Radarblicke aus der Luft 50 m tief ins ewige Eis von Grönland
Wer den Klimawandel verstehen will, muss dahin gehen, wo es große Flächen mit Schnee, Firn und Eis gibt. Bis Ende Mai erfassen Forscher aus Deutschland und der Schweiz die Beschaffenheit des Eises auf Grönland bis in eine Tiefe von 50 m. Das Besondere: Sie tun das aus der Luft.
Grönlands Eisschild ist zum Teil mehr als drei Kilometer dick und von zentraler Bedeutung für die weltweite Klimaforschung. Derzeit testen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Kollegen der ETH Zürich neue Radar-Abbildungsverfahren. Diese sollen zukünftig die dreidimensionale Schnee- und Eisbeschaffenheit in bis zu 50 Metern Tiefe aus der Luft erfassen können.
Cryosphäre ist für Klimawandel von zentraler Bedeutung
Cryosphäre nennt man den Bereich der Erdoberfläche, auf dem Wasser in seiner gefrorenen Form vorkommt – als Schnee, Eis, Gletscher oder Permafrost. Für das Verständnis der globalen Erwärmung und zur Verbesserung der bestehenden Klimamodelle ist diese Cryosphäre besonders wichtig, denn sie reagiert sensibel auf Temperaturschwankungen.
Die Schnee- und Eisflächen verändern sich durch die Erwärmung, was wiederum die Lufttemperatur, den Meeresspiegel und die Ozeanströmungen beeinflusst. Außerdem reflektieren diese Oberflächen einen großen Teil des Sonnenlichtes, wodurch eine weitere Aufwärmung verhindert wird.
Mit der aktuellen Forschungskampagne Arctic15, die von Mitte April bis Ende Mai 2015 angesetzt ist, soll es möglich werden, den Einfluss des Klimawandels auf die interne Schichtung von Schnee, Firn und Eis bestimmen zu können. Interessant ist das beispielsweise, um zu untersuchen, wie viel Wasser des an der Oberfläche tauenden Schnees beim Einsickern wieder gefriert und somit nicht zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt – ein Effekt der in bisherigen Klimamodellen noch unzureichend berücksichtigt ist, wie es im aktuellen Bericht des Weltklimarats (IPCC) heißt.
Forschungsflüge dauern vier bis fünf Stunden
Montiert ist das Radar auf dem DLR-Forschungsflugzeug Do-228 D-CFFU, das fünf Untersuchungsgebiete im südlichen Teil Grönlands mehrfach überfliegt. Die Crew fliegt unter anderem in Gebieten entlang der Küsten, wo das Eisschild in mächtige Gletscherzungen übergeht und große Spalten bildet, sowie über dem südlichen Hochland, wo sie auch den höchsten Punkt, den sogenannten South Dome passiert. Die Flüge dauern in der Regel vier bis fünf Stunden.
„Mit der neuen Radartechnik werden sich zukünftig die verschiedenen Schnee- und Eisarten aus der Luft und dem Weltraum erkennen lassen“, sagt Kampagnenleiter Ralf Horn vom DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme. „Verschiedene Eisarten reflektieren die Radarstrahlung unterschiedlich und das Radar des DLR ist in der Lage, diese Unterschiede zu erfassen, teilweise in Tiefen von bis zu 50 Metern.“
Grönland-Eis ist je nach Region unterschiedlich aufgebaut
Das Eis auf Grönland zeigt dabei einen sehr unterschiedlichen Aufbau, je nachdem welche Region betrachtet wird. In den zentral und sehr hoch gelegenen Gebieten gibt es auch im Sommer kaum Schneeschmelze, wodurch sich das Eis unter einer dutzende Meter dicken Firnschicht befindet, die erst über den Druck der darüber liegenden Schichten zu Eis umgewandelt wird.
Im Gegensatz dazu findet man in Küstennähe blankes Eis, das nur im Winter eine geringe Schneeauflage aufweist. Der Blick in die Tiefe des Eises ist gleichzeitig auch ein Blick in das Klima der letzten Jahrzehnte, da über die Jahre Eisschicht um Eisschicht entstand.
Bevor die Flugkampagne begann, mussten die abgelegenen Gebiete am Boden erkundet, Radarreflektoren installiert und Schnee, Firn und Eis von Hand untersucht werden. Während der fünf- bis sechsstündigen Aufenthalte bei zum Teil weniger als minus 25 Grad Celsius und starkem Wind kamen dabei auch ein Bodenradar, eine Leihgabe des Alfred-Wegener-Instituts, und eine Schneesonde zum Einsatz.
Methoden zur Schnee- und Eisanalyse aus dem All
Nach der Rückkehr aus Grönland ist geplant auf Basis dieser Forschungskampagne neue Methoden zur Schnee- und Eisanalyse zu entwickeln, die dann auch auf die Daten zukünftiger Satellitenmissionen anwendbar sind. Dadurch könnte auf neue Art und Weise flächendeckend aus dem All beobachtet werden, wie sich Gletscher und Eisschilde der Erde verändern. Bisher sind diese Erkenntnisse nur punktuell durch aufwendige Expeditionen möglich.
Wer mehr über die Expedition wissen will, der kann direkt die Berichte der Forscher in ihrem Arktis-Blog verfolgen.
Ein Beitrag von: