Roboter soll Plastikmüll vom Meeresgrund aufsammeln
Italienische Forscher haben den Roboter Silver 2 entwickelt, um Plastikmüll vom Meeresgrund aufsammeln zu können. Damit startet ein weltweiter Versuch, die Ozeane auch jenseits der Wasseroberfläche zu säubern.
Am Internationalen Tag des Meeres, dem 8. Juni, startete Silver 2 seine erste Mission. Ein y-förmiger Körper, aus dessen Seiten dicke gelbe Kabel hervorquellen, umschließt 2 durch eine halbkugelartige Glasverhüllung geschützte Kameraobjektive, während 6 Beine mit großen Gelenken die futuristische Konstruktion tragen: Das ist der Roboter Silver 2. Wissenschaftler aus Pisa haben ihre Erfindung am 8. Juni 2019 erstmals erfolgreich in einem geschützten Hafenbereich vor der italienischen Küste nahe der Stadt Livorno getestet. Dank seiner krabbenartigen Bauweise kann der Roboter über den Meeresgrund laufen, wobei er Foto- und Filmaufnahmen anfertigt und in Zukunft Plastikmüll einsammeln soll.
Silver 2: Was hinter dem Plastik sammelnden Roboter steckt
Der Name Silver steht für „Seabed Interaction-Legged Vehicle for Exploration and Research“, übersetzt etwa „laufendes Meeresboden-Interaktionsfahrzeug für Erkundung und Forschung“. Die erste Version des Roboters wurde 2018 entwickelt, damit Biologen, Geologen, Filmemacher, Fotografen und Unterwasserarchäologen den Meeresboden sowie Flora und Fauna unter Wasser erkunden können. Deshalb sind 2 HD-Kameras in den Körper integriert, mit denen bereits scharfe Fotos bei Langzeitbelichtung aufgenommen werden konnten. Dies spricht für die Stabilität der Konstruktion. Dank der 6 gelenkigen und gefederten Beine, mit denen der Roboter hüpfen und springen kann, läuft er sicher über den Meeresboden. Dabei kann er selbst größere Hindernisse und unterschiedlich beschaffene Untergründe unbeschadet überwinden.
Silver 2 enthält dieselbe Technik wie sein Vorgänger, soll aber zusätzlich in der Lage sein, während der Tauchgänge Plastikmüll einzusammeln. In Zukunft soll er Plastik und Mikroplastik im Wasser identifizieren und herausfiltern können. Dazu soll ihm unter anderem ein Arm zum Greifen von Plastikflaschen, Beuteln und anderem Müll eingebaut werden, der bisher noch fehlt. Silver 2 wiegt aktuell 9 Kilogramm und kann bis zu 200 Meter tief tauchen. Dabei hält er aufgrund seiner Bauweise auch niedrigen Temperaturen stand. In seinem Körper können verschiedene Werkzeuge und Instrumente verstaut werden, beispielsweise Bohrer, mit denen Wissenschaftler dem Meeresboden Proben entnehmen können. Zudem experimentieren die Forscher mit Techniken des Machine Learning. Der Roboter soll in Zukunft in der Lage sein, sich an unbekannte Umgebungen auf dem Meeresgrund anzupassen.
Silver 2 bewegt sich nicht selbstständig, sondern wird ferngesteuert. Zwischen den Forschern an Land und dem Roboter auf dem Meeresboden ist eine Boje zwischengeschaltet, die an der Wasseroberfläche schwimmt und den Datenaustausch ermöglicht.
Die Wissenschaftler, die den Meeresroboter erfunden haben
Silver 2 stammt von einem Team italienischer Forscher der Elite-Universität Scuola Superiore Sant’Anna di Studi Universitari e di Perfezionamento aus Pisa. Sie arbeiten und forschen am Institut für Bio-Robotertechnik in einer Außenstelle der Hochschule an einem Forschungszentrum in Livorno unter der Leitung der Wissenschaftler Marcello Calisti und Cecilia Laschi. Die National Geographic Society förderte ihre Arbeit an Silver 2 finanziell mit ihrer Subvention Early Career Grant, den die Gesellschaft an innovative und vielversprechende Forschungsprojekte verleiht.
Das Ziel der Forscher
Rund 10 Millionen Tonnen Plastikmüll landen laut Angaben der Deutschen Umwelthilfe pro Jahr in den Weltmeeren. Im Mai 2019 fand der US-Forscher Victor Vescovo sogar Plastik am tiefsten Punkt des Pazifischen Ozeans, dem knapp 11 Meter tiefen Marianengraben. Mit Silver 2 wollen die italienischen Wissenschaftler dazu beitragen, dass die Meere von Plastik befreit werden. Die bisherigen Forschungsprojekte beschränken sich meist auf die Wasseroberfläche und versuchen dort Müll herauszufischen. Die italienische Erfindung konzentriert sich hingegen auf den Abfall, der auf den Meeresboden sinkt. Zusätzlich soll die Maschine Bildmaterial vom Meeresboden liefern, das beispielsweise zu Forschungszwecken verwendet wird.
Andere Forschungsprojekte zum Säubern der Meere
Die wohl meiste Aufmerksamkeit erhielt bisher das Projekt „The Ocean Cleanup“, das der Niederländer Boyan Slat gründete. Der Student der Luft- und Raumfahrttechnik sammelte 2014 per Crowdfunding Geld für die Entwicklung seiner Idee. Die Anlage besteht aus einer am Meeresboden befestigten Plattform, die mit einem riesigen Schlauch verbunden ist. Daran hängen bis zu 3 Meter lange Filter, die im Meer treiben und durch die Strömung angespülte Plastik einfangen. Der Abfall kann dann entnommen und an Land gebracht werden. Im September 2018 begann „The Ocean Cleanup“, das System im pazifischen Müllstrudel zu testen. Dabei traten einige Probleme auf, unter anderem konnte sich einmal eingefangener Müll aus der Konstruktion befreien, da sie sich zu langsam bewegte. Nach einigen Verbesserungen soll die neue Technologie ab Juni 2019 im Pazifik zum Einsatz kommen. „The Ocean Cleanup“ befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Ziel ist es, möglichst viel Plastikabfall einzufangen, bevor sich dieser zu Mikroplastik zersetzt.
Technische Herausforderungen für Silver 2
Bis Silver 2 Plastik am Meeresboden einsammeln kann, sind weitere Entwicklungen und viele Test-Tauchgänge notwendig. Bisher fehlt eine Möglichkeit, Plastik über die HD-Kameras sicher zu erkennen und anschließend einzusammeln. Für letztere Aufgabe soll ein Arm entwickelt werden, der an dem Roboter befestigt wird. Da Silver 2 nur eine kompakte Größe besitzt, benötigt er zudem eine Möglichkeit, die gesammelten Abfälle zu transportieren, um nicht ständig auftauchen zu müssen.
Die Ozeane von Plastik befreien: So geht es weiter
Zahlreiche vielversprechende Projekte wie Silver 2 beschäftigen sich intensiv mit der Suche nach Lösungen für das Plastikproblem der Weltmeere. Dank Spenden und Förderungen machen sie Fortschritte – The Ocean Cleanup sammelte beispielsweise in kurzer Zeit über 40 Millionen US-Dollar ein. Bisher existiert allerdings noch keine funktionierende Technologie, die flächendeckend einsatzbereit ist. Hier sind die Forscher gefragt, ihre Projekte weiterzuentwickeln.
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