Künstliche Blitze trennen Bauschutt sauber in Einzelbestandteile
Fraunhofer-Forscher haben eine elektrodynamische Fragmentierungsanlage entwickelt, mit der Verbundstoffe wie Bauschutt und Elektronikschrott sauber voneinander getrennt werden können. Ziel ist ein effektiveres Recycling.
„Wir arbeiten an der Entwicklung von innovativen Recyclingverfahren für Altbeton, faserverstärkte Kunststoffe sowie Müllverbrennungsschlacke. Die Fragmentierungsanlage ist in der Lage verschiedenste Materialien in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen, ohne sie dabei zu zerstören“, erklärt Projektleiter Dr. Volker Thome.
Beton beispielsweise ist der am meisten verwendete Baustoff weltweit. Er besteht aus Zement, Wasser und verschiedenen Gesteinskörnern wie Kies oder Kalksplitt. In der elektrodynamischen Fragmentierungsanlage wird der Altbeton in seine Einzelteile gelegt und es entstehen neue Rohstoffe für die Herstellung von Zement. Allein in den USA, Europa und Japan fallen 900 Millionen Tonnen Bauschutt jährlich an. In Deutschland lag die Abfallmenge im Jahr 2010 bei 130 Millionen Tonnen.
Das soll sich ändern: Dafür lässt Thome derzeit regelmäßig künstliche Blitze in seinem Labor entstehen. Denn dort steht die elektrodynamische Fragmentierungsanlage, die Verbundmaterialien wie Altbeton und Elektroschrott aber auch faserverstärkte Kunststoffe und Müllverbrennungsschlacke sauber in seine Einzelteile zerlegen kann.
Künstliche Blitze erzeugen Druckwellen
Die künstlichen Blitze produziert Thome unter kontrollierten Verhältnissen. Die zu trennenden Teile liegen dabei unter Wasser. So werden die elektrischen Impulse in den Festköper geleitet. Denn Blitze laufen normalerweise lieber durch die Luft oder durch das Wasser, aber nicht durch einen Festkörper. „Alle Nichtleiter besitzen eine elektrische Durchschlagsfestigkeit gegenüber elektrischen Impulsen“, erklärt Thome die Funktionsweise der Anlage. Die elektrische Durchschlagsfestigkeit ist abhängig von der Impulsdauer. Gegenüber Impulsen mit einer Dauer unterhalb von 500 Nanosekunden besitzt Wasser eine höhere elektrische Durchschlagsfestigkeit als die meisten Festkörper. „Wenn der Impuls auf das Gestein, in dem Fall auf den Beton trifft, dann suchen sich die Vorentladungen immer den Weg des geringsten Widerstands – entlang von Korngrenzen“, erklärt der Mineraloge Thome.
Thome vergleicht das Verfahren mit einer Gewitterwolke. Auch dort gehen nicht alle Blitze in Richtung Erde. Vorentladungen schwächen zunächst das Gestein entlang der Phasengrenzen. Dann kommt die erste Vorentladung. Erreicht sie die Erde, kommt es zu einem elektrischen Durchschlag. Es entstehen Druckwellen.
Bereits in den 40er-Jahren hatten russische Wissenschaftler die elektrodynamische Fragmentierung entwickelt. Doch erst kürzlich wurde die Technologie so weiterentwickelt, dass sie in großem Maße im Bergbau eingesetzt werden kann. Dort ist es besonders wichtig, die Einzelteile nicht zu zerstören. Das Gestein muss so getrennt werden, dass die wertvollen Edelsteine unversehrt bleiben.
Selektiv und staubfrei
Das Recyceln von Altbeton erfolgt anders als bisher völlig staubfrei und selektiv. Ob die recycelten Materialien ebenfalls wiederverwertbar sind wollen die Fraunhofer Forscher nun in einem nationalen Projekt herausfinden.
Forscher sehen auch die Möglichkeit, Müllverbrennungsschlacke auf diese Weise wiederaufzuarbeiten. Aufgrund der hohen Menge von weltweit 320 Millionen Tonnen pro Jahr, könnten Deponien entlastet werden und knapp werdende Rohstoffe und Metalle eingespart werden.
Auch karbonfaserverstärkte Kunststoffe lassen sich alternativ nach dem gleichen Prinzip recyceln. Noch werden sie nach der herkömmlichen Methode zermahlen und thermisch behandelt. Dieser Vorgang ist mit sehr viel Aufwand und Energieverbrauch verbunden und führt zur Kontamination des Mahlgutes.
Da ein effizientes Recycling von Verbundwerkstoffen wie Bauschutt, Elektronikschrott oder kohlefaserverstärktem Verbundwerkstoff aufgrund der zunehmenden Ressourcenknappheit immer mehr an Bedeutung gewinnt, verspricht die elektrodynamische Fragmentierung eine effektive Recyclingmethode zu werden. Doch das Verfahren muss zunächst weiterentwickelt werden. Noch befinden sich viele Einzelprozesse im Entwicklungsstadium. Recht unerforscht sind auch noch die chemischen Prozesse, die bei der Einwirkung von Unterwasserentladungen auf Festkörper entstehen können.
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