Kommt jetzt Tempolimit? Gericht verurteilt Regierung wegen zu wenig Umweltschutz
Deutschland hat ambitionierte Ziele im Klimaschutz formuliert. Jedoch gibt es vor allem im Verkehrssektor und im Gebäudebereich deutliche Umsetzungsdefizite. Ein Gerichtsurteil verpflichtet die Bundesregierung nun zu umgehendem Handeln.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nennt es „Doppel-Wumms für den Klimaschutz und eine Ohrfeige für die Bundesregierung und ihre katastrophale Klimapolitik“. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am 30. November entschieden, dass die Bundesregierung umgehend Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Bereich Verkehr und Gebäude ergreifen muss. Dieses Urteil, das auf Klagen der DUH und des Umweltverbands BUND folgt, wurde von den Klägern begrüßt, die prompte Maßnahmen wie ein Tempolimit fordern. Die Regierung hat jedoch die Möglichkeit, gegen das Urteil in Revision zu gehen und dadurch dessen sofortige Umsetzung zu verzögern. Inzwischen wurde gemeldet, dass die Regierung genau das prüft.
Bundesregierung muss mit zusätzlichen Maßnahmen entgegensteuern
Das Klimaschutzgesetz schreibt jährliche Reduktionsziele für Treibhausgase in verschiedenen Sektoren vor. Nichterreichung dieser Ziele erfordert nach Paragraf 8 ein Sofortprogramm des zuständigen Ministeriums. 2022 wurden die Ziele im Verkehrs- und Gebäudesektor nicht erreicht, was eine komplexe Situation schafft. Dies liegt daran, dass die Regierung bereits Änderungen an den nun gerichtlich überprüften Gesetzesklauseln geplant hat.
Das Gerichtsurteil verlangt nun von der Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen, um die Klimaziele von 2024 bis 2030 zu erreichen. Die Vorsitzende Richterin Ariane Holle betonte, dass die Regierung zwar ihr Klimaschutzprogramm im Oktober 2023 als Antwort auf hohe Emissionswerte erweiterte, dieses aber eher mittel- bis langfristig wirkt. Das geforderte Sofortprogramm ist jedoch ein anderer, dringlicherer Ansatz.
„Bei Sofortprogramm und Klimaschutzprogramm handelt es sich um zwei unterschiedliche Instrumente“, sagte Richterin Holle. Das Sofortprogramm wurde als direkte Antwort auf das Verfehlen festgelegter Ziele initiiert, um die Zielerreichung in den kommenden Jahren zu gewährleisten, erklärte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Zudem verwarf das Gericht das Argument der Bundesregierung, die Klage sei unzulässig.
Klimaziele sollen nicht verändert werden
Die Koalition plant, bestimmte Klauseln zu ändern, die derzeit gerichtlich angefochten werden. Ziel ist es, die Verpflichtung zu sektorspezifischen Jahreszielen aufzuheben. Stattdessen sollen nur noch die Gesamtziele im Klimaschutz verbindlich sein. Diese Änderung ist allerdings noch nicht verabschiedet und wird kontrovers diskutiert.
Die bestehenden Klimaziele bleiben jedoch unverändert: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Im letzten Jahr wurde bereits eine Reduktion um über 40 Prozent erreicht.
„Bahnbrechendes Klima-Urteil“
Die DUH freut sich über das ihrer Meinung „bahnbrechende Klima-Urteil“. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erläutert Geschäftsführer Jürgen Resch: „Wir freuen uns sehr, weil wir lange auf dieses Urteil gewartet haben. Jetzt kommt es genau zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Dubai. Das ist kein Zufall.“ Seiner Meinung nach habe die Bundesregierung attestiert bekommen, dass sie ihre eigenen Klimaziele nicht einhalte.
„Das ist eine ganz eindeutige Aufforderung, jetzt nicht mit weiteren Taschenspielertricks um Maßnahmen herumzukommen“, meinte Resch gegenüber dpa. Jetzt müssten alle Maßnahmen ergriffen werden, die zumutbar seien und nichts kosteten oder sogar Geld einbrächten.
DUH fordert Tempolimit und Sanierung öffentlicher Gebäude
Gegenüber der dpa schlägt ein Tempolimit auf Autobahnen und ein umgehendes Sanierungsprogramm für öffentliche Gebäude wie Schulen oder Kindertagesstätten vor, zusätzlich zum Abbau klimaschädlicher Subventionen. Er glaubt, dass diese Maßnahmen genügend Geld in die öffentlichen Kassen bringen könnten. Resch äußerte auch die Erwartung, dass die Reform des Klimaschutzgesetzes ausbleiben und die Bundesregierung nicht in Revision gehen werde. „Nein, Deutschland muss jetzt ein Zeichen setzen“, betonte der Verbandsvertreter.
Der Anwalt der Kläger, Remo Klinger, erklärte jedoch, dass eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht das Berliner Urteil vorerst aussetzen könnte. „Ich gehe zunächst davon aus, dass die Bundesregierung Revision einlegen wird“, sagte Klinger. Er rechnet jedoch auch vor dem Bundesverwaltungsgericht mit einem Erfolg.
Bundesregierung prüft Revision
Nur wenige Stunden nach dem Urteil meldet die dpa, dass die Bundesregierung eine Revision prüft. Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Robert Habeck (Grüne) teilte auf Anfrage mit: „Das Gericht hat die Revision ausdrücklich zugelassen. Die Bundesregierung wird die Urteile und ihre Begründungen, sobald diese schriftlich vorliegen, im Einzelnen genau auswerten und das weitere Vorgehen prüfen.“ Auch das Bauministerium erklärte: „Wir respektieren selbstverständlich die Urteile des Oberverwaltungsgerichts und werten sie sofort aus, sobald sie vorliegen.“ Das weitere Vorgehen werde geprüft, wenn die Begründung vorliege.
Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium erklärte weiter: „Ganz grundsätzlich gilt: Die Bundesregierung verfolgt eine ambitionierte Klimaschutzpolitik, um die nach dem Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele zu erreichen und die verbleibende Klimaschutzlücke zu schließen. Mit den im Klimaschutzprogramm 2023 enthaltenen Maßnahmen kann die Bundesregierung bis zu 80 Prozent der bestehenden Klimaschutzlücke bis zum Jahr 2030 schließen.“ Die Bundesregierung arbeite daran, diese Lücke zu schließen. „Dafür sind weiter Anstrengungen nötig. Ebenso ist die konsequente Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen wichtig.“
(mit dpa)
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