Kläranlage produziert Strom für 7000 Haushalte
Ist das noch eine Kläranlage oder schon ein Kraftwerk? Ein Naherholungsgebiet mit Wasserflächen oder ein Tierpark? Braunschweig leistet sich eine Abwasseraufbereitung, die in Deutschland ihres gleichen sucht. Da wird nicht nur Wasser gereinigt, sondern Dünger, Gas und Strom produziert. Und es gibt ideale Lebensbedingung für seltene Tiere.
Es nennt sich Braunschweiger Modell, was der Abwasserverband Braunschweig in die Tat umgesetzt hat – und es ist bundesweit einzigartig. Die Idee: Aus Abwasser lässt sich weit mehr machen, als geklärtes Wasser und Klärschlamm. Beides lässt sich nutzen, um Dünger herzustellen, Felder zu bewässern, Strom und Gas zu produzieren. Jetzt hat das Klärwerk Steinhof auch noch eine neue Zentrifuge installiert, die die Gasproduktion noch einmal verbessert. Ein Leuchtturmprojekt, das das Bundesumweltministerium mit knapp 2 Millionen Euro fördert.
Pro Sekunde werden 700 Liter Abwasser verarbeitet
Wer über die Kläranlage von Braunschweig fliegt, der fühlt sich eher an eine Seenlandschaft erinnert, in der sich viele seltene Tiere wohlfühlen. Dabei bilden Landschaft, Wasserflächen, Felder, die Klärbecken, die Gasanlagen und das Kraftwerk eine Einheit, die dafür sorgt, dass täglich 24.000 Kubikmeter Biogas und 50.000 Kilowattstunden Strom erzeugt werden. Ausgangsstoff ist das Abwasser.
Täglich verbraucht jeder der 290.000 Bürger der Region Braunschweig rund 122 Liter Wasser. Macht 700 Liter Abwasser in der Sekunde. Täglich muss das Klärwerk Steinhof rund 60.000 Kubikmeter Abwasser aufbereiten. Wie in jedem anderen Klärwerk in Deutschland wird das Abwasser in einen mehrstufigen Prozess mechanisch und biologisch gereinigt. Der dabei entstehende Klärschlamm wird als Dünger auf landwirtschaftlich genutzte Flächen verteilt oder verregnet. Auch das gibt es andernorts in Deutschland.
Doch die Braunschweiger haben ein in sich stimmiges System entwickelt, das den Klärschlamm wirklich optimal verwertet. Zum einen haben die Abwasseringenieure die Ausbeute von Faulgas aus dem Klärschlamm erhöht. Zum anderen nutzen sie die Düngekraft des Klärschlamms, um spezielle Sorten Mais und Roggen anzubauen, die sich ideal zu Biogas verarbeiten lassen.
Zentrifugenanlage verbessert Wirkungsgrad
Herzstück des neuen Verfahrens ist eine Zentrifugenanlage, in der ausgefaulter Überschussschlamm auf circa 15 Prozent Trockenrückstand entwässert und direkt thermisch zerlegt wird. Durch diese thermische Zerlegung wird der biologisch abbaubare Anteil des Schlamms erhöht. Durch dieses Verfahren kann gleichzeitig die Menge an Faulgas erhöht werden, die zu entsorgende Schlammmenge sinkt.
Die beim Zentrifugieren anfallende, hoch nährstoffreiche Flüssigkeit, das sogenannte Zentrifugat, wird natürlich auch genutzt. Aus der Flüssigkeit wird wertvoller Dünger gewonnen, nämlich Magnesium-Ammonium-Phosphat und Ammoniumsulfat. Beide sind von hoher Qualität und direkt zum Einsatz als Düngemittel geeignet.
240 Fußballfelder für die Braunschweiger Rieselfelder
Etwa ein Drittel, rund 20.000 Kubikmeter, des gereinigten Abwassers werden täglich in die Braunschweiger Rieselfelder eingeleitet. Diese Rieselfelder mit einer Fläche von 220 Hektar – die Fläche von 240 Fußballfeldern – dienen in erster Linie der Nachreinigung und Speicherung des Abwassers. Über ein neun Kilometer langes Druckrohrnetz wird das Wasser zu den 25 Abgabestellen auf die Rieselfeldflächen geleitet.
Durch die kontinuierliche Bewässerung der Rieselflächen und durch Vernässung von ausgewählten Teilflächen auch in Zeiten geringen Wasseranfalls sind wertvolle Biotope entstanden. Dort sind inzwischen 302 unterschiedliche Vogelarten heimisch. Darunter sind auch zahlreiche Arten der Roten Liste wie Rotmilan, Kiebitz und Wachtelkönig. Für die Brandgans stellen die Braunschweiger Rieselfelder den südlichsten Brutplatz in Niedersachsen dar. Auch Zwergschnepfen und Bekassine finden hier ihr Winterquartier.
Versorgung von 7000 Haushalten mit Strom
Die anderen zwei Drittel des gereinigten Abwassers werden unter Zugabe von nährstoffreichem Klärschlamm auf rund 2.700 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche verregnet. Dies entspricht einer jährlichen Wassermenge von 15 Millionen Kubikmetern. Dort werden jährlich rund 44.000 Tonnen Mais und Roggen angebaut, die auf dem Gelände der Kläranlage zu Biogas weiterverarbeitet wird. Daraus werden rund 19,3 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt. Die gesamte Anlage deckt den Strombedarf von 6000 bis 7000 Haushalten und den Wärmebedarf von 1000 bis 1500 Haushalten.
Eine erstaunliche Leistung für eine Kläranlage.
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