50-Milliarden-Dollar-Frage 06.03.2024, 13:32 Uhr

Können Unterwasservorhänge die Gletscherschmelze stoppen?

Was können wir gegen die Gletscherschmelze unternehmen? Treibhausgase verringern, ist eine Option, die vielleicht schon zu spät kommt. Vorhänge wären eine Möglichkeit, glaubt ein Forscher der Universität Lappland.

Gletscher

Gletscher auf der ganzen Welt schmelzen, ein Forscher glaubt die Gletscherschmelze mit einem Unterwasservorhang abbremsen zu können.

Foto: PantherMedia / johnref

Die Gletscher schmelzen, das ist lange bekannt. Ein Glaziologe und Geo-Engineering-Forscher der Universität Lappland hat nun eine seltsam anmutende Idee: Unterwasservorhänge sollen die Gletscherschmelze stoppen. Kostenpunkt: 50 Milliarden Dollar allein für den Thwaites-Gletscher, der auch als Weltuntergangsgletscher bezeichnet wird. Den Namen hat er nicht umsonst, denn er könnte im Alleingang dafür sorgen, dass zahlreiche Küstenstädte rund um den Erdball Probleme mit Überschwemmungen bekommen.

Jährlich gehen 50 Milliarden Tonnen Eis verloren

Mit einer Breite von 128 Kilometern ist der Thwaites-Gletscher der breiteste Gletscher im westlichen Teil der Antarktis. Schon jetzt trägt Gletscher zu vier Prozent des globalen Meeresspiegelanstiegs bei. Er verliert jährlich etwa 50 Milliarden Tonnen, was seine Stabilität bedroht. Seit dem Jahr 2000 hat Thwaites demnach über 1.000 Milliarden Tonnen Eis verloren. Wie ein Forschungsteam der University of Houston kürzlich herausgefunden hat, setzte der starke Eisverlust bereits in den 1940er Jahren ein.

Damals ausgelöst durch eine El-Niño-Wärmephase, konnte sich der Gletscher seit damals nicht erholen. Der Schneefall reicht nicht aus, um die Eisschmelze aufzuhalten. Das genau müsste jedoch passieren, soll der der Meeresspiegel nicht weiter steigen und für verheerende Überschwemmungen sorgen. Zumal das Problem nicht alleine den Thwaites-Gletscher betrifft, Forschende schätzen, dass bis zum Jahr 2100 die Hälfte aller Gletscher verschwunden sind.

Vorhang soll Gletscherschmelze abbremsen

John Moore, Glaziologe und Geo-Engineering-Forscher an der Universität von Lappland, plant gigantische, 100 Kilometer lange Unterwasser-Vorhänge. Damit soll verhindert werden, dass warmes Meerwasser die Gletscher erreicht und deren Abschmelzen beschleunigt. Für die Umsetzung dieses Vorhabens werden allerdings 50 Milliarden Dollar benötigt.

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Hintergrund: Eine zentrale Ursache für das Abschmelzen der Gletscher ist die Zirkulation von warmem, salzhaltigem Meerwasser in tieferen Ozeanschichten. Diese Strömungen, die zum Beispiel den Thwaites-Gletscher erreichen, führen zum Abschmelzen des dicken Eises, das als Schutzbarriere für den Gletscherrand dient.

Eine Wand gegen die warmen Meeresströmungen

Mit der Erwärmung der Ozeane durch den Klimawandel verstärken sich diese Strömungen und erodieren zunehmend das Schelfeis des Thwaites-Gletschers. Moore und sein Team untersuchen die Möglichkeit, solche Vorhänge am Meeresboden des Amundsen-Schelfeises zu befestigen, um den Schmelzprozess zu verlangsamen.

Theoretisch könnten spezielle Vorhänge den Zufluss warmer Strömungen zum Thwaites-Gletscher blockieren, um das Abschmelzen zu verlangsamen und dem Schelfeis Zeit zur Regeneration zu geben. So glaubt zumindest das Forschungsteam. Diese Idee ist nicht neu. Moore hat bereits 2018 eine ähnliche Methode vorgeschlagen, bei der das warme Wasser durch eine massive Wand aufgehalten werden sollte.

Vorhänge besser als eine massive Wand

Laut Moore stellen Vorhänge eine deutlich sicherere Option dar. Sie verhindern warme Luftströmungen ebenso effizient, bieten jedoch den Vorteil, dass sie bei Bedarf einfacher entfernt werden können. Moore führt weiter aus, dass Vorhänge, falls sie unvorhergesehene negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, leicht demontiert und angepasst werden können. „Man sollte jede Maßnahme rückgängig machen können, falls man seine Meinung ändert“, betont er.

Noch sind Moore und sein Team Jahre von der Anwendung dieser Technologie zur Rettung des Thwaites-Gletschers entfernt. Kleinere Prototypen werden allerdings bereits getestet.

Universität Campbridge entwickelt und erprobt Prototypen

Forschende der Universität Cambridge arbeiten bereits an der Entwicklung und Erprobung eines Prototyps, der sich noch in einem sehr frühen Stadium befindet. Bis zum Sommer 2025, so Moore, könnten sie bereits einen großen Schritt weiter sein. Derzeit testen sie eine etwa 91 Zentimeter lange Version ihrer Technologie in Tanks.

Sollte sich die Technologie als funktionsfähig erweisen, wollen sie weitere Tests im Fluss Cam durchführen. Sie erwägen, die Technologie entweder auf dem Grund des Flusses zu installieren oder sie für Tests hinter einem Boot herzuziehen, erklärt Moore.

In zwei Jahren Tests in einem norwegischen Fjord?

Ziel ist es laut Moore, die Prototypen schrittweise zu vergrößern, bis die Technologie stabil genug für den Einsatz in der Antarktis sei. Innerhalb der nächsten zwei Jahre will das Team 33 Fuß lange Prototypen in einem norwegischen Fjord testen, wenn alles nach Plan läuft.

Moore betont, wie wichtig es ist, mögliche Probleme zu erkennen: „Wir müssen herausfinden, was schief gehen könnte, und wenn es keine Lösung gibt, müssen wir vielleicht aufgeben“. Aber es gibt einen starken Anreiz, die Technologie zum Laufen zu bringen. Je größer die Prototypen werden, desto größer wird auch der Finanzbedarf. Die diesjährigen Experimente kosten etwa 10.000 Dollar, aber für eine sichere Anwendung der Technologie werden etwa 10 Millionen Dollar benötigt.

Im letzten Schritt braucht es schließlich 50 Milliarden Dollar, um die Vorhangsysteme in der Amundsensee zu installieren. Klingt viel, ist viel. Moore rechnet allerdings vor, dass die Kosten für den Schutz der Küsten vor dem Anstieg des Meeresspiegels mindestens genauso viel kosten würde. Städte wie New York könnten sich das leisten, ärmere Städte allerdings nicht – mit allen daraus folgenden Konsequenzen.

Ist Geo-Engineering die Lösung?

Befürworter von Geoengineering-Maßnahmen für Gletscher, wie z.B. Moore, sind überzeugt, dass die Zeit für solche Eingriffe gekommen ist. Währenddessen betonen andere Experten, dass die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen der einzige wirksame Weg ist, um das Abschmelzen der Gletscher zu verlangsamen.

Moore bezweifelt jedoch, dass wir die Emissionen schnell genug und in ausreichendem Maße reduzieren können, um Gletscher wie den Thwaites zu erhalten. Er argumentiert, dass, sobald ein kritischer Punkt überschritten ist, das zukünftige Verhalten des Menschen in Bezug auf Emissionen für den Gletscher keine Rolle mehr spielen wird.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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