Militär und Umweltschutz – wie passt das zusammen?
Kriege verursachen nicht nur Leid und Not bei den Menschen, sondern schädigen zudem massiv die Umwelt. Wie passen Militär und Umweltschutz zusammen? Wir versuchen, eine Antwort darauf zu finden.
Seit tausenden von Jahren gibt es immer wieder militärische Konflikte, wie derzeit zum Beispiel im Nahen Osten und für uns Mitteleuropäer wohl am meisten sichtbar – in der Ukraine. Kriege bringen nicht nur Not und Leid in die Bevölkerung, sondern sind fast immer auch eine Katastrophe für Umwelt und Klima. Ganz aktuell haben Forschende den bisherigen CO2-Fußabdruck des Ukraine-Kriegs ausgerechnet. Die Umweltschäden des Vietnamkriegs sind noch mehr als 40 Jahre nach Kriegsende messbar. Ähnlich sieht es in vielen ehemaligen Kriegsgebieten aus. Lassen sich Umweltschutz und Militär überhaupt miteinander vereinen oder müssen wir einfach damit leben?
Ukraine-Krieg verursachte im ersten Jahr so viele CO2-Emissionen wie Belgien
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine hat verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, die oft übersehen werden. Neben den zerstörten Kraftwerken, brennenden Wäldern und zerstörten Wohnblocks sollte auch die Klimabelastung in Betracht gezogen werden. Ein internationales Forschungsteam hat umfangreiche Berechnungen durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ukraine-Krieg im ersten Jahr allein so viele Emissionen verursacht hat wie Belgien in einem vergleichbaren Zeitraum. Dies entspricht etwa 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen-Äquivalenten. Um einen besseren Vergleich zu ermöglichen, werden auch andere klimaschädliche Treibhausgase wie Methan in CO2-Emissionen umgerechnet.
Die Bedeutung dieser Emissionen für das Klima sollte nicht unterschätzt werden, wobei unterschieden werden muss zwischen Emissionen, die direkt beim oder durch das Kampfgeschehen verursacht werden und welchen, die erst nach dem Krieg beim Wiederaufbau entstehen. Auch diese Luft- und Umweltverunreinigungen hat das Expertenteam in seine Berechnungen mit einfließen lassen. Diese sind sogar ungleich höher, der Spritverbrauch russischer oder ukrainischer Truppen liegt demnach bei etwa 19 Prozent des Gesamtausstoßes, 15 Prozent kommen der Schätzung zufolge durch Feuer hinzu.
Kriegsschäden beeinflussen noch viele Jahrzehnte die Umwelt
„Jeder Krieg schädigt die Menschheit auf verschiedenen Ebenen für Jahre und Jahrzehnte, viele Folgen sind auch 30 Jahre nach Kriegsende noch deutlich spürbar“, schreibt das Institut der Deutschen Wirtschaft. Prägendstes Beispiel bis heute: der Vietnamkrieg. Zwischen 1962 und 1971 ließen die Amerikaner mehr als 45 Millionen Liter „Agent Orange“ auf die Wälder des Landes niederregnen, um die Bäume zu entlauben und den Feind sichtbar zu machen.
Eine Studie von 2019 zeigte, dass sich das Gift mit weiteren sogenannten Herbiziden bis heute in den Böden hält. Die Substanzen führen auch Jahrzehnte nach Ende des Vietnamkrieges zu Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung. In späteren Kriegen wie im Irak oder in Syrien war es vor allem Öl, das aufgrund von Angriffen Boden und Wasser verseucht hat. Ganz gleich, ob es sich dabei um natürliche Quellen oder zerstörte Raffinerien handelte.
Wiederaufbau der Ukraine wird mindestens 50 Millionen Tonnen CO2 verursachen
Für den Wiederaufbau nach dem Krieg, veranschlagt die Studie rund 50 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Diese entstehen zum Beispiel beim Errichten von Kraftwerken, Industrie und Gebäuden. Generell gehört der Bausektor nach wie vor zu den Sektoren, die besonders viel Treibhausgase ausstoßen. In die Berechnung fließen außerdem die Lecks in die Nordstream-Pipelines mit ein sowie der Umstand, dass Flugzeuge derzeit große Umwege fliegen müssen, wenn sie von Mitteleuropa nach Asien fliegen müssen.
Noch lässt sich aber gar nicht so genau beziffern, wie groß die Umweltschäden durch den Ukrainekrieg werden. Ganz aktuell rollt durch die Zerstörung des Staudamms Kachowka eine neue Welle möglicher Umweltschäden auf die Ukraine zu. Der UN-Generalsekretär António Guterres hat die aktuelle Situation als eine sowohl menschliche als auch ökologische Katastrophe bezeichnet. Insbesondere die Trinkwasserversorgung sei gefährdet. Der ukrainische Außenminister Dymtro Kuleba warnt ebenfalls vor einer bedeutenden humanitären und ökologischen Krise in seinem Land. Besonders das Bewässerungssystem, das für die Landwirtschaft im Süden der Ukraine von großer Bedeutung ist, sei betroffen.
Streitkräfte zählen zu den größten Umweltverschmutzern des Planeten
Laut einer Studie britischer Klimaforscher aus dem Jahr 2020 gehören Streitkräfte zu den größten Verursachern von Umweltverschmutzung weltweit. Die Gruppe „Scientists for Global Responsibility“ hat errechnet, dass die Militärs in Verbindung mit der Rüstungsindustrie etwa sechs Prozent der globalen Emissionen ausmachen. Es existieren jedoch nur wenige verlässliche Daten über militärische Emissionen.
Dies liegt daran, dass Staaten nicht dazu verpflichtet sind, den Treibhausgasausstoß ihrer Streitkräfte offenzulegen. Das Militär ist außerdem von den Klimazielen ausgenommen. Dies wurde von der US-Regierung während der Entwicklung des Kyoto-Protokolls befürwortet. Das widerspricht nicht nur ein wenig dem Ziel der Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Großbritannien, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Stuart Parkinson, ein britischer Mathematiker und Leiter der Organisation Scientists for Global Responsibility, beschäftigt sich seit langem mit der Rolle des Militärs in Bezug auf die Klimakrise. Dabei stößt er immer wieder auf Hindernisse. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur betont er, dass es erhebliche Lücken in den verfügbaren Daten gibt, da viele davon als vertraulich eingestuft werden. Er betont die Dringlichkeit, dass das Militär Maßnahmen ergreifen muss, um klimaneutral zu werden, da die Investitionen und Planungen im militärischen Bereich oft über Jahrzehnte hinweg erfolgen.
Wie ist die rechtliche Einordnung bei Umweltschäden durch das Militär?
Die rechtliche Verantwortung für Umweltschäden durch militärische Aktivitäten ist nur unter bestimmten Bedingungen gegeben. Obwohl militärische Eingriffe in die Umwelt mit langfristigen oder dauerhaften Konsequenzen völkerrechtlich geächtet sind, werden die meisten Fälle von Umweltzerstörung jedoch rechtlich als Kollateralschäden behandelt.
Das Umweltkriegsübereinkommen der Vereinten Nationen und ein Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention verbieten den Einsatz von Kriegsformen, die umweltverändernde Technologien einsetzen. Es gibt jedoch Fälle wie den Einsatz von „Agent Orange“, die von Juristen nicht eindeutig eingestuft werden können.
Erschwerend kommt häufig dazu, dass die Hersteller von Rüstungsgütern wie Flugzeugen, Panzern oder anderen Fahrzeugen meist gar nichts über den Treibstoffverbrauch sagen möchten. Es ist daher schwer zu beziffern, wie hoch die Klimabelastung tatsächlich ist. Nach Informationen des IW soll ein russischer T-72 Panzer jedoch etwa 250 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer benötigen – und im Gelände sind es noch mehr.
Gibt es Bestrebungen zu mehr Umweltschutz beim Militär?
Das Militär erkennt allmählich die Notwendigkeit einer Umstellung und Anpassung an die Anforderungen des Klimawandels. Allerdings befindet sich dieser Prozess noch in einem frühen Stadium. Die Vorstellung, dass Kampfjets oder Panzer in großem Umfang mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden könnten, ist derzeit noch Zukunftsmusik. Vor vier Jahren haben sich Militärvertreter und Experten aus verschiedenen Ländern wie den USA, Frankreich und den Niederlanden zusammengeschlossen, um gemeinsam zu erörtern, wie das Militär der Herausforderung des Klimawandels begegnen kann.
In einem im letzten Jahr veröffentlichten Bericht des International Military Council on Climate and Security (IMCCS) wurde festgestellt, dass es bisher keine standardisierten Verfahren gibt, um den Treibhausgasausstoß des Militärs zu messen. Das Militär ist vom Pariser Klimaschutzabkommen ausgenommen. Oft gab es auch die Sorge, dass zu viel Transparenz die strategische Stärke der Armeen beeinträchtigen könnte. Es besteht also noch erheblicher Handlungsbedarf, um einen systematischen Ansatz zur Messung und Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Militärbereich zu entwickeln.
Airbus und Thyssenkrupp Marine Systems arbeiten an mehr Klimaneutralität
Airbus setzt sich intensiv dafür ein, die Produktion umweltfreundlicher zu gestalten. Ab dem Jahr 2024 sollen alle europäischen Werke zu 100 Prozent mit erneuerbarem und kohlenstoffarmem Strom versorgt werden. Unabhängig von den aktuellen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine arbeitet das Unternehmen auch daran, Militärflugzeuge umweltfreundlicher zu machen. So hat das Unternehmen zum Beispiel nachhaltige Treibstoffe bei Transportflugzeugen getestet. Zusätzlich wird das unbemannte Flugsystem Zephyr ausschließlich mit Solarenergie betrieben.
Thyssenkrupp Marine Systems erwartet ebenfalls, dass sich die Rüstungsindustrie in Zukunft stärker auf klimaschonende Lösungen konzentrieren wird. Dies betrifft sowohl die Herstellung der Produkte als auch die Produkte selbst. Ein Beispiel dafür sind die U-Boote des Unternehmens, von denen einige bereits mit Brennstoffzellen betrieben werden. Allerdings sind derzeit Diesel-Fahrzeuge noch beliebter, da Diesel als Kraftstoff weltweit leicht verfügbar ist. Zudem können militärische Fahrzeuge und Flugzeuge, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, noch nicht die gleiche Leistung erbringen wie solche, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Dennoch ist erkennbar, dass Fortschritte bei der Entwicklung und Nutzung nachhaltigerer Antriebssysteme in der Rüstungsindustrie gemacht werden und weiterhin angestrebt werden, um die Umweltauswirkungen zu verringern.
Wie sieht es bei der Bundeswehr mit Umweltschutz aus?
Nach Angaben der Bundeswehr widmen sich dort über 1.000 Personen mit den verschiedenen Bereichen des Umweltschutzes. Dazu zählen zum Beispiel die Erarbeitung von Grundlagendokumenten und Vorschriften, sowie gibt es Verantwortliche für nachhaltiges Bauen und Beschaffen. Außerdem seien dort Personen beschäftigt, die sich direkt vor Ort auf Truppenübungsplätzen und Liegenschaften um Flora und Fauna kümmern.
Die Bundeswehr beschäftigt sich nach eigenen Angaben ausgiebig mit Erneuerbaren Energiequellen. So wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Photovoltaik-Anlagen und einige Geothermie-Anlagen errichtet. Die Staufer-Kaserne in Pfullendorf soll seinen Energiebedarf fast vollständig mit Hilfe dieser Energiearten abdecken. Zudem wurden einige Liegenschaften der Bundeswehr als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Auch die Themenbereiche Meeresschutz, Boden- und Gewässerschutz stehen auf der Agenda.
Was den Ausstoß von Klimagasen betrifft, sollen diese beim deutschen Militär im Jahr 2020 bei 373 Kilotonnen gelegen haben, wie der Stern berichtet. Das entspricht einem Anteil von lediglich 0,2 Prozent am gesamtdeutschen Treibhausgasausstoß, wobei für Auslandseinsätze keine Angaben gemacht wurden. (mit dpa)
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