MIT-Forschung 09.10.2024, 12:30 Uhr

Solarbetriebene Entsalzung ohne Batterie: Sauberes Wasser für alle

Das MIT entwickelt ein Entsalzungssystem, das nur Solarenergie nutzt. Es benötigt keine Batterien und produziert effizient sauberes Trinkwasser, selbst bei schwankender Sonneneinstrahlung.

Jon Bessette sitzt auf einem Anhänger, der das Elektrodialyse-Entsalzungssystem beherbergt

Jon Bessette sitzt auf einem Anhänger, der das Elektrodialyse-Entsalzungssystem beherbergt. Das System ist mit echtem Grundwasser, Wassertanks und Solarmodulen verbunden.

Foto: Shane Pratt

Ingenieurinnen und Ingenieure des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben ein solarbetriebenes Entsalzungssystem entwickelt, das ohne zusätzliche Batterien auskommt. Es arbeitet ausschließlich im Takt der Sonne und stellt eine vielversprechende Lösung dar, um sauberes Trinkwasser in sonnenreichen, aber wasserarmen Gebieten zu produzieren.

Wie funktioniert das System?

Die vom MIT entwickelte Entsalzungsanlage hat eine besondere Fähigkeit: Sie kann sich nahtlos an die natürlichen Schwankungen der Sonnenenergie anpassen. Wenn die Sonnenstrahlen im Laufe des Tages intensiver werden, erhöht das Entsalzungssystem automatisch seine Leistung. Das Besondere daran: Es kann auf kleinste Veränderungen der Sonneneinstrahlung in Echtzeit reagieren. „Unsere Technologie nutzt Solarenergie direkt und effizient zur Wassergewinnung, ohne dass eine Batteriespeicherung erforderlich ist“, erklärt Amos Winter, Professor für Maschinenbau am MIT.

Anders als herkömmliche solarbetriebene Systeme benötigt diese neue Technologie keine externe Energiequelle, um den Entsalzungsprozess zu unterstützen. Es verzichtet vollständig auf Batterien, die normalerweise als Zwischenspeicher für überschüssige Energie dienen. Stattdessen passt sich das System dynamisch an die Sonneneinstrahlung an und nutzt diese sofort zur Wasseraufbereitung. Fällt die Sonnenleistung ab – etwa durch eine Wolke – reduziert das System automatisch den Wasserfluss und den Energiebedarf. Sobald die Sonne wieder stärker scheint, erhöht es die Entsalzungsrate entsprechend.

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Keine Batterien nötig – Das Steuerungssystem macht’s möglich

Das MIT-Entsalzungssystem basiert auf einer ausgeklügelten Steuerungstechnologie, die die Energiemenge überwacht, die durch die Solarzellen bereitgestellt wird. Ein sogenanntes „flussgesteuertes Stromkontrollsystem“ sorgt dafür, dass das System den Stromverbrauch kontinuierlich an die verfügbare Solarenergie anpasst. Dadurch wird die Entsalzungsleistung in Echtzeit reguliert. Die Reaktionszeit des Systems beträgt nur wenige Sekunden, was es extrem flexibel und effizient macht.

„Stellen Sie sich vor, die Sonne bricht durch die Wolken“, erklärt Winter. „In diesem Moment schaut das System dreimal pro Sekunde auf die Solarmodule und erhöht sofort den Wasserfluss. So wird die zusätzliche Energie sofort genutzt, ohne dass ein Puffer wie eine Batterie nötig wäre.“

Feldtests beweisen die Effizienz

In einem sechsmonatigen Testlauf in New Mexico konnte das System seine Praxistauglichkeit unter Beweis stellen. Es wurde an mehreren Grundwasserbrunnen eingesetzt, um brackiges Wasser zu entsalzen. Das Forschungsteam testete das System unter wechselnden Wetterbedingungen und unterschiedlich starker Sonneneinstrahlung. Dabei zeigte sich, dass das System im Durchschnitt 94 % der von den Solarmodulen erzeugten Energie nutzte. Diese hervorragende Effizienz blieb auch bei stark schwankenden Wetterbedingungen konstant.

Trotz der variierenden Solarenergie gelang es dem System, täglich bis zu 5000 Liter sauberes Trinkwasser zu produzieren. Jonathan Bessette, einer der Mitentwickler und Doktorand am MIT, betont die Bedeutung dieser Technologie: „Mit dieser Technologie könnten wir sauberes, erschwingliches Wasser für Regionen auf der ganzen Welt bereitstellen, die bisher keinen Zugang zu einer stabilen Wasserversorgung haben.“

Elektrodialyse als Schlüsseltechnologie

Das neue Entsalzungssystem verwendet die Methode der Elektrodialyse zur Entfernung von Salz aus dem Wasser. Elektrodialyse unterscheidet sich grundlegend von der Umkehrosmose, einer weiteren gängigen Methode zur Entsalzung. Während bei der Umkehrosmose Wasser unter hohem Druck durch eine Membran gepumpt wird, um die Salze zu entfernen, funktioniert die Elektrodialyse auf eine andere Weise: Salzionen werden durch ein elektrisches Feld aus dem Wasser gezogen, während das Wasser durch einen Stapel von Ionenaustauschmembranen fließt.

Diese Methode eignet sich besonders gut für den Einsatz in solarbetriebenen Systemen, da sie keine konstant hohe Stromzufuhr erfordert. Stattdessen kann sie flexibel auf variable Energiequellen wie Solarenergie reagieren. Dies macht die Elektrodialyse ideal für Regionen, in denen der Zugang zu einer stabilen Stromversorgung eingeschränkt ist.

Funktionsweise Entsalzungssystem

In dem Entsalzungssystem nehmen Solarmodule die Energie der Sonne auf und leiten sie dann optimal (in Gelb dargestellt) an die Pumpe und den Elektrodialysestapel weiter, ohne dass eine Energiespeicherung, wie z. B. durch Batterien, erforderlich ist. Das salzhaltige Speisewasser fließt durch die Pumpe in den Elektrodialysestapel, wo es entsalzt und in einen Trinkwasserstrom (hellblau) und einen konzentrierten Solestrom (dunkelblau) aufgeteilt wird.

Foto: Jonathan Bessette

Entsalzung von brackigem Grundwasser möglich

Ein besonderer Fokus des Systems liegt auf der Entsalzung von brackigem Grundwasser. Diese Art von Wasser ist in unterirdischen Reservoirs weltweit reichlich vorhanden und könnte eine entscheidende Rolle bei der Lösung der globalen Wasserkrise spielen. Brackwasser ist zwar salziger als Süßwasser, aber weit weniger salzhaltig als Meerwasser. Dadurch ist es einfacher und energieeffizienter zu entsalzen.

„Der Großteil der Weltbevölkerung lebt weit entfernt von den Küsten und kann daher nicht von der Meerwasserentsalzung profitieren“, erklärt Bessette. „Viele dieser Menschen sind auf Grundwasser angewiesen, das aufgrund des Klimawandels immer salziger wird. Diese Technologie könnte die Lösung für diese Regionen sein.“

Geringe Kosten, hohe Nachhaltigkeit

Neben der technischen Effizienz bringt das batterielose Entsalzungssystem laut Forschungsteam auch wirtschaftliche Vorteile mit sich. Durch den Verzicht auf Batterien werden nicht nur die Anschaffungskosten gesenkt, sondern auch die laufenden Wartungskosten minimiert. Batterien haben eine begrenzte Lebensdauer und müssen regelmäßig ersetzt werden, was bei einem großflächigen Einsatz enorme Kosten verursachen könnte. Mit diesem neuen System entfällt dieser Aufwand vollständig.

Darüber hinaus sei das System umweltfreundlicher, da keine potenziell umweltschädlichen Batterien eingesetzt werden, so die Forschenden. Dies trägt dazu bei, die Technologie für Regionen mit geringem Einkommen und begrenztem Zugang zu Ressourcen noch attraktiver zu machen.

Zukunftsaussichten – Wasserversorgung für ganze Gemeinden

Die Ingenieurinnen und Ingenieure des MIT planen, das System weiter zu testen und es zu skalieren, um es für größere Gemeinden oder sogar städtische Anwendungen nutzbar zu machen. Das Ziel ist es, eine Technologie zu entwickeln, die es ermöglicht, größere Mengen an Trinkwasser ausschließlich durch Solarenergie zu produzieren. Dies könnte insbesondere in Ländern mit wasserarmen, aber sonnenreichen Gebieten eine revolutionäre Entwicklung darstellen.

„Wir arbeiten daran, die Technologie weiter zu verbessern und zu skalieren, um die Wasserversorgung von ganzen Kommunen sicherzustellen“, erklärt Winter. Die Forschenden haben bereits konkrete Pläne, die Technologie in einem kommerziellen Maßstab einzusetzen und sind zuversichtlich, dass das System in den nächsten Jahren zu einem festen Bestandteil der globalen Wasserversorgung werden könnte.

 „Unser Ziel ist es, eine Technologie bereitzustellen, die nachhaltig, effizient und erschwinglich ist“, sagt Bessette.“ Wir sehen ein enormes Potenzial darin, sauberes Wasser in Regionen zu bringen, die bisher keinen Zugang dazu hatten.“

Hier geht es zur Originalmeldung des MIT

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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