Regenerative Energie aus der Kläranlage
Auf der Suche nach Potenzialen zur Energieeinsparung steht die Abwasserentsorgung in Deutschland zunehmend im Visier von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Kläranlagen sind die größten kommunalen Energieverbraucher, sie liegen weit vor Schulen und Krankenhäusern. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes ließe sich deren CO2-Emissionen ohne große Investitionen um mehr als 30 % senken.
„Es gibt unterschiedliche Ansätze zur Energiegewinnung und -effizienzsteigerung bei Abwasseranlagen“, erklärte Sabine Thaler, Abwasserexpertin bei der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA), den VDI nachrichten. Seit vielen Jahren wird das bei der anaeroben, also unter Ausschluss von Sauerstoff erfolgenden Klärschlammbehandlung anfallende Faulgas zur Stromerzeugung und zur Wärmeerzeugung in Blockheizkraftwerken genutzt.
Noch mehr Energie ließe sich durch die sogenannte Cofermentation gewinnen, wenn den bestehenden Faulbehältern organische Abfälle zugefügt werden. „Heute wird vor allem in kleinen Anlagen noch zu viel Faulgas einfach abgefackelt. Hier wäre eine Nachrüstung in vielen Fällen sinnvoll“, sagte Thaler.
Auch eine energiesparende Belüftung der sogenannten Belebungsbecken, in denen die Abwässer gereinigt und u. a. von Schwermetallen und Phosphor, aber auch von Arzneimittelrückständen befreit werden, ist laut Umweltbundesamt (UBA) vielversprechend.
Ein weiterer Beitrag zur Energieeffizienz ist die Nutzung der Wärme im Abwasser, das beispielsweise aus Wohnungen mit Temperaturen zwischen 12 °C und 20 °C in den Abwasserkanal gelangt und sich für den Betrieb von Wärmepumpen zur Beheizung von Gebäuden eignet.
Ein innovatives System der Abwärmenutzung wurde jetzt in der ostfriesischen Stadt Aurich mit Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) realisiert. Dort nutzt man das vorgereinigte warme Abwasser eines Milchveredelungsbetriebs, das über Wärmetauscher für das Fernwärmenetz der Stadt auf bis zu 25 °C aufgeheizt wird. Mittels Wärmepumpen auf maximal 60 °C erwärmt, wird es auf das Heizungssystem und die Warmwasserversorgung einer Multifunktionshalle verteilt.
Künftig soll auch das geplante Allwetterbad der Stadt, das an einen kilometerlangen Fernwärmestrecke liegt, an dieses System angeschlossen werden. „Das Wärmepotenzial reicht sogar noch aus, um weitere Gebäude zu versorgen. Es kann aber auch zur Klärschlammtrocknung in unserer Kläranlage genutzt werden“, erläuterte Mimke Schulz, Betriebsleiter des Nettoregiebetriebes Stadtentwässerung der Stadtverwaltung Aurich. Ziel ist eine energieautarke Kläranlage, die die Energieausgaben der Stadt noch weiter reduzieren könnte.
Vielsprechend sind auch neue Systeme, die alle Rohstoff- und Energieeffizienzaspekte im Zusammenhang berücksichtigen. Im Rahmen des Forschungsverbundprojektes Deus 21 „Dezentrale Urbane Infrastruktur-Systeme“ fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Modelle eines regenerativen kommunalen Wassermanagements.
So ist es dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in einem Neubaugebiet in Knittlingen bei Pforzheim gelungen, eine weitgehend energieunabhängige Abwasserreinigung mit der Wiederverwertung anorganischer Bestandteile zu verbinden und gleichzeitig den Verbrauch von Trinkwasser zu reduzieren.
Das Abwasser eines 175 Einwohner zählenden Stadtgebiets wird anaerob gereinigt. In der Anlage, die nach vier Jahren Erprobung 2009 in Betrieb gegangen ist, werden die Feststoffe aus dem Abwasser zunächst in einem Absatzbehälter entfernt und separat bei 37 °C nach dem vom Fraunhofer IGB entwickelten Verfahren der Hochlastfaulung mit Mikrofiltration vergoren. Dabei entstehen täglich bis zu 5000 l Biogas.
Auch der Überlauf des Absetzbehälters, dies sind etwa 99 % des Abwasserzulaufs, wird in einem Bioreaktor, der – bisher einmalig in Deutschland – nicht beheizt wird, ebenfalls anaerob behandelt. Dabei fallen noch einmal bis zu 2000 l Biogas pro Tag an.
Mit insgesamt 40 l bis 60 l Biogas pro Einwohner und Tag ist die Anlage mehr als doppelt so effektiv wie eine herkömmliche Kläranlage mit Klärschlammfaulung. Das regenerative Biogas kann einem Blockheizkraftwerk zugeführt werden, das dann eine Siedlung mit Nahwärme versorgen könnte. In Knittlingen dient die Wärme bisher lediglich zur Beheizung des Faulreaktors.
Im Gegensatz zu der verdünnten Brühe in normalen Klärwerken eignet sich das anaerob gereinigte Abwasser aufgrund seiner hohen Reststoffkonzentration sowohl zur kombinierten Düngung und Bewässerung in der Landwirtschaft als auch zur Herstellung von Düngesalzen aus den anorganischen Nährstoffen Ammoniumstickstoff und Phosphat.
Aber nicht nur in diesem Bereich wurde ein Stoffkreislauf realisiert: „Wir sind von einem ganzheitlichen Ansatz ausgegangen und wollten ein Demonstrationsprojekt für den nachhaltigen Umgang mit Wasser schaffen. Sauberes Wasser ist zu kostbar, um es in Trinkwasserqualität zur Beförderung von Abfallstoffen zu nutzen“, sagte Marius Mohr, einer der Fraunhofer-Forscher.
Reines Trinkwasser soll in der ökologischen Mustersiedlung in Zukunft nur noch als Lebensmittel genutzt werden. Regenwasser wird in einer unterirdischen Zisterne gesammelt, gereinigt und entkeimt. Über ein separates Leitungsnetz soll es den Einwohnern für die Toilettenspülung sowie als Wasch- und Badewasser zur Verfügung stehen.
Das System hat Erfolg: „Hier geben sich Interessierte aus aller Welt die Klinke in die Hand“, so Mohr. Denn auch in Spanien, Brasilien, China und Indien müsse man bei steigendem Energie- und Wasserverbrauch künftig ökonomisch und ökologisch sinnvoll mit natürlichen Ressourcen umgehen. M. WOLLENWEBER
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