Riesiger Forschungsturm in Brasilien enträtselt Klimawandel
Im brasilianischen Regenwald wächst in den nächsten Monaten der Forschungsturm Atto in den Himmel. Deutsche und brasilianische Forscher versehen ihn mit Messgeräten, um die Bedeutung des Regenwaldes für den Klimawandel zu untersuchen. Mit 325 Metern wird der Stahlgigant selbst den Eiffelturm überragen.
Mit 325 Metern Höhe wird sich der ATTO-Turm (Amazonian Tall Tower Observatory) einen ganzen Meter höher in den Himmel strecken als der Eiffelturm in Paris. Jetzt haben brasilianische und deutsche Wissenschaftler mitten im Amazonas-Regenwald den Grundstein für den riesigen Forschungsturm aus Stahl gelegt. Schon im November soll ATTO stehen und mit verschiedenen Messgeräten für diverse Treibhausgase, Aerosole und Wetterdaten ausgestattet sein. Sie sollen die nächsten 20 bis 30 Jahre rund um die Uhr Informationen liefern.
Der Standort für ATTO ist das noch weitgehend unberührte Naturschutzreservat von Uatumã, etwa 150 Kilometer nordöstlich der Millionenstadt Manaus, Austragungsort von vier Vorrundenspielen der Fußball-WM 2014. Auf deutscher Seite leitet das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und auf brasilianischer Seite das Institut für Amazonasforschung (INPA) mit Sitz in Manaus das Projekt. „Deutschland und Brasilien leisten damit einen wichtigen Beitrag, um den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Atmosphäre besser zu verstehen. Zugleich erforschen wir Möglichkeiten, den Regenwald besser zu schützen“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka.
Enormer Einfluss auf weltweiten Wasserkreislauf
Der Regenwald im Amazonasgebiet gilt als eines der sensibelsten Ökosysteme der Erde, der nach den Algen im Meer den größten Anteil am Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre hat. Zugleich spielt der gerne auch grüner Ozean genannte Regenwald eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung des weltweiten Klimas. Darüber hinaus ist er ein wichtiger Kohlendioxidspeicher. Und der Amazonas-Regenwald hat durch die riesigen Verdunstungsmengen einen enormen Einfluss auf den weltweiten Wasserkreislauf. Für das exakte Verständnis des Weltklimas ist es also entscheidend, all diese Prozesse im Amazonas zu kennen und auch zu verstehen.
Mit seiner gewaltigen Höhe von 325 Metern ragt ATTO über die bodennahen Grenzschichten hinaus und liefert Informationen zur Treibhausgasbilanz von mehreren Tausend Quadratkilometern aus dem größten zusammenhängenden Waldgebiet der Welt. „Die Höhe des Messturms wird es erlauben, den Transport von Luftmassen und deren Veränderung durch den Wald über eine Strecke von vielen Hundert Kilometern zu untersuchen“, sagt der Atto-Projektleiter auf deutscher Seite, Dr. Jürgen Kessselmeier vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.
Projekt kostet rund 8,4 Millionen Euro
Das Projekt ATTO wurde bereits im Jahre 2009 als deutsch-brasilianisches Gemeinschaftsprojekt gestartet. Es wird von 2010 bis 2015 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 4,5 Millionen Euro gefördert. Die Gesamtkosten betragen rund 8,4 Millionen Euro. In direkter Nähe des jetzt gesetzten Grundsteins stehen bereits seit 2011 eine kleine Forschungsstation und zwei etwa 80 Meter hohe Messtürme, an denen regelmäßige Voruntersuchungen zu Wetterbedingungen, Ozon,- flüchtige organische Verbindungen und stickstoffhaltige Spurengasen sowie Aerosolen stattfinden. Künftig sollen vier Messtürme den Riesenturm flankieren.
ATTO soll auch einen Messfehler vermeiden, der bei flachen Messtürmen auftritt: den Unterschied zwischen Tag und Nacht. Im Amazonas-Regenwald beginnen die Pflanzen in der Nacht, den am Tage produzierten Zucker zu verbrennen und geben im Anschluss Kohlendioxid ab. Gleichzeitig kühlt aber auch der Boden aus, so dass weniger warme Luft aufsteigt als am Tage. Daher können die Sensoren oben an den flachen Messtürmen das Kohlendioxid nicht erfassen. Daraus folgt die fehlerhafte Interpretation, dass das Kohlendioxid gespeichert wird. In Wirklichkeit wird es aber überhaupt nicht aufgenommen, sondern zum Teil sogar über Bachläufe aus dem Wald gespült.
Bessere Daten erhalten
Deshalb wird der Riesenturm keine Unterschiede mehr zwischen Tag und Nacht erkennen können: Er erfasst also wirklich nur den langfristigen Trend im Kohlendioxidkreislauf. Und genau um diesen Trend geht es den Forschern. „Mit dem großen Messturm werden wir bessere Daten erhalten und die Mechanismen des Austauschs zwischen dem Boden und der Atmosphäre besser verstehen können, diese ganzen Zyklen. Das Ziel ist, wirklich zu begreifen, wie diese Wolkenbildung mit den Prozessen am Boden zusammenhängt“, sagt Antonio Manzi, bei INPA einer der Projektkoordinatoren von ATTO. Der riesige Stahlturm wird die Frage beantworten, ob der Amazonas-Regenwald der Atmosphäre große Mengen Kohlendioxid entzieht oder ob sich Aufnahme und Abgabe des Treibhausgases vielleicht sogar im Gleichgewicht befinden.
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