Stürme drücken sauerstoffreiches Wasser in die Ostsee
Aufatmen in der Todeszone der zentralen Ostsee: Starke Stürme haben sauerstoffreiches Salzwasser aus der Nordsee in die Ostsee gepresst und giftigen Schwefelwasserstoff verdrängt. Erstmals seit 2003 entsteht in der Tiefsee somit ein besserer Lebensraum für die Tierwelt.
Danli, Ev und Feliz haben der berüchtigten Todeszone in der zentralen Ostsee wieder ein Stück Leben eingehaucht. Die drei Gesellen sind ausgewachsene Sturmtiefs, die vom 8. bis zum 19. März mit Kerndrücken zwischen 960 und 990 Hektopascal über Skandinavien herumtobten. Als Folge schwappten etwa 203 Kubikkilometer salzhaltiges Nordseewasser in die Ostsee. Davor schaufelten lang anhaltende, westliche Februarwinde bereits rund 141 Kubikkilometer Nordseewasser in Richtung Nachbarmeer.
Sturmtiefs haben der Ostsee frisches Wasser eingeblasen
Und dieses salzhaltige Nordseewasser bringt Sauerstoff mit. Aktuell haben die Forscher vom Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) auch nachweisen können, dass der Sauerstoffeintrag aus dem Nordseewasser den giftigen Schwefelwasserstoff verdrängen konnte – dieser befindet sich in hoher Konzentration in bodennahen Wassertiefen von 200 bis 240 Metern. Damit wird eine seit 2003 anhaltende Phase der Sauerstoffzehrung und zunehmender Schwefelwasserstoffbildung unterbrochen, was insbesondere die Lebensbedingung höherer Lebewesen in diesen Todeszonen leicht verbessert.
Fünf Mal im Jahr machen sich die Warnemünder Ostseeforscher mit den Forschungsschiffen Maria S. Merian oder Elisabeth Mann Borgese auf zur Umweltüberwachung der Ostsee. Zur Kontrolle hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Helsinki-Abkommens (HELCOM) aus dem Jahre 1992 verpflichtet. HELCOM ist eine zwischenstaatliche Kommission, die von den Anrainerstaaten gegründet wurde.
Zuletzt verzeichneten die Wissenschaftler Ende des Jahres 2011 ein solches Ereignis, das jedoch lediglich das Tiefenwasser der südlichen Ostsee einschließlich der Danziger Bucht belüftete. Der jetzt gemessene Schwall aus der Nordsee hingegen war stark genug und schaffte es, weiter nach Nordosten bis in das zentrale Gotland-Becken vorzudringen.
Die Ostsee gilt als das größte Brackwassermeer der Erde
Von Brackwasser spricht man, wenn das Wasser nur einen Salzgehalt von 0,1 bis ein Prozent aufweist. Wasser mit geringerem Salzgehalt heißt Süßwasser, ist der Salzgehalt höher, so hat man es mit Salzwasser zu tun.
Der Wasserkörper der rund 20.000 Kubikkilometer mächtigen Ostsee ist permanent geschichtet mit salzärmeren Oberflächenwasser, das ständig durch den Eintrag von Süßwasser der zahlreichen in die Ostsee mündenden Flusssysteme gespeist wird. Diese obere Deckschicht steht dabei im ständigen Austausch mit der Atmosphäre. Daher ist sie durch Windeinmischung, durch temperaturbedingte Umwälzungsprozesse sowie biologischen Produktion gut mit Sauerstoff versorgt.
Ab etwa 70 Metern Wassertiefe funktioniert diese Winddurchmischung nicht mehr. Dort unten in der Finsternis zeigt die Ostsee ihre enge Bindung an die Nordsee: Hier sammelt sich das gelegentlich durch die Beltsee in die Ostsee einströmende Nordseewasser. Es ist deutlich salzhaltiger als das Ostseewasser und ist somit auch schwerer. Daher fließt es am Boden der Ostsee entlang in die Tiefenbecken. Beide Schichten mischen sich kaum, so dass eine dauerhafte Schichtung in der Ostsee besteht.
Diese Schicht wirkt für im Wasser gelöste Gase wie den Sauerstoff jedoch wie eine Barriere. Feste Partikel hingegen, wie abgestorbene organische Substanzen, passieren diese Grenze der beiden Wasserkörper zumeist völlig ohne Probleme. Das hat Konsequenzen: Denn durch die Zersetzung des herabgesunkenen organischen Materials nimmt der Sauerstoffgehalt des Tiefenwassers ständig ab. Bei Unterschreitung bestimmter Schwellenwerten entsteht dort dann sogar giftiger Schwefelwasserstoff.
Es liegt daher auf der Hand, dass eine Verbesserung der Wasserqualität dort nur durch den Zustrom großer Mengen von Nordseewasser erfolgen kann, welches in Kontakt mit der Atmosphäre war und deshalb reich an lebensspendendem Sauerstoff ist. Dieser so segenreiche horizontale Austausch wird jedoch durch untermeerische Schwellen in der westlichen Ostsee enorm erschwert.
Schwere Stürme für den Sauerstoffnachschub notwendig
Deshalb kann nur in ganz speziellen Sturmsituationen aus Nordwest das salzreiche Tiefenwasser über diese natürlichen Barrieren gepresst werden, um die östlichen und die zentralen Ostseebereiche mit neuem Sauerstoff zu versorgen. Die Gebiete, in denen es zu diesem Nachschub an Sauerstoff kommen kann, sind bekanntermaßen recht klein: Es ist zum einen die sogenannte Darßer Schwelle, eine ausgedehnte Sandebene zwischen der dänischen Insel Møn, und der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst mit einer Wassertiefe von etwa 18 bis 19 Meter. Zum anderen ist es die Drodgen Schwelle im Öresund. Sie liegt zwischen der dänischen Insel Seeland und dem schwedischen Festland mit eine Wassertiefe von etwa acht bis neun Meter. Da müssen dann schon so windige Gesellen wie Danli, Ev und Feliz herumtoben, um Sauerstoff in die Ostsee zu pressen.
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