Schiffsabgase drohen Nordsee zu verpesten
Ohne gesetzliche Regulierung wird die Schadstoffbelastung der Nordsee durch die Schifffahrt in den kommenden 15 Jahren um 25 Prozent steigen. Die Initiative Clean North Sea Shipping ruft Politik und Unternehmen zum Umdenken auf. Besonders kritisch sei der Einsatz von schwefelreichem Schweröl als Treibstoff.
Die Nordsee ist durchwebt von einem dichten Netz an Schiffsrouten. Besonders in Hafenstädten und entlang der Küsten ist die Luftbelastung durch Schiffsabgase entsprechend hoch. Zwar schneidet die Schifffahrt generell gut ab, wenn man ihre CO2-Bilanz mit anderen Transportmitteln vergleicht. Aber ein Großteil der Schiffe wird noch mit schwefelreichem Schweröl betrieben. Das zähe Abfallprodukt aus der Ölindustrie ist wesentlich preiswerter als Schiffsdiesel, aber der Schwefelausstoß ist enorm.
Um dazu beizutragen, die Schiffsabgase im Nordseeraum zu reduzieren, haben sich 2010 sechs Nordseeanrainerstaaten zum Projekt „Clean North Sea Shipping“ (CNSS) zusammengetan. Das Projekt, das mit einem Budget von 4,13 Millionen Euro ausgestattet war, ist nun im März 2014 zu Ende gegangen.
Schockergebnis: Stickoxidabgase könnten bis 2030 um 25 Prozent steigen
Zu den Projektbeteiligten gehörten auch Volker Matthias und seine Kollegen vom Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung in Geesthacht. Das Team hatte aktuelle Schadstoffemissionen von kommerziell genutzten Schiffen in der Nordsee erhoben, um damit verschiedene Szenarien über mögliche zukünftige Emissionen durchzurechnen.
Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass die Stickoxidabgase der Schifffahrt ohne weitere gesetzliche Regulierungen und technische Veränderungen bis zum Jahr 2030 um 25 Prozent steigen könnten.
Für ihre Prognose analysierte die Arbeitsgruppe von Volker Matthias zunächst die aktuelle Situation. „Dafür haben wir uns jedes kommerziell genutzte Schiff, das im Jahr 2011 auf der Nordsee gefahren ist, genauer angeschaut. Wichtig waren für uns Größe, Schiffstyp, Motorenart, Kraftstoffverbrauch und natürlich die Route eines jeden Schiffes“, erklärt der Physiker. Die erhobenen Daten wurden anschließend in die vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht betriebenen Chemie-Transportmodelle eingespeist.
Die Berechnungen ergaben, dass zurzeit 20 bis 30 Prozent der Schwefel- und Stickoxidkonzentrationen in der Nordseeluft auf die Schifffahrt zurückzuführen sind. „Das Thema Luftverschmutzung durch Schiffe betrifft nicht nur die direkte Küstenregion“, erläutert Matthias. „Die Schiffsabgase werden durch die Winde verdriftet und reagieren mit Gasen aus Landwirtschaft, Industrie und Verkehr. Es kommt zur sogenannten Partikelbildung. Diese Partikel können über hunderte Kilometer durch die Atmosphäre transportiert und noch 500 Kilometer landeinwärts nachgewiesen werden.“
Forscher entwickeln vier Szenarien für Zukunft der Nordseeluft
Im nächsten Schritt wollten die Forscher herausfinden, wie sich konkrete gesetzliche Maßnahmen auf die Schadstoffkonzentration in der Atmosphäre auswirken könnten. Dafür entwickelten sie vier verschiedene Szenarien. Szenario Eins zeigt: Die Konzentration der Stickoxide in der Atmosphäre würde im deutschen Nordseeraum bis 2030 um etwa 25 Prozent ansteigen, wenn die gesetzlichen Schiffsabgas-Richtlinien nicht weiter verschärft würden.
„Selbst die Einführung der bereits beschlossenen Regulierung des Schwefelgehaltes im Treibstoff ab 2015 könnte die Verschlechterung der Luftqualität in den Küstengebieten nicht stoppen“, erklärt Matthias. „Die Schiffe stoßen nach wie vor hohe Mengen Stickoxide aus und wir müssen damit rechnen, dass die transportierte Fracht auf der Nordsee jedes Jahr um zwei bis drei Prozent ansteigen wird.“
Auch die Szenarien Zwei und Drei machen deutlich, dass strenge Richtlinien durchgesetzt werden müssten, um den Status Quo zu erhalten. Die Einführung der sogenannten Tier-III-Abgas-Regulierungen, die den Stickoxidausstoß bei neu gebauten Schiffen ab 2016 regulieren, sehen die Wissenschaftler als einen ersten Schritt. Um die Vorgabe zu erfüllen, müssten neue Schiffe entweder mit dem emissionsarmen Treibstoff Flüssiggas betrieben werden, oder aber beim Einsatz von konventionellem Schweröl Filteranlagen und Katalysatoren einsetzen.
Im vierten Szenario spricht Volker Matthias von einer Verbesserung der Luftqualität. Dies sei allerdings nur zu erreichen, wenn bis zum Jahr 2030 alle existierenden Schiffe umgerüstet würden, und nicht nur die Neukonstruktionen.
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