Recycling: Textilscanner könnte Altkleidersortierung revolutionieren
Mehr Wertvolles aus Altkleidern und Textilabfällen machen: Dieses Ziel verfolgen Berliner Forschende mit dem Projekt CRTX. Dazu haben sie eine neue Sortier-Methode entwickelt, die durch künstliche Intelligenz (KI) gestützt wird.
Über eine Million Tonnen aussortierte Kleidung und Textilabfälle werden jedes Jahr in Deutschland gesammelt. Gut Erhaltenes wird zunehmend weiterverwendet: Die Kleidungsstücke gelangen über karikative Einrichtungen, Flohmärkte oder Online-Plattformen zu neuen Besitzerinnen und Besitzern. Stark zerschlissene Textilien werden weiterverarbeitet, beispielsweise zu Wischlappen oder Malerflies, oder sie finden als Autositzfüllungen eine neue Verwendung.
Umstritten ist jedoch seit Langem, was mit dem Rest passiert. Nahezu die Hälfte des deutschen Altkleideraufkommens wurde 2022 exportiert – die größten Abnehmer waren Polen (16,9 %) und die Niederlande (15,2%). Ein großer Teil gelangt zudem in Nicht-EU-Staaten, häufig nach Afrika. Darunter sind auch große Mengen unbrauchbarer Kleidung, die oft auf Deponien landen und in den betroffenen Ländern Entsorgungsprobleme verschärfen. Genau das möchte die Europäische Union durch eine Änderung der EU-Abfallrahmenrichtlinie ändern: Demnach sollen die getrennte Sammlung, Sortierung, Wiederverwendung und das Recycling von Textilien in der EU vorangetrieben werden, mit dem Ziel, dass der EU-Altkleider-Export in Drittstaaten keinen Abfall mehr verursacht.
Sortierung von Altkleidern per Hand ist aufwendig
Wird die angestrebte Änderung in der EU rechtskräftig, bedeutet das, dass in Europa künftig mehr Altkleider sortiert und einer neuen Verwendung zugeführt werden. Die soll möglichst klimafreundlich sein, denn die Produktion enormer Kleidungsmengen verursacht weltweit geschätzt rund acht Prozent aller Co2-Emissionen. Aber auch für die vorausgehende Sortierung müssen neue Lösungen gefunden werden, denn schon jetzt gibt zu wenig Fachkräfte für diese Aufgabe. Deshalb hat ein Team von Forschenden der Technischen Universität Berlin (TU), der Freien Universität Berlin (FU) und der Firma circular.fashion eine neue automatisierte Sortierung entwickelt.
„Bisher werden Altkleider händisch sortiert. Ein zeitaufwändiger Prozess, jedes Kleidungsstück muss zwei- bis dreimal in die Hand genommen werden, bis Produktart und Qualitätszustand feststehen“, erklärt Karsten Pufahl, TU-Wissenschaftler im Fachgebiet für Nichtlineare Optik und Forschungsleiter des Projektes mit dem Namen CRTX. Das Kürzel steht für Circular Texile Intelligence.
KI hilft bei der Analyse der Altkleider-Güte
Karsten Pufahl und seine Kolleginnen und Kollegen haben einen Textilscanner entwickelt, der mit einer KI-gestützten Bildanalyse ausgestattet ist. Dadurch erkennt das Gerät in Sekundenschnelle die Produktart des Kleidungsstücks und seine Qualität: ob es sich als Second-Hand-Ware eignet oder nicht. Nicht nur hochwertige Marken und ein guter Zustand von Jacke oder Hose sprechen für die Wiederverwendung, sondern auch, ob Kleidung den aktuellen Modetrends entspricht.
Damit diese Entscheidung möglichst kompetent ausfällt, trainieren die Forschenden die KI des Scanners mit Daten des aktuellen Modemarktes. So sollen künftig mehr Stücke aus den Altkleidersammlungen tatsächlich die Chance auf ein zweites Leben als Bekleidung finden – etwa über den Second-Hand-Handel.
Zukünftig soll der schwarze Textilscanner noch mehr Produktmerkmale erkennen und die Sortierung weiter verbessern. Daran arbeitet das Team im CRTX-Folgeprojekt, das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 2,3 Millionen Euro gefördert wird. Derzeit ist das Gerät zur „Fortbildung“ in einem großen Hamburger Recyclingunternehmen, wo seine KI an Tausenden von Altkleidern trainiert wird. Es gibt bereits Interessenten für das Produkt, eine Patentanmeldung läuft ebenfalls.
Faser-zu-Faser-Recycling von nicht mehr tragbaren Altkleidern
Die Berliner Forschenden haben sich in einem zweiten Teil des Projekts mit der Sortierung für das Faser-zu-Faser-Recycling befasst. Dabei wird Garn von gleicher Qualität gewonnen, damit es anschließend zu einem neuen Textilprodukt weiterverarbeitet werden kann. Bisher wird die dazu notwendige Fasererkennung mit Nahinfrarot-Spektroskopie durchgeführt. Weil diese Technik jedoch ungenau ist, wird diese hochwertige Recycling-Methode selten angewandt. Nur bei wenigen Textilien – etwa weißen Laken oder Jeans – lasst sich relativ sicher sagen, aus welchem Material sie bestehen und welche Schadstoffe sie beinhalten, sodass daraus neue Textilien entstehen können. Ein Gemisch verschiedener Fasern macht dagegen Schwierigkeiten.
Im Rahmen von Projekt CRTX hat Karsten Pufahl mit seinen Kolleginnen und Kollegen ein Verfahren entwickelt, mit dem jede Textilart präzise erkannt werden kann. Dabei setzen sie die Raman-Spektroskopie ein, die in der Laboranalytik verbreitet ist. Bei dieser störte bisher allergisch das Fluoreszieren von organischen Materialien, aus denen auch Textilien bestehen, die Messungen. Das Problem hat das Berliner Forschungsteam jedoch durch eine Verfahrensoptimierung in den Griff bekommen.
Auch bestimmte Schadstoffe können damit nun in den Textilien gemessen werden. Projektleiter Karsten Pufahl: „Das ist nicht ganz so trivial, weil es kompliziert ist, sowohl die Schadstoffe zu besorgen als auch belastete Kleidung zu finden, die man zum Antrainieren der Software auf die Erkennung von Schadstoffen benötigt.“ Auch sei noch nicht klar, welches Verfahren sich beim Faser-zu-Faser-Recycling durchsetzen werde. Derzeit klafft noch eine Lücke zwischen den Sortieranforderungen beim Recycling und dem technisch Machbaren in der Materialerkennung. Laut Karsten Pufahl brauche es mehr offenen Austausch, um herauszufinden, wie genau die Lücke geschlossen werden kann. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um Fasern gleicher Qualität und frei von Schadstoffen zurückzugewinnen und daraus neue, schadstofffreie Produkte zu erzeugen – im Sinne der Kreislaufwirtschaft.
Ein Beitrag von: