Müllverbrennung bremst den Klimawandel aus
Sauerstoff statt Luft und Endlagerung des entstehenden Kohlenstoffdioxids: So wollen norwegische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einer ungewöhnlichen Müllverbrennungsanlage einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Die ungewöhnlichste und umweltfreundlichste Müllverbrennungsanlage der Welt entsteht im kleinen norwegischen Städtchen Årdal. Sie verwandelt nicht nur das, was partout nicht recycelbar ist, in umweltneutrale Asche. Sie emittiert auch fast keine Schadstoffe, zwei Faktoren, die zwar auch heutige Anlagen erfüllen. Doch neu und einmalig ist, dass das freiwerdende Kohlenstoffdioxid (CO2) aus dem Rauchgas entfernt und gasförmig oder flüssig in den Untergrund gepresst wird, wo es für alle Zeiten verbleibt und so der Atmosphäre entzogen wird.
Selbstversorgung mit Sauerstoff
Gleichzeitig produziert die Anlage Strom, der ganz oder teilweise genutzt wird, um in einem Elektrolyseur Wasser in Sauer- und Wasserstoff aufzuspalten. Der Wasserstoff wird zum Betrieb von Brennstoffzellen in Elektroautos oder anderweitig genutzt, der Sauerstoff zur Verbrennung des Mülls, denn Luft hat keinen Zutritt zu den Brennkammern. Die Entwickler des norwegischen Wissenschaftsinstituts SINTEF in Trondheim setzen auf das Oxyfuel-Verfahren, oxidieren den Müll also mit reinem Sauerstoff.
CO2 fast in Reinform
Das hat einen entscheidenden Vorteil. Das entstehende Rauchgas besteht fast ausschließlich aus CO2. Das Klimagas muss also nicht wie bei der Verbrennung mit Luft aus einem mächtigen Rauchgasstrom mit hohem Energieaufwand ausgewaschen werden, damit es endgelagert werden kann. Oxyfuel liefert das, was unter die Erde soll, in nahezu reiner Form. Lediglich Schadstoffe müssen noch mit den für Müllverbrennungsanlagen üblichen Techniken herausgefiltert werden.
Kalte Dusche mit dem Klimagas
Einen Haken hat die Sache allerdings: Bei der Verbrennung mit Sauerstoff entstehen extrem heiße Flammen, die Strukturen zerstören können. Um sie zu kühlen will das Team um SINTEF-Forscher Mario Ditaranto einen Teil des Rauchgases zurück in die Brennkammer leiten. Das wirkt auf die Flammen wie eine kalte Dusche, denn CO2 ist unbrennbar. Es verdünnt gewissermaßen den Sauerstoff.
Demonstrationsanlage entsteht in Oslo
„Bisher haben wir gezeigt, dass die Oxyfuel-Verbrennung in unserem Projekt Netox für verschiedene Gemische funktioniert, die Abfall ähneln“, sagt Ditaranto. „Wir haben auch Simulationen einer Müllverbrennungskammer durchgeführt.“ Der nächste Schritt ist der Bau einer Demonstrationsanlage auf dem Gelände der Haraldrud-Recyclinganlage in Oslo, um zu zeigen, dass sich die Idee technisch umsetzen lässt. Die großtechnische Anlage in Årdal soll bis 2030 fertig sein.
Endlager unter der Nordsee
Norwegen verfolgt das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um 90 bis 95 Prozent zu senken. „Es ist schwer vorstellbar, wie dies ohne Kohlenstoffabscheidung und -speicherung erreicht werden kann“, sagt Ditaranto.
Das gesamte CO2, das bei der Verbrennung in der Pilotanlage in Årdal entsteht, wird aufgefangen und im Rahmen des CCS-Projekts (CCS=Carbon Capture and Storage, also CO2-Abtrennung und Endlagerung) „Langskip“ des norwegischen Staates unter dem Meeresboden der Nordsee endgelagert.
Müll wird heute exportiert
Bisher exportiert Norwegen einen großen Teil seines Restmülls in Nachbarland Schweden. Der ist dort fest zur Stromerzeugung eingeplant. Schwedens Regierung sagt sich, dass es besser ist, Müll als Kohle zu verbrennen, um Stromlücken zu stopfen – Hauptquellen für Schwedens Stromerzeugung sind Wasser, Kernenergie und Wind. Wenn Norwegen seine Pläne umsetzt wird Schweden sich um Müllersatz bemühen müssen. Vermutlich reicht es schon, zusätzliche Puffer zu installieren, die überschüssigen Windstrom zu speichern.
Oxyfuel mit Braunkohle schon erprobt
Oxyfuel ist bereits erprobt. So hat der Energiekonzern Vattenfall 2008 im brandenburgischen Ort Schwarze Pumpe die Vorstufe eines Kraftwerks mit dieser Technik in Betrieb genommen, die noch nicht für die Stromversorgung vorgesehen war und mittlerweile wieder abgebaut ist. Brennstoff war dort Braunkohle. Wie in Norwegen hätten die Abgase nach einer einfachen Reinigung einfach in den Untergrund gepresst werden können. Doch diese Möglichkeit ist in Deutschland aus umweltpolitischen untersagt, obwohl das Verfahren im brandenburgischen Ketzin zwischen 2008 und 2014 erfolgreich getestet worden war.
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