Lanzarote unter Wasser: Experten kritisieren den Städtebau
Nuria und Oliver haben auf Lanzarote für Verwüstung gesorgt. Die Unwetter zeigen den dringenden Handlungsbedarf auf den Kanarischen Inseln.

Rote Feuerberge, weiße Häuser, blaues Meer - so kennt man Lanzarote. Am Wochenende hat Starkregen Orte wie Costa Teguise jedoch unter Schlammlawinen begraben.
Foto: PantherMedia / ATGImages (YAYMicro)
Am Samstag, den 12. April 2025, wurde die Kanareninsel Lanzarote von heftigen Regenfällen heimgesucht. Innerhalb weniger Stunden verwandelten sich sonst trockene Straßen in reißende Wasserläufe. Besonders betroffen waren die Orte Tahíche, Teguise und Costa Teguise. Hier fielen stellenweise über 100 Liter Regen pro Quadratmeter – und das in nur zwei Stunden. Der Starkregen hat schwere Schäden verursacht. Diese offenbaren laut Experten strukturelle Schwächen im Städtebau. Wissenschaftler fordern eine stärkere Ausrichtung auf Risikofaktoren und Anpassung an den Klimawandel.
Inhaltsverzeichnis
Update 16.04.: Wie schlecht die Kanaren auf Extremwetter vorbereitet sind
Starkregen, überflutete Straßen, beschädigte Häuser – die jüngsten Unwetter auf den Kanaren haben erneut ihre Spuren hinterlassen. Stürme wie Nuria und Oliver wüten mit zunehmender Intensität und offenbaren dabei ein grundsätzliches Problem: Viele Städte und Gemeinden des spanischen Archipels sind auf Extremwetter nicht vorbereitet. Das bestätigen Forschende der Universität La Laguna (ULL) auf Teneriffa.
„Viele Städte wurden ohne Berücksichtigung der Risikovariable entworfen und geplant“, sagt Abel López, Klimatologe an der ULL und Sprecher der spanischen Gesellschaft für Klimatologie. Er verweist auf eine Entwicklung, die lange Zeit als selbstverständlich galt: das Bauen in oder nahe von Flussbetten.
Solche Standorte galten früher als unproblematisch – heute zeigen sie sich als hochriskant. Denn durch den Klimawandel nehmen Starkregen-Ereignisse zu. In der Folge sind überschwemmte Straßen, abgerutschte Hänge und beschädigte Gebäude längst keine Ausnahmen mehr. Besonders deutlich wurde das zuletzt auf Lanzarote und Gran Canaria. Dort wurden Autos ins Meer gespült, und ganze Straßenzüge standen unter Wasser.
Zunahme versiegelter Flächen verschärft die Lage
Die wachsende Bevölkerung auf den Kanaren verschärft die Situation zusätzlich. In nur zwei Jahrzehnten hat sich die Einwohnerzahl auf Inseln wie Lanzarote oder Fuerteventura verdoppelt. Damit stieg auch die Bebauung – häufig ohne Rücksicht auf natürliche Wasserrückhalteflächen.
Mit jedem neuen Baugebiet wächst die versiegelte Fläche. Regenwasser kann immer schlechter im Boden versickern, was den Druck auf die Entwässerungssysteme erhöht. Diese sind jedoch oft nur für durchschnittliche Regenmengen ausgelegt. Bei Starkregen geraten sie schnell an ihre Grenzen – mit fatalen Folgen für die betroffenen Gebiete.
Infrastruktur mit Nachholbedarf
Auch abseits der Siedlungsstruktur gibt es Defizite. So weist López auf Schwächen bei der Abwasserentsorgung hin. Zwar verfüge der Archipel über ein verhältnismäßig gutes Katastrophenschutzsystem. Doch ein starkes Warnsystem allein könne keine widerstandsfähigen Städte ersetzen.
„Die Kanaren brauchen eine Risiko-Perspektive“, betont López. Es gehe darum, Städte von Grund auf so zu planen, dass Gefahren wie Starkregen, Hangrutschungen oder Überflutungen aktiv berücksichtigt werden. Dafür müsse es systematische Risikoanalysen geben – ein Instrument, das bislang vielerorts fehlt.
Städte resilienter machen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ULL fordern ein Umdenken in der Stadtplanung. Es müsse stärker berücksichtigt werden, wie sich extreme Wetterlagen auf die Lebensräume auswirken können. Nur durch gezielte Maßnahmen lassen sich Städte schaffen, die in der Lage sind, Wetterextremen standzuhalten – sogenannte resiliente Städte.
Dazu gehören beispielsweise:
- Bauen in risikoarmen Zonen,
- Ausbau von Entwässerungssystemen,
- Schutz von natürlichen Rückhalteflächen,
- sowie grüne Infrastruktur zur Wasseraufnahme.
Zudem plädiert López für einen strategischeren Umgang mit dem verfügbaren Raum: „Die Kommunen müssen territoriale Nachhaltigkeit verinnerlichen. Das muss die treibende Kraft hinter der Art und Weise sein, wie wir unsere Städte künftig bauen.“
Meldung vom 15.04.:Überschwemmungen in Touristenregionen
Die beliebte Urlaubsregion Costa Teguise meldete mit 97,5 Litern pro Quadratmeter eine der höchsten Niederschlagsmengen. Auch in der Inselhauptstadt Arrecife gingen rund 61 Liter pro Quadratmeter nieder. Auf den Straßen bildeten sich regelrechte Ströme, die Schlamm und Unrat mit sich rissen. Häuser liefen voll, Strom fiel aus, Verkehrswege wurden unpassierbar.
Der Leiter der Rettungsdienste von Lanzarote sprach von einer „großen Menge Schlamm“, die in vielen Gebäuden zurückblieb. Der staatliche Fernsehsender RTVE berichtete von insgesamt 300 Notrufen, die allein in der Nacht auf Sonntag eingingen. Besonders viele kamen aus Arrecife und Teguise.
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🇪🇸HOLIDAY FROM HELL: FLOODS, SEWAGE & HAIL BATTER SPANISH HOTSPOTS
A freak two-hour deluge turned Lanzarote streets into raging rivers, submerging homes, sweeping away bins, and overwhelming sewage systems with the smell to match.
Arrecife and surrounding towns were drenched in… https://t.co/gEHlJANjGI pic.twitter.com/xprVGdRIMx
— Mario Nawfal (@MarioNawfal) April 13, 2025
Notstand und seine Folgen
Noch in der Nacht zum Sonntag erklärte die Inselregierung den Notstand. Zwar wurde dieser am nächsten Morgen wieder aufgehoben, jedoch nur vorübergehend. Denn die Schäden waren erheblich. Bereits am Sonntagmorgen um 07:00 Uhr verlängerte das Cabildo, die Regierung Lanzarotes, die Notstandslage erneut – diesmal, um die Sicherheit während der Aufräumarbeiten zu gewährleisten.
Der Notstand erlaubt es den Behörden, Maßnahmen schneller umzusetzen und Einsatzkräfte besser zu koordinieren. Ziel ist die Wiederherstellung der Infrastruktur und der öffentlichen Versorgung. Dazu zählen Strom, Wasser, Telekommunikation und Treibstoff.
Infrastruktur im Ausnahmezustand
Besonders stark beschädigt wurden die Regionen Tahíche und Teguise. In Tahíche fielen laut Wetterdaten über 100 Liter pro Quadratmeter – ein Ereignis, das in dieser Region nur selten vorkommt. Die Regenmassen überforderten das Abwassersystem. Schlamm, Geröll und Müll blockierten Kanäle und Straßen.
In Arrecife arbeiten städtische Angestellte und Feuerwehrteams daran, Hauptverkehrsstraßen wieder freizumachen. Der Verkehr war vielerorts zum Erliegen gekommen. Der Schlamm muss mit schwerem Gerät entfernt werden. Anwohnerinnen und Anwohner helfen ebenfalls bei der Reinigung ihrer Straßen und Häuser.
Starkregen – das sind die Ursachen
Was ist Starkregen?
Starkregen bezeichnet intensive Niederschläge, bei denen innerhalb kurzer Zeit große Regenmengen fallen. Laut Deutschem Wetterdienst spricht man von Starkregen ab 15–25 Litern pro Quadratmeter in einer Stunde oder ab 20–35 Litern in sechs Stunden.
Ursachen
- Konvektive Wetterlagen: Warme, feuchte Luft steigt auf, kondensiert und führt zu Gewitterwolken mit heftigem Regen.
- Stationäre Wetterlagen: Wenn sich Wettersysteme kaum bewegen, kann es über Stunden an einem Ort regnen.
- Klimawandel: Erwärmte Luft speichert mehr Feuchtigkeit, was zu häufigeren und stärkeren Starkregenereignissen führen kann.
Warum sind die Kanaren besonders anfällig?
Die besondere Lage Lanzarotes erklärt die Verwundbarkeit bei Starkregen. Das vulkanische Gestein speichert kaum Wasser. Der Boden ist oft hart und trocken – Wasser kann kaum einsickern. Stattdessen fließt es oberirdisch ab, was zu gefährlichen Sturzfluten führen kann.
Dazu kommt die relativ geringe Vegetation. Pflanzen, die normalerweise Wasser binden und den Abfluss bremsen, sind rar. Wenn dann, wie jetzt, innerhalb kurzer Zeit enorme Regenmengen fallen, kommt es schnell zu Überschwemmungen.
Die starken Regenfälle auf Lanzarote folgten auf das Unwetter „Sturm Olivier“, das bereits Tage zuvor über die Kanaren, das spanische Festland und Portugal hinweggezogen war. Wetterdienste hatten bereits im Vorfeld Warnungen ausgesprochen.
Costa Teguise: Lage bleibt angespannt
Einer der besonders betroffenen Orte ist Costa Teguise. Im Bereich des Sands Beach Resorts laufen die Aufräumarbeiten weiterhin auf Hochtouren. Einsatzkräfte und Anwohnerinnen und Anwohner versuchen gemeinsam, wieder Normalität herzustellen. Dennoch wird es noch dauern, bis die Schäden vollständig behoben sind.
Nach Einschätzung der Inselregierung wird es mindestens zwei bis drei Wochen dauern, bis der Tourismusbetrieb in den betroffenen Hotels wieder aufgenommen werden kann. Die vollständige Wiederherstellung von Straßen, Versorgungsleitungen und öffentlichen Einrichtungen wird deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Von mehreren Monaten ist die Rede.
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