Sauerstoffmangel: Zustand der Seen in einer Abwärtsspirale?
Durch die Erderwärmung werden Seen aus Sauerstoffmangel immer brauner. Das lässt nicht nur den Lebensraum von Fischen schrumpfen, sondern setzt zudem eine Abwärtsspirale in Gang.
Sauerstoffmangel könnte Binnengewässer auf der ganzen Welt bedrohen. Der Sauerstoffmangel löst in Seen eine beschleunigte Abwärtsspirale aus, die durch den Klimawandel verstärkt wird. Eine internationale Studie, an der auch die TU Bergakademie Freiberg beteiligt war und deren Ergebnisse in „Global Change Biology“ veröffentlicht wurden, zeigt: Betroffene Seen leiden im Folgejahr erneut unter Sauerstoffmangel. Dies verschärft die Lebensbedingungen für Fische und Wirbellose, fördert die Freisetzung von Treibhausgasen und intensiviert Nährstoffkreisläufe. Eine weitere Folge: Verbräunung der Gewässer durch mehr organisches Material in den Seen.
Daten von über 600 Seen ausgewertet
Das internationale Forschungsteam analysierte erstmals umfangreiche Langzeitdaten von über 600 Seen, hauptsächlich in Nordamerika und Europa. Juniorprofessor Maximilian Lau von der TU Bergakademie Freiberg, ein Co-Autor der Studie, erklärt, dass Seen, die in einem Jahr einen kritischen Sauerstoffgehalt unterschreiten, im darauffolgenden Jahr wahrscheinlich noch stärker unter Sauerstoffmangel leiden werden.
Lau fügt hinzu, dass dieser sich selbst verstärkende Kreislauf zwar aus bestehendem Wissen über Nährstoffdynamik ableitbar ist, jedoch erst durch die umfangreiche Datensammlung aus über 100.000 unabhängigen Messkampagnen durch das Team entschlüsselt werden konnte.
Die Studie beleuchtet den Zusammenhang zwischen Wassertemperatur, Nährstoffrückhalt im Sediment, Planktonalgenentwicklung und Sauerstoffmangel. Diese Erkenntnisse ermöglichen es dem Team, die Anfälligkeit von Gewässern für zukünftige Sauerstoffkrisen besser vorherzusagen. Die Ergebnisse bieten Forschung und Behörden neue Möglichkeiten, den Zustand von Seen zu beurteilen und durch gezieltes Nährstoffmanagement zu verbessern.
Seen mit Anzeichen von Sauerstoffmangel von besonderem Interesse
Von zentraler Bedeutung für die Studie waren die Langzeitdaten zu Phosphor, Chlorophyll und Sauerstoffgehalt in 656 Seen, die vom Global Lake Observatory Network (GLEON) bereitgestellt wurden. Das Forschungsteam konzentrierte sich besonders auf Seen, die bereits Anzeichen von Sauerstoffmangel aufwiesen, vor allem in den stark vom Menschen beeinflussten gemäßigten Zonen Europas und Nordamerikas.
Abby Lewis, Hauptautorin von der Virginia Tech, betonte die Bedeutung der GLEON-Daten und des fachlichen Austauschs für die Charakterisierung der weitverbreiteten Sauerstoffmangel-Rückkopplung in über 600 Seen auf fünf Kontinenten.
So entsteht Sauerstoffmangel in Seen
Steigende Temperaturen führen zu einer längeren Schichtungsperiode in Seen, in der der Wasseraustausch zwischen den warmen oberen und den kalten unteren Schichten eingeschränkt ist. Der Klimawandel trägt dazu bei, indem er die Dauer und Stabilität der thermischen Schichtung durch einen immer früher beginnenden Frühling verstärkt.
Dies ermöglicht es den Abbauprozessen, den ohnehin begrenzten Sauerstoffvorrat im Tiefenwasser vollständig zu verbrauchen. Zusätzlich fördern höhere Temperaturen die Algenbildung. Wenn diese Algen absterben und am Grund von Bakterien zersetzt werden, wird Sauerstoff verbraucht. Dies führt, besonders in den tiefsten Bereichen des Sees, zu Sauerstoffmangel. Anhaltender Sauerstoffmangel kann dazu führen, dass nahezu alle höheren Wasserorganismen sterben.
Starkregen und Algenwachstum begünstigen Braunfärbung der Seen
Ein Forschungsteam der Cornell University in den USA bestätigt die Ergebnisse der Freiberger Forschungsgruppe. Die Wissenschaftler untersuchten 28 Seen im Nordosten von New York und belegten empirisch, dass mit steigender Oberflächentemperatur der Sauerstoffgehalt in den Seen abnimmt. Sie kommen außerdem zu dem Ergebnis, dass Starkregen und Algenwachstum die Braunfärbung der Seen begünstigen.
Die Studie des Forschungsteams zeigt, dass besonders im Spätsommer der Lebensraum für Kaltwasserfische deutlich schrumpft. Diese Fische benötigen kühles, sauerstoffreiches Wasser. Langzeitbeobachtungen bestätigen, dass dieser Lebensraum seit Jahrzehnten kontinuierlich abnimmt. Die Forscher warnen vor einer zunehmenden Verbräunung der Seen durch die Erderwärmung. Diese Entwicklung könnte zu einem massiven Sterben und möglicherweise zum Aussterben vieler Kaltwasserfischarten in Seen der gemäßigten Klimazone führen.
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