thorsten Reusch, der das Feld der Evolutionsökologie am GEOMAR leitet.
Seesterne verlieren den Hunger und wachsen langsamer
Jeder Jeck ist bekanntlich anders. So reagierten junge Seesterne der Gattung Asterias rubens aus der Ostsee mit beachtlicher Appetitlosigkeit und wuchsen langsamer, wenn sie im sauren Wasser aufwachsen mussten. „Diesen Effekt haben wir bei erwachsenen Seesternen erst bei einem deutlich erhöhten Kohlendioxid-Gehalt im Wasser beobachtet“, erklärt Dr. Jörn Thomsen, einer der beiden Erstautoren der Langzeitstudie, die jetzt in der Fachzeitschrift Marine Ecology Progress erschienen sind.
Auch nach einer langen Akklimatisierungszeit gelang es Asterias rubens nicht, sich an die versauerten Bedingungen anzupassen. In einem Experiment im echten Ozean untersuchen Forscher vom GEOMAR derzeit vor der Küste von Gran Canaria den Einfluss des vermehrten Eintrags von Kohlendioxid auf die im Meer lebenden Tiere.
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