Kunstschnee in Skigebieten: Wie nachhaltig ist das denn?
Im Zuge des Klimawandels und steigenden Temperaturen verschiebt sich die Schneefallgrenze immer weiter nach oben. Viele Skigebiete können ohne Kunstschnee nicht überleben. Doch wie nachhaltig ist das überhaupt und gibt es Alternativen?
Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass durch die Klimakrise die Hälfte der europäischen Skigebiete wegen Schneemangel schließen müssen. Viele können nur überleben, wenn sie mit Hilfe von Kunstschnee am Leben gehalten werden. Die Produktion von künstlichem Schnee ist allerdings sehr energieintensiv, hinzu kommt ein hoher Wasserverbrauch. Ein Forschungsteam aus Innsbruck hat am Beispiel Kanadas untersucht, welche Umweltauswirkungen künstliche Beschneiung hat und wie sich Kunstschnee auf die Nachhaltigkeit des Skitourismus auswirkt. Zusätzlich schauen wir auf die Situation in den Alpen und insbesondere auch in Deutschland.
Natürlicher Schneefall bleibt immer häufiger aus
Natürlicher Schneefall wird im Winter in unseren Breiten zunehmend seltener. Skigebiete setzen daher verstärkt auf künstliche Beschneiung, um ihre Pisten zu präparieren. Robert Steiger, Geograph und Volkswirt am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck, hat mit kanadischen Kolleginnen und Kollegen analysiert, ob diese Beschneiung angesichts des Ressourcenverbrauchs und der CO2-Emissionen eine unangemessene Reaktion auf den Klimawandel ist.
„Die Nachhaltigkeit des Skitourismus hängt in hohem Maß vom Ressourcenverbrauch und den Emissionen ab“, sagt Robert Steiger. „Wir haben deshalb den Wasser- und Energieverbrauch und die daraus resultierenden CO2-Emmissionen der Skiindustrie in Kanada untersucht. Die Ergebnisse lassen sich auch auf die Situation in Mitteleuropa übertragen.“
Und wieviel Energie ist für das Herstellen von Kunstschnee notwendig? Experten haben ausgerechnet, dass mehrere Schneekanonen für die Beschneiung von allein einem Hektar Piste mindestens 15 Megawattstunden Strom im Jahr benötigen. Ist das Skigebiet zum Beispiel 3000 Hektar groß, wären das mindestens 45.000 Megawattstunden. Mit dieser Energie könnten rund 6.000 Klassenzimmer beheizt werden.
Wie sieht es in deutschen Mittelgebirgen aus?
Sauerland, Schwarzwald oder Harz – in deutschen Mittelgebirgen hat Wintersport eine gewisse Tradition. Ist es damit in absehbarer Zukunft vorbei? Maximilian Witting von der LMU München macht den Ski-Enthusiasten wenig Hoffnung. In einem Interview mit dem Merkur erklärt der für Klimawandel und Wintersport, dass davon auszugehen ist, dass in deutschen Mittelgebirgen in absehbarer Zeit immer wenige Skigefahren werden kann.
Zum einen würde sich die Schneefallgrenze durch den Klimawandel immer weiter nach oben verschieben. Zum anderen würden auch die Bedingungen für technische Beschneiung immer schlechter. Wenn Wasser und Energie keine Rolle spielen, würde es seiner Meinung zwar durchaus funktionieren, den Skibetrieb durch Kunstschnee aufrecht zu erhalten. Allerdings würden die Ticketpreise dann derart in die Höhe schnellen, dass es kaum jemand mehr leisten kann. Von den Umweltauswirkungen ganz zu schweigen. Womit wir wieder bei der Innsbrucker Studie sind.
Bis 2050 steigt Bedarf an künstlicher Beschneiung um 100 Prozent und mehr
Die erste nationale Studie zur Bewertung der Auswirkungen künstlicher Beschneiung offenbart, wie umfangreich diese Anpassung an den Klimawandel ist. In Kanada wird im Durchschnittswinter für die Produktion von etwa 42 Millionen Kubikmetern Kunstschnee so viel Energie verbraucht wie von fast 17.000 Haushalten. Dies führt zu einer jährlichen CO2-Emission von rund 130.000 Tonnen.
Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung und dem dadurch steigenden Bedarf an Kunstschnee wird auch der Wasser- und Energieverbrauch zunehmen. Dies gilt trotz der Prognose kürzerer Skisaisonen in den kommenden Jahrzehnten. Eine in der Zeitschrift Current Issues in Tourism veröffentlichte Studie prognostiziert für Kanada bis 2050 einen Anstieg des Beschneiungsbedarfs um 55 bis 97 Prozent.
In Österreich wird, abhängig vom Klimaszenario, ein Anstieg von 62 bis 105 Prozent erwartet, wie frühere Studien von Robert Steiger und seinem Team zeigen. Der Wasser- und Energieverbrauch wird dabei proportional zur Menge des erzeugten Schnees ansteigen. In den alpinen Skigebieten in Deutschland wird es ähnlich aussehen, in den deutschen Mittelgebirgen ist hingegen wahrscheinlich ein noch höherer Energie- und Wasseraufwand notwendig, um den Skibetrieb aufrecht erhalten zu können.
Welche Optionen haben Mittelgebirgsregionen?
Gegenüber dem Merkur betonte Witting, dass es bis Mitte des Jahrhunderts sehr wahrscheinlich ein langsames Aussterben der Skigebiete im Mittelgebirge geben wird. Das gilt vor dem Hintergrund, dass sich die Schnee- und Beschneiungsbedingungen so entwickeln, wie es sich derzeit andeutet. So ist Witting relativ sicher, dass sich der Wintersport primär auf höhere Lagen im Alpenraum konzentrieren wird. Nur diese seien auch langfristig konkurrenzfähig.
Welche Optionen die Mittelgebirgsregionen haben, wenn dort kein Wintersport mehr möglich ist, bleibt abzuwarten. Es gibt demnach keine Blaupause, die sich dafür hernehmen lässt. Jeder Ort, jede Region muss für sich schauen, welche Alternativen zum Skifahren angeboten werden können. Das kann Wandern oder Rodeln sein, Mountainbiking oder Wellness und Kultur.
In Winterberg im Sauerland werden zum Beispiel jährlich 290 Millionen Euro im Tourismus umgesetzt, davon 100 Millionen Euro in den drei Wintermonaten. Insbesondere die Niederländer lieben „ihr Skigebiet Winterberg“, ist es für sie doch die schnellste Möglichkeit, auf zwei Brettern den Abhang runterzurasen. Doch wie lange noch? Längst ist der Ort auf der Suche nach Alternativen. Einige gibt es schon: Bike-Trails, Bike-Parks und die Seilbahn Astenkick. Weitere Ski-Alternativen werden folgen.
Emissionen durch Kunstschnee hängt von der Energiequelle ab
Weg von den Mittelgebirgen, zurück zur Studie über die Umweltauswirkungen von Kunstschnee. „Das Ausmaß der Emissionen durch künstliche Beschneiung hängt in einem sehr hohen Ausmaß von der verwendeten Energie ab“, betont Robert Steiger. „Legt man die durchschnittlichen Emissionen unseres aktuellen Stromverbrauchs in Österreich zugrunde, entstehen rund 200 g CO2 pro Kilowattstunde. Bei der Verwendung von Ökostrom sinkt der CO2-Ausstoß auf rund 10 g pro Kilowattstunde.“
Um den Skisport durch nachhaltigere Beschneiung zu fördern, empfiehlt das Forschungsteam eine gemeinsame Anstrengung von Skigebietsbetreibern, Politikern, Umweltorganisationen und Skifahrern. Ziel ist die Entwicklung umfassender Strategien und Praktiken. Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf die Schneedecke sollte der Fokus auf Nachhaltigkeit liegen. Kunstschnee ist allerdings nicht nur durch den enormen Wasser- und Strombedarf bei der Herstellung sehr heikel, sondern auch wegen seiner Auswirkungen auf die Umwelt.
Welche Folgen hat Kunstschnee für die Umwelt?
Für die Herstellung von Kunstschnee wird hauptsächlich gesammeltes Schmelz- und Regenwasser verwendet, das in speziell dafür angelegten „Beschneiungsteichen“ über das Jahr hinweg aufgefangen wird. Zur Schneeerzeugung zerstäubt man das Wasser in den Düsen einer Schneekanone oder Schneelanze sehr fein, um es anschließend auszublasen. Ein Problem: Nicht immer reicht das Wasser aus den Beschneiungsteichen aus, dann wird das Grundwasser angezapft.
Ein generelles Problem bei allen Skipisten: Der Boden wird durch das Planieren und Festdrücken des Schnees enorm verdichtet, so dass Oberflächenwasser weniger gut versickert. Das führt zu Bodenerosionen und begünstigt Schlammlawinen. Zudem kommt es langfristig zu einem Grundwassermangel. Generell hat sich Natur schwer, sich wieder auszubreiten, wenn die Hänge nicht länger planiert werden.
Nicht zu unterschätzen ist zudem der CO2-Fußabdruck, der bei An- und Abreise der Skitouristen anfällt. Er macht Berechnungen zufolge rund 60 bis 70 Prozent aus. Das ist also mehr, als für die Präparierung der Skipisten mit Schnee notwendig ist. Steigt der Energiebedarf für die Schneeproduktion, können sich die Verhältnisse in Zukunft aber auch noch ändern. Gleichwohl ist und bleibt der Mensch ein wichtiger Faktor bei der Gesamtbetrachtung des Wintersportbetriebs.
Ganzheitliche Perspektive wichtig
Die österreichische Studie kommt zum Schluss, dass eine ganzheitliche Betrachtung der Skiindustrie erforderlich ist, um zu beurteilen, ob künstliche Beschneiung zur Reduzierung der Gesamtemissionen im Tourismus beitragen kann. Dabei ist relevant, ob Skifahrer bei Schneemangel in niedrigeren Lagen auf entferntere, schneesichere Gebiete ausweichen. Zudem hängt der Beitrag der Beschneiung zur Nachhaltigkeit eines Skigebietes maßgeblich von den örtlichen Bedingungen ab.
„Der Wintersport ist in vielen Regionen unseres Landes (Anmerkung der Redaktion: Hier ist Österreich gemeint) volkswirtschaftlich von großer Bedeutung“, sagt Robert Steiger. „Wir müssen deshalb alles tun, um einen möglichst nachhaltigen Skibetrieb zu ermöglichen. Das energische Vorantreiben der Dekarbonisierung unserer Energieversorgung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten“, betont der Wissenschaftler, der für die Zukunft auch noch bedeutenden Forschungsbedarf sieht: „Für eine wirklich nachhaltige Strategie ist eine ganzheitliche Analyse unbedingt notwendig.“
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