Klimawandel lässt den Golfstrom schwächeln
Der Golfstrom hat großen Einfluss auf das Klima in Nordeuropa. Er bringt warmes Meereswasser aus den Tropen und sorgt so für relativ milde Temperaturen hierzulande. Forscher sehen jetzt allerdings Anzeichen dafür, dass die globale Wärmepumpe schwächelt. Schuld daran soll der Klimawandel sein.
„Wirklichkeitsfremd“ nennt Professor Stefan Rahmstorf den Katastrophenthriller „The Day After Tomorrow“ von Roland Emmerich aus dem Jahre 2004. In diesem Film versiegt in kürzester Zeit der Golfstrom als Wärmepumpe der Welt und es kommt zu einer Eiszeit mit verheerenden Folgen. Der Golfstrom versiegt nicht. Aber: Er schwächelt. Und das hat Rahmstorf, der am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) arbeitet, gemeinsam mit einem Forscherteam ermittelt.
Temperaturen korrelieren mit den Meeresströmungen
„Jetzt haben wir starke Belege dafür gefunden, dass dieses atlantische Förderband sich in den vergangenen hundert Jahren tatsächlich verlangsamt hat, besonders seit 1970“, betont Rahmstorf. Er ist Leitautor einer jetzt im Fachblatt Nature Climate Change veröffentlichten Studie. Schuld am schwächelnden Golfstrom ist laut Rahmstorf und Kollegen der Klimawandel.
Die Wissenschaftler haben die Temperaturen an der Wasseroberfläche im Nordatlantik untersucht. Diese korrelieren sehr stark mit den Meeresströmungen und erlauben somit Rückschlüsse auf deren Stärke. So können die Forscher die heutige Situation ermitteln. Um die Temperatur des Wassers der vergangenen Jahrhunderte zu ermitteln, greifen die Wissenschaftler zurück auf Analysen von Ablagerungen am Meeresboden, Korallen, Baumringen und Eisbohrkernen.
Stärkere Abkühlung des Nordatlantiks als erwartet
So entsteht ein Bild der Strömungen im Nordatlantik, welches weit zurück in die Vergangenheit reicht. Dieses Bild zeigt, dass sich der Golfstrom im Laufe des 20. Jahrhunderts so stark verlangsamt hat wie seit 1000 Jahren nicht. Besonders stark scheint die Abschwächung der Wärmepumpe in den letzten Jahrzehnten gewesen zu sein.
„Verblüffenderweise hat sich trotz fortschreitender globaler Erwärmung ein Teil des nördlichen Atlantiks in den letzten hundert Jahren abgekühlt“, so Rahmstorf. Sein Forscherteam macht das an einer deutlichen Abschwächung der großen Umwälzströmung im Atlantik, der sogenannten Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC), im 20. Jahrhundert fest. Der Golfstrom ist ein Teil davon.
Planetare Wärmepumpe
Der Golfstrom führt warmes Wasser aus den Tropen nach Norden bis nach Europa und sorgt für behagliche Wärme. Das Ganze funktioniert als riesige planetare Wärmepumpe. Im Nordmeer sinkt das inzwischen abgekühlte Wasser in die Tiefe und strömt dort unten zurück nach Süden, wo ein neuer Zyklus beginnt.
Geschmolzenes Grönlandeis gelangt als Süßwasser ins salzhaltige Meer
Rahmstorfs Team hat nun den Klimawandel als Störfaktor für diese Riesen-Wärmepumpe ausgemacht. Durch die Erderwärmung schmilzt immer mehr Eis auf Grönland und gelangt als Süßwasser ins salzhaltige Meer. Dadurch verändert das Meerwasser seine Dichte und das Strömungsverhalten. „Der vom Menschen ausgelöste Masseverlust des grönländischen Eisschilds scheint den Golfstrom zu verlangsamen und dieser Effekt könnte noch zunehmen, wenn die weltweiten Temperaturen weiter ansteigen“, sagt Mitautor Jason Box von der Geologischen Forschungsanstalt für Dänemark und Grönland.
Es droht keine neue Eiszeit
Fakt ist wohl: Eine Verlangsamung der globalen Meeresströmung würde nicht nur die Bedingungen im Wasser, sondern auch das Klima an Land stark beeinflussen. „Das relativ kalte Wasser im Nordatlantik kann bis nach Europa hinein leicht kühlend wirken, am stärksten in Küstennähe“, sagt Rahmstorf. „Einige Studien deuten auch auf einen Zusammenhang zwischen den Wassertemperaturen im Nordatlantik und den Wintertemperaturen in Nordeuropa hin.“ Es droht aber keine neue Eiszeit. Im Gegenteil, die Landmassen werden sich weiter erwärmen, der Katastrophenfilm bleibt „wirklichkeitsfremd“.
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