Umweltforschung 20.03.2024, 07:00 Uhr

Plastik im Meer: Neue Studie bringt überraschende Erkenntnisse

Ein Forschungsteam hat in entlegenen Winkeln Meerwasser-Proben genommen – und große Mengen an Kunststoff und Mikroplastik gefunden. Sie schließen daraus: Plastik ist viel großräumiger verteilt als bislang vermutet.

Plastik im Meer

Plastik im Meer ist ein großes Problem, eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es noch gravierender ist, als bislang gedacht.

Foto: PantherMedia / sablin

Plastik ist ein bekanntes Problem für die Umwelt. Es wird auf natürliche Weise kaum abgebaut und zerfällt nur in immer kleinere Bestandteile – in das sogenannte Mikroplastik. Diese winzigen Partikel reichern sich im Boden an und gelangen über Gewässer in die Nahrungskette von Menschen und Tieren. Welche Auswirkungen das im Einzelnen auf die Gesundheit hat, ist noch unklar. Fest steht: Die Plastikmengen in der Umwelt nehmen weiter zu. Wie schlecht sich das tatsächliche Ausmaß schätzen lässt, zeigt eine neue Studie vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).

Algen in der Arktis sammeln Mikroplastik

Forschende durchsuchten unterschiedliche Regionen nach Plastik

„Plastik im Meer ist ein ernstes Problem. Jedes Jahr gelangen über Flüsse, Wind und aus Quellen wie Schifffahrt oder Fischerei Millionen Tonnen Plastik ins Meer – und dort verbleibt es. Die Folgen für das Ökosystem Ozean sind bislang kaum abzuschätzen“, sagt UFZ-Umweltchemikerin Annika Jahnke, Koordinatorin des Projektes MICRO-FATE, das die Studie ermöglichte. Zusammen mit ihrem Team ist sie einigen Fragen nachgegangen: Wie genau verteilt sich Plastik im Meer? Welche Gebiete sind besonders betroffen? Gibt es noch gänzlich plastikfreie Zonen? Und welche Eigenschaften hat das Plastik?

Auf der Suche nach Antworten hat das Team eine fünfwöchige Expedition mit einem Forschungsschiff unternommen, und zwar im Nordpazifik zwischen Vancouver (Kanada) und Singapur. Dabei griffen die Forschenden auf Daten eines Vorhersagemodells der University of Hawaii zurück: Surface CUrrents from a Diagnostic model (SCUD) legt dar, wie viel Plastik in einer bestimmten Region im Meer zu erwarten ist. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen entschieden sich, sowohl Gebiete mit vermutlich hohem Plastikaufkommen für ihre Proben zu wählen, als auch Regionen, wo sie mit wenig Plastik rechneten. Zusätzlich untersuchten sie bislang kaum erforschte Zonen im offenen Ozean, etwa ein Schutzgebiet nordwestlich von Hawaii.

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Zwei verschiedene Untersuchungsmethoden für Plastik-Vorkommen

Die Forschenden nahmen auf der einen Seite visuelle Beobachtungen vor. Das heißt, sie zählten erkennbare Plastikteile im Oberflächenwasser, während sie mit dem Forschungsschiff hindurchfuhren. Dabei dokumentieren sie Form und Größe, soweit diese erkennbar waren. Auf der anderen Seite entnahmen sie an neun Punkten Proben mit speziellen Netzen (Neustonnetzen).

„Die Maschenweite betrug 0,3 Millimeter. So konnten wir neben größeren Teilchen auch kleine Plastikpartikel einfangen und das Mikroplastik, das einen Durchmesser von unter fünf Millimetern hat, bestimmen“, sagt UFZ-Forscher Robby Rynek.

Anschließend zählten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen das gefundene Plastik nicht nur, sondern analysierten es chemisch mit einer speziellen Form der Infrarotspektroskopie. Zusätzlich schätzten auf Grundlage des Zustands sie den Grad der Verwitterung ein.

Plastik ist im Meer breit verteilt

Das ist ein wichtiger Aspekt, denn Sonne, Wind, Wellen und Salzwasser setzen Plastik zu, weswegen die Partikel sich immer weiter zersetzen und deutlich verwitterter aussehen, je weiter sie von den Orten entfernt sind, wo Kunststoff ins Meer gelangt. Die Untersuchungen bestätigten diese Annahme. Außerdem beschrieben den Forschenden den Bereich des sogenannten Großen Pazifischen Müllstrudels, wo sie erwartungsgemäß die größten Plastikmengen fanden.

„Dabei handelt es sich aber keinesfalls um einen Müllteppich mit Plastikteilen dicht an dicht“, sagt Rynek. Anders gesagt: Plastikbeseitigungssysteme müssten riesige Meeresgebiete abfahren, um Plastik einzusammeln. Außerdem seien die meisten Partikel so klein, dass sich in den Netzen auch große Mengen an tierischem Beifang verfangen würden. Umso wichtiger sei es, den Eintrag von Plastik in die Umwelt zu verringern.

Wasserprobe
Auf dieser Detailaufnahme einer Probe ist neben Plastik auch Beifang zu sehen.

Foto: Annika Jahnke / UFZ

Plastikpartikel
Das ist die Vielfalt an Plastikpartikeln, die von den Forschenden in den Proben gefunden wurden.

Foto: Annika Jahnke / UFZ

Forschende fanden Plastik in entlegenen Regionen

Eine wirkliche Überraschung war das für die Forschenden nicht. Dafür staunten sie umso mehr, als sie ihre Proben aus dem entlegenen Meeresschutzgebiet nordwestlich von Hawaii auswerteten. Denn auch dort fischten sie viel Plastik aus dem Wasser. „Damit hatten wir nicht gerechnet“, gibt Rynek zu. „Denn nach den Berechnungen des Vorhersagemodells sollte hier deutlich weniger Plastik zu finden sein.“

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen schließen daraus, dass Mikroplastik breiter über die Ozeane verteilt ist, als es die bisherigen Modelle vermuten lassen. Es gab keine Wasserprobe, unabhängig von der Region, in der die Forschenden keine Kunststoff-Teilchen fanden. Für sie ist daher klar: Es reicht nicht, weniger Plastik zu produzieren, zusätzlich sollte die chemische Zusammensetzung verbessert werden. Das könne auch dazu beitragen, die Recyclingquoten zu erhöhen.

Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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