Korallen verkraften große Temperaturveränderungen besser als erwartet
Vor tausenden Jahren war das Wasser vor Australiens Küste weitaus kälter als heute. Trotzdem wuchsen die Korallen, und sie ließen sich auch von der folgenden Erwärmung nicht stoppen. Das beweisen Bohrkernanalysen aus Bremen.
Die Korallen im Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens sind anpassungsfähiger als vermutet. Wasser, das deutlich kälter war als heute, haben sie problemlos überstanden, auch Temperaturschwankungen von mehreren Grad. Das ist das überraschende Ergebnis einer internationalen Expedition unter Beteiligung des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften (Marum) an der Universität Bremen.
An Bord des Forschungsschiffs Maya untersuchten die Wissenschaftler den Untergrund des 2000 Kilometer langen Riffs. Sie bargen an zwei Stellen Bohrkerne, die sie in Bremen analysierten.
Korallen haben Kaltwasserperiode gut überstanden
„Bislang war relativ wenig darüber bekannt, wie die Meerestemperaturen vor Ost-Australien in diesem Abschnitt der Klimageschichte angestiegen sind“, sagt Expeditionsleiter Dr. Jody Webster von der Universität Sydney. „Heute liegen die jährlichen Durchschnittstemperaturen an unserer nördlichen Lokation bei 26,6 Grad Celsius und bei 26,0 drei Breitengrade weiter südlich.“
Während des Höhepunkts der letzten Kaltzeit lagen die Wassertemperaturen indes einige Grad Celsius niedriger als heute. Besonders überrascht war das Autorenteam aber vom Nord-Süd-Gefälle der Temperaturen im Riff: „An unserer südlichen, äquatorferneren Lokation war das Wasser während der Zeit vor 20.000 bis 13.000 Jahren um durchschnittlich zwei bis drei Grad kühler als weiter nördlich“, berichtet Dr. Helen McGregor, die früher am Marum arbeitete und jetzt an der Australian National University in Canberra forscht. „Heute dagegen beträgt der Temperaturunterschied nur weniger als 0,6 Grad Celsius.“
Überraschend dann die Auswertung der Bohrkerne, die zeigt, wie die Korallen auf die Temperaturunterschiede reagiert haben. Obwohl in der letzten Kaltwasserperiode vor 20.000 bis 13.000 Jahren die Temperatur um einige Grad unter der heutigen Marke von 26 Grad Celsius lag, stellten die Korallen ihr Wachstum nicht ein. Das galt auch, als die Temperatur wieder anstieg.
Das gibt zur Hoffnung Anlass, dass die Kleinlebewesen auch einen künftigen Anstieg der Wassertemperaturen überstehen. Das sei allerdings keineswegs sicher, sagt der Marum-Wissenschaftler Thomas Felis.
Das Alter der Korallen, die in den Bohrkernen sichergestellt wurden, ermittelten die Forscher mit der Uran-Thorium-Methode. Uran ist in gelöster Form fein verteilt in Wasser. Das radioaktive Schwermetall wird von Lebewesen aufgenommen und in deren Kalkgerüst eingelagert. Mit der Zeit zerfällt es unter anderem in Thorium, ein Element, das sich nicht in Wasser löst, also nur als Zerfallsprodukt des Urans im Kalkgerüst entstehen kann. Aus der gefundenen Menge lässt sich der Zeitraum ablesen, der seit der Uraneinlagerung vergangen ist.
Die jeweils zugehörige Temperatur bestimmten die Forscher mit Hilfe des Calzium-Strontium-Verhältnisses, das für jeden Wert typisch ist. Mit dieser Methode lässt sich eine Genauigkeit von 0,5 Grad erreichen.
Das Riff erholt sich nur langsam
Zwischen 1985 und 2012 ist die Hälfte aller Korallen im Riff abgestorben. Bisher machte man dafür die Wassererwärmung als Folge der globalen Klimaveränderungen verantwortlich. Große Teile des Riffs erholten sich allerdings, was ein Zeichen dafür sein könnte, dass Korallen gegenüber Temperaturschwankungen unempfindlicher sind als gedacht. Möglicherweise kommen die Korallen allerdings mit dem Tempo der Erwärmung auf Anhieb nicht klar. Das weltgrößte Korallenriff gehört seit 1981 zum Weltnaturerbe.
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