Quo vadis, Klimaziele? Weltweite CO2– Emissionen steigen weiter an
Dem Klima geht es immer schlechter und die Treibhausgas-Ausstöße sind auf Rekordniveau: Zwei Studien zeigen deutlich, dass es eine alarmierende Diskrepanz zwischen dem gibt, was die Staaten gegen den Klimawandel unternehmen wollen und dem, was wirklich passiert.
Zwischen dem 06. und 18.11.2022 findet in Ägypten die 27. Weltklimakonferenz statt, bei der sich rund 20.000 Teilnehmer aus über 190 Staaten weltweit unter anderem über die vereinbarten Klimaziele austauschen. Das machen sie bereits seit vielen Jahren mit dem Ziel, den Ausstoß der Treibhausgase wie CO2 bis 2050 deutlich zu senken. Nun platzt in diese Gespräche eine Meldung, dass sich die globalen CO2-Emissionen weiterhin auf Rekordniveau befinden. Das wird aus dem Forschungsbericht „Global Carbon Budget 2022“ deutlich, den ein Team um Pierre Friedlingstein von der University of Exeter (Großbritannien) veröffentlich hat. Alarmierend ist zudem ein Bericht der Weltorganisation für Meterologie.
Ist das 1,5-Grad-Ziel in Gefahr?
Im Jahr 2015 haben fast alle Staaten der Erde auf der UN-Klimakonferenz das Übereinkommen von Paris unterzeichnet. Das Ziel: Den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Gerechnet von Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100. Das gelingt jedoch nur, wenn die Menschheit noch lange vor 2030 den CO2-Ausstoß deutlich senkt und ab dem Jahr 2050 netto null Emissionen mehr zu verzeichnen sind. So zumindest sagen es optimistische Prognosen. Andere Modelle sehen sowieso keine Chance mehr, dieses Ziel zu erreichen.
Scheinbar zeigen die Staaten zwar guten Willen, bei der Umsetzung hapert es jedoch gewaltig. Das lassen zumindest die Ergebnisse aus der Studie befürchten. Demnach dürften sich die Gesamtemissionen aus Landnutzung und Verbrennung fossiler Brennstoffe dieses Jahr auf 40,6 Milliarden Tonnen belaufen. Das ist zwar geringfügig weniger als im Rekordjahr 2019 (40,9 Milliarden Tonnen), doch hier spielt auch eine Rolle, dass zum Beispiel China durch seine restriktive Corona-Politik und die Baukrise derzeit weniger CO2 verursacht.
So sehen aktuelle Prognosen aus
Wie sich die Temperaturen in den nächsten Jahren entwickeln könnte, darüber gibt etwa der Climate Action Tracker Auskunft. Demnach würde sich die Erderwärmung auf etwa zwei Grad Celsius begrenzen, wenn alle Staaten ihre Klimaversprechen tatsächlich einhalten. Das liegt zwar über dem eigentlichen Klimaziel von 1,5 Grad Celsius, wäre aber dennoch ein Erfolg. Denn die Wahrheit liegt auf dem Platz, wie die Fußballer sagen würden. Und dort ist von den Versprechungen noch nicht genug zu sehen.
Noch verschieben zu viele Staaten ihr Handeln in die Zukunft. Das führt zu einem zweiten Szenario des Climate Action Trackers: Sollten die Staaten ihre Versprechen bis 2030 einhalten und danach im gleichen Tempo weitermachen, dann würde sich die Erde um 2,4 Grad erwärmen. Doch selbst das wird derzeit nicht erreicht werden, denn was bislang an Klimaschutzpolitik weltweit konkret beschlossen wurde, würde gerade einmal für 2,7 Grad Celsius reichen.
Der Report kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass kein Land auf der Welt genug tut, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Am weitesten sind Länder wie Marokko, Norwegen, Nigeria oder das Vereinigte Königreich, die mit den geplanten Maßnahmen auf eine Klimaerwärmung von 2 Grad Celsius kommen würden. Deutschland, Schweiz, Japan, USA oder Australien kämen demnach auf eine Erwärmung von 3 Grad Celsius. Traurige Schlusslichter sind unter anderem Russland, Türkei oder Iran, die auf Werte von plus 4 Grad Celsius und mehr kommen würden.
Wir verbrennen nach wie vor zu viele fossile Rohstoffe
Wegen der Energiekrise verbrennt die EU weniger Gas und hat vor allem deshalb einen leichten Rückgang bei den Emissionen zu verzeichnen. Dafür steigen sie in den USA (plus 1,6 Prozent) und Indien (plus 6 Prozent) mehr oder weniger stark an im Vergleich zum Vorjahr. Schaut man allein auf den CO2-Ausstoß durch Verbrennung fossiler Rohstoffe, wird 2022 sowieso ein neues Rekordjahr. Den leichte Rückgang im Vergleich zu 2019 haben wir hauptsächlich dem deutlichen Rückgang der Emissionen durch Landnutzung zu verdanken. Dazu gehört zum Beispiel die Abholzung von Wäldern
Die Lage lässt sich somit als zumindest schwierig einschätzen. Zwar passiert viel in Sachen erneuerbarer Energien, immer mehr Elektrofahrzeuge sind im Straßenverkehr zu sehen, der Anteil an Solar- und Windstrom nimmt stetig zu, die Bauindustrie versucht denCO2-Ausstoß zum Beispiel bei der Zementherstellung zu verringern. Doch scheinbar reicht das bei weitem nicht aus.
„Wir sehen einige positive Entwicklungen, aber bei Weitem nicht die tiefgreifenden Maßnahmen, die jetzt eingeleitet sein müssten, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu halten“ wird Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München, Mitautorin des Berichts, in einer Uni-Mitteilung zitiert.
Klimazustandsbericht kommt zu ähnlichen Erkenntnissen
Am ersten Tag die Weltklimakonferenz in Kairo veröffentlicht die Weltorganisation für Meterologie ihren jährlichen Klimazustandsbericht, der ebenfalls zu keinem schönen Ergebnis hinsichtlich des Erreichens der Klimaziele kommt, in dem Bericht heißt es unter anderem:
- Die vergangenen acht Jahre waren bislang die heißesten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen.
- Der weltweite Anstieg des Meeresspiegels war zuletzt doppelt so stark wie zu Beginn der 1990er-Jahre.
- In der Arktis und in höheren nördlichen Breiten der Erde sind die Temperaturen besonders schnell gestiegen.
- In Europa sind die Temperaturen in den vergangenen 30 Jahren durchschnittlich um 0,5 Grad Celsius pro Jahrzehnt gestiegen und somit doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt.
- Im Jahr 2021 hat die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas einen neuen Höchststand erreicht.
- Die Alpen-Gletscher sind so stark wie nie zuvor abgeschmolzen. Zwischen 1997 und 2021 haben sie rund 30 Meter ihrer Stärke verloren.
Die Weltorganisation für Meteorologie kommt auch aufgrund dieser erschreckenden Zahlen zu dem Schluss, dass das Ziel das Pariser Klimaabkommens kaum mehr einzuhalten sei.
Einzelne Maßnahmen reichen nicht: Wir müssen alles tun
Die britische Studie kommt zu einem ähnlich skeptischen Ergebnis, denn wenn die weltweiten menschengemachten CO2-Emissionen bis 2050 auf null sinken sollen, müssten sie jährlich um durchschnittlich 1,4 Milliarden Tonnen gesenkt werden. In Wahrheit steigern wir sie sogar noch. Beim Kampf gegen den Klimawandel geht es laut Jan Christoph Minx vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC) in Berlin nicht mehr um die eine oder die andere Maßnahme: „Wir müssen alles tun!“, sagte er bei einer Pressekonferenz. Es komme auf jedes Zehntelgrad an, das die Erde sich nicht erwärmt, ergänzte Pongratz. (mit dpa)
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