Meeresspiegelanstieg: Überdimensionaler Damm soll unsere Küsten schützen
Setzt sich die Erderwärmung fort, rechnen Forscher des Weltklimarates IPCC mit einem Anstieg des Meeresspiegels auf bis zu 110 Zentimetern bis 2100. Das betrifft auch den Norden Deutschlands: Über zwei Millionen Menschen leben in überflutungsgefährdeten Gebieten. Deiche und Sperrwerke schützen die Küstenbewohner. Doch reicht das?
Die Vorstellung gleicht einem Katastrophenfilm: Gelingt es nicht, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und die Klimaerwärmung so zu regulieren, drohen Überschwemmungen in den Regionen der Nordsee-Anrainerstaaten. 25 Millionen Menschen wären betroffen, denn große Teile der Niederlande und Norddeutschlands könnten unbewohnbar werden. Um dieses Szenario abzuwenden, haben zwei Wissenschaftler vom Königlichen Niederländischen Institut für Meeresforschung sowie vom Geomar-Institut in Kiel einen gigantischen Damm für die Nordsee entworfen.
Giga-Damm soll vor Überflutung schützen
Die Wissenschaftler haben sich mit der Forschungsfrage befasst, wie sich Mittel- und Nordeuropa bei anhaltender Erderwärmung schützen können. Dazu publizierten sie die Studie „Need The Northern European Dam for if climate change mitigation fails“. Ihr Vorschlag: Ein gigantischer Wall dämmt die Nordsee ein, der deutlich effektiver Küstenlinien schützen kann als zahlreiche Einzelprojekte.
Der Damm ist im Entwurf der Forscher 161 Kilometer lang und schließt den Ärmelkanal zwischen Bretagne und Cornwall. Des Weiteren sieht der Vorschlag eine zweite circa 500 Kilometer lange Barriere zwischen Schottland und Norwegen vor. Die mittlere Wassertiefe im Bereich des Damms im Ärmelkanal würde 85 Meter betragen, der zweite Damm in der nördlichen Nordsee läge bei einer Tiefe von 127 Metern.
Kosten sind ebenfalls gigantisch
Die Pläne der Meeresforscher würden enorme Materialkosten verschlingen. Für die Aufschüttung solcher Dämme bedarf es Pumpen, die das aus den Flüssen stammende Wasser in den Atlantik weiterleiten. In der Studie ist von 40.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde die Rede. Zum Vergleich: Die leistungsstärksten Pumpwerke am Abschlussdamm des Ijsselmeers in den Niederlanden liegen bei 500 Kubikmetern pro Sekunde. Insgesamt gehen die Forscher von einer Bausumme zwischen 250 und 500 Milliarden Euro aus.
„Nach unseren bisherigen Maßstäben klingt die Dimension eines solchen Projekts völlig unvorstellbar“, sagt Co-Autor Joakim Kjellsson vom Geomar-Institut.
Natürlich habe solch ein Projekt auch Auswirkungen auf das Ökosystem der Nordsee. Auf lange Sicht sehen die Forscher aber einen größeren Schutz als einzelne Küstenschutzprojekte.
Kjellsson betont, dass die Studie nicht das Ziel hat, den Giga-Damm tatsächlich bauen zu lassen, sondern in erster Linie Maßnahmen zu schaffen, die dem Klimawandel entgegenwirken. Die Forscher hoffen, dass ihre Lösung niemals nötig sein wird.
Meere steigen global um 3,6 Millimeter pro Jahr
Laut den Prognosen des IPCC steigen die Meere global gesehen aktuell um 3,6 Millimeter pro Jahr. Rund drei mal so viele Menschen wie bislang angenommen werden bis 2050 vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein. Betrachtet man die Statistiken im Zeitraum 1900 bis 1990, entspricht das einem zweieinhalb Mal schnelleren Anstieg. Die Erhöhung der Meeresspiegel verlaufe jedoch regional unterschiedlich. Die Nordsee steige aktuell nicht schneller an, als erwartet, sagt Andreas Wrupts von der niedersächsischen Forschungsstelle Küste. In den letzten 100 Jahren sei die Nordsee aber um bis zu 35 Zentimeter angestiegen. Die Experten des IPCC sind sich sicher, dass extreme Wetterbedingungen wie Stürme und Fluten weiter zunehmen werden.
Gefordert sind Bund und Länder, um die Menschen und deren Häuser zu schützen. Niedersachen hat nach Angaben des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz 2019 62 Millionen Euro für den Bau der Festlanddeiche ausgegeben. Schleswig-Holstein investierte seit 2001 über 200 Millionen Euro, um die Deiche aufzurüsten. 36,5 Kilometer Deich wurde so verstärkt. Doch fertig sind die Arbeiten der Deichbauämter noch lange nicht.
Bremen und Hamburg sehen sich ebenfalls mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert. Allein in Bremen sind laut der Umweltbehörde 86 % der Landesfläche potenziell von Sturmfluten betroffen. Hamburg legt bis zu 30 Millionen Euro pro Jahr für den Schutz der Bürger zurück.
Grönland plant Schmelzwasser zu verkaufen
Während sich Bund und Länder sowie Forscher mit den Maßnahmen zum Küstenschutz befassen, meldet Grönland eine neue Verkaufsstrategie. Der Klimawandel sorgt für Schmelzwasser in Grönland, das nach dem dortigen Energieminister Jess Svane zu einem „marktfähigen Produkt“ werden kann. Warum aus der Not keine Tugend machen: Das Land plant nämlich das Schmelzwasser zu verkaufen. Seit 1992 schmolzen in Grönland 3,8 Billionen Tonnen Eis. Der Meeresspiegel stieg daraufhin weltweit um 10,6 Millimeter.
Svane sieht Potential, das Wasser an Unternehmen oder Länder zu verkaufen, in denen Wassermangel herrscht. Laut dem Weltwasserbericht der Vereinten Nationen 2019 hatten mehr als zwei Milliarden Menschen keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser.
„Wir wollen expandieren und unser Wasser mit dem Rest der Welt teilen“, sagt Svane.
Ob und wann Grönland seine Überlegungen in die Tat umsetzt, erfahren Sie bei ingenieur.de.
Lesen Sie auch:
Ein Beitrag von: