Seit 7000 Jahren steigen die Wintertemperaturen im sibirischen Permafrost
Deutsche Polarforscher haben 100.000 Jahre alte Eiskeile im sibirischen Permafrost untersucht und festgestellt, dass die Temperaturen im Winter schon seit 7000 Jahren steigen. Zwei Ursachen vermuten die Forscher: eine sich ändernde Stellung der Erde zur Sonne und der Treibhauseffekt.
Für Forschungsaufenthalte im ostsibirischen Permafrost sollte man nicht allzu kälteempfindlich sein. Im kleinen Hafenort Tiksi an der Küste des Nordpolarmeeres in der Nähe des Lena-Deltas liegen die tiefsten Wintertemperaturen bei minus 36 Grad. Und auch im Sommer wird es nicht wärmer als 10 Grad. Ganz in der Nähe liegt die Insel Muostakh, die inzwischen wiederholt zum Ziel deutscher Polarforscher geworden ist. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts AWI, einem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, untersuchen hier, wie sich das Klima über einen langen Zeitraum entwickelt hat.
Riesige Eiskeile im Permafrostboden Sibiriens
Nachdem die Polarforscher bereits im vergangenen Jahr auf eine schneller werdende Erosion der Steilküsten in Ostsibirien aufmerksam gemacht haben, wollten sie nun die langfristige Entwicklung der Wintertemperaturen in Sibirien rekonstruieren. Ihr Fazit: In den zurückliegenden 7000 Jahren ist die Wintertemperatur in den sibirischen Permafrostregionen gestiegen.
„In den zurückliegenden 7000 Jahren sind die Winter im Lena-Delta kontinuierlich wärmer geworden – eine Entwicklung, die wir so bisher aus kaum einem anderen arktischen Klimaarchiv kennen“, sagt AWI-Forscher Hanno Meyer. Als Grund nennen die Forscher eine sich ändernde Stellung der Erde zur Sonne und den steigenden Ausstoß von Treibhausgasen seit Beginn der Industrialisierung.
Untersucht haben die Forscher dafür Eiskeile, die ein typisches Merkmal der Permafrostregionen sind. „Sie entstehen, wenn sich der dauerhaft gefrorene Boden im Winter aufgrund der großen Kälte zusammenzieht und aufreißt. Schmilzt im Frühjahr der Schnee, rinnt das Schmelzwasser in diese Risse“, sagt Hanno Meyer, Permafrostforscher am AWI Potsdam und Erstautor der aktuellen Studie. „Bei einer Bodentemperatur von etwa minus zehn Grad Celsius gefriert es dort sofort wieder. Wiederholt sich dieser Prozess, entsteht im Laufe der Jahrhunderte ein Eiskörper, der an einen riesigen Keil erinnert.“
Die teilweise mehr als 100.000 Jahre alten Eiskeile speichern Klimainformationen, ähnlich wie Gletscher. Mit einer Tiefe von bis zu 40 Metern und einer Breite von maximal sechs Metern sind die Eiskeile in der sibirischen Arktis zwar nicht so mächtig wie ein antarktischer Gletscher. Aber sie speichern genauso zuverlässig Klimainformationen.
42 Eisproben von 13 Eiskeilen ausgewertet
„Das Schmelzwasser stammt jeweils vom Schnee eines Winters. Gefriert es in der Frostspalte, werden Informationen über die Wintertemperatur in jenem Jahr mit eingeschlossen“, so AWI-Forscher Thomas Opel. „Uns ist es nun erstmals gelungen, diese im Eis gespeicherten Temperaturinformationen mithilfe der Sauerstoff-Isotopenanalyse zu einer Klimakurve für die vergangenen 7000 Jahre zusammenzufassen.“
Die neuen Daten stammen aus 42 Eisproben, die in mehreren Expeditionen von 13 Eiskeilen genommen wurden. In die Studie sind nur jene Proben eingegangen, deren Alter die Forscher bestimmen konnten. „Diese Arbeit fällt bei Eiskeilen leicht, denn mit dem Schmelzwasser gelangen jede Menge Pflanzenreste und anderes organisches Material in das Grundeis – und deren Alter können wir mit der Radiokarbonmethode sehr genau bestimmen“, sagt Hanno Meyer.
Keine Angaben über die Erwärmung in absoluten Zahlen
Im Gegensatz zu anderen arktischen Klimaarchiven, die vor allem Temperaturinformationen aus dem Sommer speichern, wenn die Pflanzen wachsen, haben die Polarforscher des AWI nun reine Winterdaten gesammelt. Um wie viel Grad Celsius genau die arktischen Winter wärmer geworden sind, können die Wissenschaftler allerdings nicht sagen. „Das Ergebnis der Sauerstoff-Isotopenanalyse verrät uns zunächst nur, ob und wie sich das Isotopenverhältnis verändert hat. Steigt es, sprechen wir von einer relativen Erwärmung“, erklärt Thomas Opel.
Deutliche Hinweise fanden die Wissenschaftler bei der Suche nach den Ursachen der Erwärmung. „Wir sehen in unserer Kurve eine klare Zweiteilung. Bis zum Beginn der Industrialisierung um das Jahr 1850 können wir die Entwicklung auf eine sich ändernde Position der Erde zur Sonne zurückführen. Das heißt, damals haben die Dauer und Intensität der Sonneneinstrahlung von Winter zu Winter zugenommen und auf diese Weise zum Temperaturanstieg geführt.
Ursache der Wintererwärmung ist unter anderem der Treibhauseffekt
Mit dem Beginn der Industrialisierung und dem zunehmenden Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid aber kam dann noch der vom Menschen verursachte Treibhauseffekt hinzu. Unsere Datenkurve zeigt ab diesem Zeitpunkt einen deutlichen Anstieg, der sich wesentlich von der vorgegangenen langfristigen Erwärmung unterscheidet“, so Hanno Meyer.
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun überprüfen, ob dieselben Anzeichen für eine langfristige Erwärmung im Winter der Arktis auch in anderen Permafrostregionen der Welt zu finden sind, etwa in der kanadischen Arktis.
Ein Beitrag von: