Siemens baut im Hamburger Hafen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe
Siemens baut im Hamburger Hafen jetzt den ersten europäischen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe. Ab Februar 2015 können die Meeresgiganten nach dem Anlanden am Kreuzfahrt-Kai in Hamburg Altona die Motoren abschalten. Das senkt die Emissionen, an denen jährlich 20.000 Menschen in Europa sterben.
Siemens hat vom Hafenmanagement Hamburg Port Authority (HPA) den Auftrag erhalten, bis Februar 2015 im Kreuzfahrtterminal Hamburg-Altona eine schlüsselfertige Landstromanlage für rund 8,5 Millionen Euro zu bauen. Sie soll Kreuzfahrtschiffe jeder gängigen Größe und Bordnetzauslegung mit Strom versorgen.
Das Siemens-System arbeitet mit einem patentierten, fahrbaren Roboterarm und hat eine Leistung von zwölf Megavolt-Ampere (MVA). Die eigentliche Herausforderung bei einer Landstromversorgung ist die Angleichung der Frequenz des örtlichen Verteilnetzes an die Frequenz des jeweiligen Bordnetzes. Das Herzstück der mobilen Anlage ist daher ein Frequenzumrichter mit eigener Steuerungssoftware, der genau dies leistet.
Das modular aufgebaute Siemens-System bedient alle in der Schifffahrt geforderten Leistungsbereiche. Es ist für die weltweit gängigen Bord-Frequenzen von 50 und 60 Hertz geeignet. Im 50-Hertz-Bereich werden Spannungen von sechs beziehungsweise zehn Kilovolt und im 60-Hertz-Bereich 6,8 beziehungsweise elf Kilovolt bereitgestellt.
Roboterarm fährt automatisch durch Außenluke des Schiffs
Das System ist selbstfahrend und kann somit vollautomatisch von Bord aus bedient werden. Damit muss landseitig kein zusätzliches Fachpersonal für die Stromversorgung des Kreuzfahrtschiffes bereitstehen. Die Landstromtankstelle kann sich in einem 300 Meter langen Betonkanal entlang der Kaimauer bewegen. Landet ein Kreuzfahrtschiff am Kai, fährt der Roboterarm mit den Steckern der Leitungskabel und der Kommunikationsverbindung durch die Außenluke in das Schiff. Dieses Roboterarmsystem, das Siemens gemeinsam mit der Firma Stemmann Technik in Schüttdorf entwickelt hat, gleicht während der Stromversorgung ebenfalls den Tidenhub aus – das ist die Differenz des Wasserpegels bei Hoch- und Niedrigwasser.
Sobald das Schiff angelegt hat, fährt der Roboterarm mit den Stromanschlüssen automatisch durch die Außenluke. Das Schiff kann somit eigene Motoren zur Stromerzeugung abschalten.Das ganze System ist robust ausgelegt: Stahlplattenabdeckungen des Betonkanals gewährleisten, dass die Fläche ohne jede Einschränkung von Teleskopkränen, Lkws und Bussen während der Liege- und damit Stromversorgungszeiten der Kreuzfahrtschiffe befahren werden kann. Ist gerade mal kein Schiff mit Strom zu versorgen, wird das komplette Kabelzuführungssystem in einer hochwassergeschützten Garage geparkt. So erfüllt Siemens die Forderung der Hansestadt Hamburg, einen öffentlichen Zugang der Kaianlagen für Besucher zu gewährleisten. Denn der Hamburger Hafen ist ein wichtiges touristisches Ausrufezeichen der pulsierenden Metropole an der Elbe.
Jährlich sterben 20.000 Menschen an Folgen der Schiffsemissionen
Kreuzfahrten boomen. Beispiel Hamburg: Kamen im Jahr 2000 noch 29 Kreuzfahrtschiffe nach Hamburg, waren es 2013 schon 178. Und es sind ja beileibe nicht nur die Kreuzfahrtschiffe. 90 Prozent der globalen Handelsströme werden mit Schiffen befördert. So landen im Jahr etwa 11.000 Containerfrachter im Hamburger Hafen. Und alle stellen sie ihren an Bord benötigten Strom selber mit Motoren her.
Ein Kreuzfahrtgigant wie die Queen Mary II hat beispielsweise den Strombedarf einer Stadt mit 200.000 Einwohnern. Doch die Riesenschiffe verbrauchen den Strom nicht nur auf ihren Fahrten über die Meere der Welt. Wenn sie in den Häfen anlegen, müssen Lichtanlagen, Restaurants oder die Beheizung der Schwimmbecken mit viel Strom am Laufen gehalten werden. In nur einer Stunde Liegezeit im Hafen stoßen große Schiffe so viel Feinstaub aus wie mehrere Zehntausend Autos.
Laut Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) lässt sich eine große Anzahl von Krebserkrankungen in Hafengebieten feststellen, die auf Schiffsemissionen zurückzuführen sind. „Aber nicht nur Krebserkrankungen, auch Atemwegserkrankungen und Kreislauferkrankungen. Es gibt ganz klar Studien, die nachweisen, dass in Europa 20.000 Menschen jährlich nur aufgrund von Schiffsemissionen sterben“, rechnet Nadja Ziebarth vom BUND vor.
Der Hamburger Hafen hat vor einigen Monaten reagiert und ein Konzept für eine alternative Energieversorgung der Kreuzfahrtschiffe vorgelegt. „So leisten wir einen Beitrag zur Verringerung der Emissionen von Schiffen im Hamburger Hafen“, freute sich Jens Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung des Hafens. „Darüber hinaus schaffen wir die Voraussetzungen, um auszutesten wie in weiteren Schritten auch andere Seeschiffe während ihrer Liegezeit mit sauberer Energie versorgt werden können.“
Amerika ist Vorreiter in puncto Landstromanschluss
Landstromversorgung an sich ist keine neue Erfindung. 2008 hat Siemens im Lübecker Hafen am Nordlandkai Deutschlands erste Landstromanlage installiert. Abnehmer dort sind drei im Verkehr mit Nordfinnland fahrende Handelsschiffe. Malte Siegert, Leiter des Bereichs Umweltpolitik beim Naturschutzbund Hamburg fordert, dass es in Zukunft Möglichkeiten geben müsse, auch Containerschiffe über Landstrom zu versorgen.
Er verweist auf Übersee, wo die Häfen von Los Angeles, Long Beach und Oakland an der amerikanischen Westküste bei ähnlich hohem Verkehr von Kreuzfahrtschiffen und Containerumschlagszahlen bereits seit Jahren über je bis zu 20 Landstromanschlüsse verfügen. „Die Amerikaner sind rigoros und verpflichten einen hohen Anteil einlaufender Kreuzfahrt- und Containerschiffe, landstromtauglich zu sein. Wenn die Anschlüsse da sind, darf die Nutzung nicht beliebig, sondern muss verbindlich sein“, so Siegert.
Wie die emissionsfreie Stromversorgung von Kreuzfahrtschiffen im Hamburger Hafen funktioniert, zeigt dieses Video:
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