Lässt sich mit Mikroalgen dem Klimawandel entgegenwirken?
Mikroalgen können sich mit Hilfe einer lichtgetriebenen Protonenpumpe an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen und Nährstoffmangel ausgleichen. Diese Entdeckung könnte helfen, der Erwärmung der Ozeane oder der sinkenden Produktivität von Nutzpflanzen entgegenzuwirken.
Forscherinnen und Forscher des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Universität von East Anglia (UEA) und der Universität Würzburg (JMU) haben einen vielversprechenden Mechanismus in Mikroalgen entdeckt, der ihnen ermöglicht, Nährstoffmangel mithilfe einer lichtgetriebenen Protonenpumpe auszugleichen. Diese außergewöhnliche Entdeckung eröffnet vielversprechende Wege für biotechnologische Innovationen. Diese könnten dazu beitragen, den negativen Auswirkungen des Klimawandels und veränderten Umweltbedingungen wie der Ozeanerwärmung sowie einer möglichen Verringerung der Produktivität von Nutzpflanzen effektiv entgegenzuwirken. Die Ergebnisse der Studie wurden in renommierten Fachzeitschrift „Nature Microbiology“ veröffentlicht.
Faszinierende Welt der Mikroalgen
Sie sind winzig, doch sie haben einige erstaunliche Eigenschaften, die nach und nach zutage kommen. Die Rede ist von Mikroalgen. Erst vorige Woche haben wir über eine spezielle Mikroalgen-Art geschrieben, die in Zukunft als Fischersatz dienen soll. Auch Wasserstofff sollen Mikroalgen produzieren. Andere Algenarten wie Spirulina werden bereits heute als Nahrungsmittel oder Tierfutter genutzt und auch in Deutschland in Algenfarmen kultiviert.
Mikroalgen sind in der Regel einfache einzellige Organismen oder bestehen aus einer begrenzten Anzahl von Zellen, die schnell wachsen und sich zu einer großen, nährstoffreichen Biomasse vermehren können. Die beiden Gattungen Chlorelle und Spirulina gehören zur Gruppe der blaugrünen Algen und zählen zu den ältesten Lebensformen auf unserem Planeten.
Was diese Mikroalgen besonders interessant macht, ist nicht nur ihre Sicherheit für den menschlichen Verzehr, sondern auch die zahlreichen gesundheitlichen Vorteile, die ihnen zugeschrieben werden. Neben Chlorella und Spirulina gibt es jedoch mehr als fünfzigtausend verschiedene Arten von Mikroalgen. Zumindest für Kieselalgen hat nun ein Forschungsteam herausgefunden, dass diese dabei helfen könnten, unsere Klimaproblematik in den Griff zu bekommen.
Algen entwickeln Mechanismus, um Nährstoffmangel auszugleichen
Das Forschungsteam widmete sich der Untersuchung des eukaryotischen Phytoplanktons, einer Gruppe pflanzlicher Organismen, die gemeinhin als Mikroalgen bekannt sind und in weiten Teilen der Ozeane vorkommen. In ihren Erkenntnissen stellten die Wissenschaftler fest, dass diese Algen einen hochinteressanten Mechanismus entwickelt haben, um auf den zu erwartenden Nährstoffmangel infolge steigender Wassertemperaturen zu reagieren.
Diese Entdeckung hat erhebliche Bedeutung für die marine Nahrungskette, da dortige Mikroalgen die Grundlage des größten Nahrungsnetzes der Erde bilden. In diesem Netzwerk finden sich nicht nur Krill, Fische, Pinguine und Wale, die Algen spielen auch die entscheidende Rolle bei der Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und der gleichzeitigen Produktion von lebenswichtigem Sauerstoff.
Klimawandel müsste Nährstoffmangel verstärken
„Damit Algen Nahrung produzieren und CO2 aus der Atmosphäre entfernen können, brauchen sie Sonnenlicht“, erläutert Professor Dr. Thomas Mock von der UEA. Darüber hinaus ist eine ausreichende Versorgung mit Eisen für die zelluläre Maschinerie erforderlich, damit die Algen das Sonnenlicht effizient nutzen können. Bedauerlicherweise fehlt es auf etwa 35 Prozent der Meeresoberfläche an ausreichend Eisen, um das Wachstum der Algen zu fördern. „In diesen Gebieten wird die Produktivität der Algen wahrscheinlich viel geringer sein, ähnlich wie bei Landpflanzen, denen es an eisen- und stickstoffhaltigem Dünger mangelt und die deshalb nicht so gut wachsen“, fügt Mock hinzu.
Die Auswirkungen des Klimawandels dürften diesen Effekt noch verstärken: „Je wärmer das Oberflächenwasser wird, desto weniger Nährstoffe sind in diesen Oberflächenwasserschichten vorhanden, weil die Durchmischung abnimmt, die normalerweise Nährstoffe aus dem tieferen Meer zuführt“, erklärt Mock. Dies führt dazu, dass die Algen unter Nahrungsmangel leiden, weniger Nahrung produzieren und weniger CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen.
Einige Mikroalgen können Photosynthese umgehen
Das Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass Mikroalgen einen Mechanismus entwickeln, um dem Mangel an Nährstoffen entgegenzuwirken. Sie können Sonnenlicht für ihr Wachstum nutzen, ohne auf Eisen angewiesen zu sein. Jan Strauss von der UEA erklärt: „Einige Gruppen von Mikroalgen können die Photosynthese umgehen, indem sie eine lichtgetriebene Protonenpumpe als Wachstumsmotor verwenden.“
Anstatt auf Proteine der photosynthetischen Zellmaschinerie zurückzugreifen, die Eisen benötigen, verwenden diese Algen ein lichtgetriebenes Membranprotein namens Rhodopsin, das eng mit einem Protein im menschlichen Auge verwandt ist. Diese Proteine benötigen kein Eisen.
Eine spezielle Gruppe von ihnen pumpt Protonen durch die Zellmembranen und ermöglicht dadurch die Synthese von ATP (Adenosintriphosphat), das universelle Energiemolekül aller Zellen. Dies ist eine der zentralen Funktionen der Photosynthese in allen photosynthetischen Organismen.
Dank Protonenpumpe besser für globale Erwärmung gewappnet
Im Labor von Professor Dr. Georg Nagel gelang es Dr. Shiqiang Gao von der JMU, die Algen-Rhodopsine zu klonen. Durch den Einsatz spezieller elektrophysiologischer Verfahren gelang es anschließend, die Wirksamkeit ihrer Protonenpumpenfähigkeit selbst bei den niedrigen Temperaturen zu zeigen, die typischerweise in Regionen wie dem Südpolarmeer herrschen. Dieser Mechanismus erklärt, warum diese Algen in nährstoffarmen Oberflächenmeeren noch gedeihen können.
Das Schlüsselergebnis der Studie fasst Thomas Mock folgendermaßen zusammen: „Dank der lichtbetriebenen Protonenpumpe können diese Algen in nährstoffarmen Oberflächenmeeren besser gedeihen als erwartet“. Damit seien sie auch für die Folgen der globalen Erwärmung besser gewappnet.
Entdeckung lässt sich auch für Nutzpflanzen an Land verwenden
Die Ergebnisse der Studie könnten potenziell dazu verwendet werden, die Produktivität von Nutzpflanzen auf dem Land zu steigern, da auch sie für ihr Wachstum auf Eisen angewiesen sind, betont Thomas Mock. Doch darüber hinaus denkt er noch einen Schritt weiter: „Diese Maschinerie kann in der Biotechnologie eingesetzt werden, um die Produktivität von Mikroben zu steigern, die kein Licht nutzen können, wie beispielsweise Hefe.“
Die Verwendung von Rhodopsin-Proteinen könnte diese Mikroben befähigen, Licht für ihr Wachstum zu nutzen. Dies eröffnet spannende Möglichkeiten in der Produktion von Substanzen wie Insulin, Antibiotika, Enzymen, antiviralen Medikamenten oder Biokraftstoffen.
Besonders bedeutsam ist jedoch die Arbeit des Teams für das Südpolarmeer, das sowohl das größte eisenlimitierte aquatische Ökosystem darstellt als auch eines der produktivsten ist. Es versorgt die größten Populationen von Algenkonsumenten mit Nahrung. Thomas Mock unterstreicht: „Kein anderer Lebensraum auf der Erde ist für das Überleben der Menschen und des Lebens im Allgemeinen wichtiger als unsere Ozeane.“
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