Schadet Waldluft unserem Klima?
Für uns Menschen ist Waldluft etwas, das uns Entspannen lässt. Doch der Pflanzenduft gelangt bis in die Atmosphäre und stresst dabei das Klima. Dabei spielt die Artenvielfalt eine wesentliche Rolle. Wie das zusammenhängt, hat nun ein Forschungsteam ermittelt.
Als CO2-Speicher können wir auf Wälder nicht verzichten, doch Pflanzen haben auch einen negativen Einfluss auf die Umwelt, was sich durch den Klimawandel noch verstärken könnte. So geben Pflanzen Duftstoffe ab, die bis in die Atmosphäre gelangen und das Klima beeinflussen können. Ein Forschungsteam aus der Universität Leipzig, dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) hat herausgefunden, dass artenreiche Wälder weniger Duftstoffe in die Atmosphäre abgeben als Monokulturen. Das ist einigermaßen überraschend, denn bislang war die Fachwelt davon ausgegangen, dass es genau umgekehrt ist. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht.
Pflanzendüfte gelangen in die Atmosphäre
Pflanzen setzen eine Vielzahl organischer Verbindungen frei, die als Kommunikationsmittel mit ihrer Umgebung dienen. Zu diesen gehören biogene flüchtige organische Verbindungen (BVOCs), wie Terpene, die nicht nur den charakteristischen Pflanzenduft erzeugen, sondern auch Schädlinge abwehren.
Diese Verbindungen dienen zudem als chemische Signale und beeinflussen das Klima, die Luftqualität und die Atmosphärenchemie. Wenn Pflanzen BVOCs freisetzen, bilden sich in der Atmosphäre biogene sekundäre organische Aerosole (BSOAs). Die Aerosole wirken sich wiederum auf die Luftqualität, die Wolkenbildung und das Klima aus.
Welchen Anteil hat die Artenvielfalt?
Wie beeinflussen Veränderungen der Artenvielfalt oder Trockenstress bei Pflanzen die Aerosolkonzentration in der Luft? Dieser Frage widmete sich ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Dr. Anvar Sanaei, Prof. Dr. Alexandra Weigelt (beide Universität Leipzig) und weiteren Forschenden des TROPOS und des iDiv. Die notwendigen Daten sammelten sie auf der MyDiv-Versuchsfläche für Baumvielfalt.
Diese zwei Hektar große Fläche in Bad Lauchstädt, Sachsen-Anhalt, beherbergt auf 80 Parzellen zehn verschiedene Baumarten in Mono- und Mischkulturen. Für ihre Studie analysierte das Team über einen Zeitraum von knapp zwei Wochen Luftproben von zehn 11×11 Meter großen Parzellen. Auf diesen wuchsen vier Baumarten (Vogelbeere, Vogelkirsche, Gemeine Esche, Bergahorn) in verschiedenen Kombinationen.
Ergebnis: Weniger Pflanzendüfte, weniger Risiken
„Vor Ort haben wir BVOC- und BSOA-Verbindungen in zehn Parzellen mit unterschiedlicher Baumvielfalt gemessen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Menge der BVOC in den meisten Fällen bei höherer Biodiversität abnimmt“, sagt Dr. Anvar Sanaei, Erstautor der Studie und Postdoktorand am Institut für Biologie der Universität Leipzig.
Durch den Klimawandel und höhere Temperaturen könnten sich die BVOC-Emissionen aus der Vegetation jedoch um rund ein Drittel erhöhen, so Schätzungen. „Damit sind große Unsicherheiten verbunden: Aus diesen Vorläufergasen können sich Partikel bilden, die wiederum zu Wolkentropfen werden können. Ob die BVOCs dann am Ende die Atmosphäre eher kühlen oder eher erwärmen, hängt von sehr vielen Faktoren ab und ist schwer vorherzusagen. Mehr Artenvielfalt und weniger BVOCs würden aber die Veränderungen in der Atmosphäre verringern und damit auch die Risiken des Klimawandels – einschließlich veränderten Niederschlägen“, fügt Prof. Dr. Hartmut Herrmann vom TROPOS hinzu.
Herausforderungen bei der Studie
Der zweite Teil der Studie verdeutlicht die Herausforderungen bei der Untersuchung komplexer Prozesse in natürlichen Umgebungen. Für biogene sekundäre organische Aerosole (BSOA) gelang es dem Forschungsteam nicht, eindeutige Zusammenhänge zu identifizieren.
Diese Schwierigkeit könnte teilweise auf Umwelteinflüsse zurückzuführen sein. Ein weiterer Faktor ist die Zeitspanne, die für die Umwandlung von biogenen flüchtigen organischen Verbindungen (BVOCs) in BSOA-Partikel benötigt wird. Zudem war die Dauer der Messkampagne mit knapp zwei Wochen relativ kurz. Angesichts dieser Herausforderungen und der noch offenen Fragen plant das Team, seine Forschungen fortzusetzen.
Größere Pflanzenvielfalt – mehr Stress?
Bislang ging die Fachwelt davon aus, dass Wälder und Wiesen mit hoher Artenvielfalt mehr gasförmige Substanzen in die Atmosphäre emittieren als solche mit geringerer Artenvielfalt. Dies wurde darauf zurückgeführt, dass artenreiche Ökosysteme aufgrund ihrer effizienteren Nutzung von Ressourcen wie Licht, Wasser und Nährstoffen eine höhere Biomasseproduktion aufweisen. Eine größere Biomasse impliziert eine erhöhte Blattoberfläche, welche als Quelle für die Freisetzung dieser Gase dient.
„Unsere neuen Ergebnisse sprechen aber eher dafür, dass es daran liegen könnte, dass die Pflanzen in artenreichen Wäldern und Wiesen weniger Stress haben. Sie leiden unter weniger Fressfeinden, weniger Hitze oder Trockenheit als in Monokulturen. Aber das ist bisher nur eine Hypothese. Um besser zu verstehen, wie die Biodiversität die Atmosphäre beeinflusst, sind viele weitere Untersuchungen nötig, bei denen wir uns das Mikroklima, den ober- und unterirdischen Stress für die Pflanzen und viele andere Faktoren genauer per Langzeitexperiment ansehen müssen“, erklärt Prof. Dr. Nico Eisenhauer vom iDiv.
Ein Beitrag von: